Zum zweiten Mal in ihrer Geschichte hat die Fakultät für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften erfolgreich einen Cotutelle-Promovenden hervorgebracht. Für seine Dissertation wurde Dr. Christoph Czychon 2021 mit dem Promotionspreis der französischen Vereinigung für International Management Atlas-AFMI ausgezeichnet. Doch was ist eigentlich eine Cotutelle-Promotion? Welche Themen eignen sich dafür? Und welche Herausforderungen, aber auch Chancen kommen auf Promovierende zu, die dieses Verfahren wählen, das bisher noch wenig verbreitet ist?
1. Was ist eine Cotutelle-Promotion?
Bei der sogenannten Cotutelle de thèse handelt es sich um ein bi-nationales Promotionsverfahren, das zusammen mit ausländischen Partneruniversitäten durchgeführt wird. Dabei wirken nicht nur zwei Betreuerinnen oder Betreuer aus unterschiedlichen Ländern an der Dissertation mit, es sind auch Arbeitsaufenthalte an beiden Universitäten nötig. Für jedes Cotutelle-Verfahren wird ein Vertrag zwischen den beteiligten Hochschulen geschlossen, in dem die Einzelheiten geregelt sind. Am Ende steht eine gemeinsame Promotionsurkunde beider Universitäten.
2. Zu welchen Forschungsthemen passt eine Cotutelle-Promotion?
Eine Cotutelle-Promotion bietet sich insbesondere für Themen von bi-nationalem Interesse an. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn das Thema inhaltlich mit dem anderen Land in Verbindung steht. Christoph Czychon promovierte am Bamberger Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Internationales Management und an der Universität Lyon III Jean Moulin in Frankreich. Betreut wurde er dabei auf deutscher Seite von Prof. Dr. em. Johann Engelhard und auf französischer Seite von Prof. Dr. Ulrike Mayrhofer. Czychon befasste sich in seiner Arbeit mit der Internationalisierung von Großkonzernen. Ein zentrales Ergebnis: Globale Trends haben dazu geführt, dass europäische Unternehmen den Großteil ihrer Umsätze interregional, also außerhalb Europas, erwirtschaften. Empirisch war Czychons Forschungsprojekt zunächst auf deutsche DAX-Unternehmen beschränkt. „Im Zuge der Internationalisierung durch das Cotutelle-Verfahren, habe ich zusätzlich den französischen Leitindex eingebunden.“
3. Welche persönlichen Voraussetzungen sollte man für eine bi-nationale Promotion mitbringen?
„Grundsätzlich ist es von Vorteil, wenn man vorher schon einmal im internationalen Umfeld unterwegs war und die Sprache des Landes spricht, in dem die Partneruniversität liegt“, meint Christoph Czychon. Er selbst war beispielsweise während seines Bachelorstudiums zeitweise in den USA und während des Masters in Taiwan. „Dadurch, dass das Modell noch nicht allzu weit verbreitet ist, sollte man auch etwas Abenteuerlust mitbringen“, ergänzt Prof. Dr. Björn Ivens, der in Christoph Czychons Verfahren Vorsitzender der Promotionskommission war. Der persönliche Ehrgeiz habe bei Czychon den Ausschlag gegeben, sagt sein Betreuer Johann Engelhard über ihn. „Er war unglaublich diszipliniert und motiviert und trotzdem gab es zwischendurch Phasen, in denen es auch Probleme gab. Hierfür haben wir gemeinsam Lösungen gefunden.“
4. Welche Herausforderungen gibt es auf dem Weg zur Doppelpromotion?
„Zum einen braucht man gute Argumente dem betreuenden Professor oderder Professorin gegenüber. Denn diese Person entbindet einen, sodass man Arbeitsaufenthalte an der Partneruniversität wahrnehmen kann“, erklärt Czychon. Der Doktorand oder die Doktorandin muss also sicherstellen, dass die Arbeit in Deutschland trotzdem zu schaffen ist. Dabei geht es beispielsweise darum, Bachelor- und Masterarbeiten zu betreuen oder Vorlesungen vorzubereiten. Denn die Cotutelle-Promotion bedeutet Mehraufwand – nicht zuletzt, weil ein großer bürokratischer Apparat dahintersteht. Der Vertrag, der zwischen beiden Universitäten geschlossen wird, ist aufwendig. Er muss vom Dekanat, demPräsidenten und dem Justitiariat abgesegnet werden. Den gleichen Weg durchläuft das Abkommen noch einmal an der Partneruniversität. „Die Formalitäten, die darin geklärt werden, sind umfangreich“, erklärt Czychon. „Das fängt an bei der Ausgestaltung des Deckblatts der Dissertation und zieht sich durch bis zur Zusammensetzung der Promotionskommission.“ Außerdem müssen darin unterschiedliche Bewertungsschemata der beiden Länder zusammengebracht werden.
5. Welche Vorteile bietet eine Cotutelle-Promotion?
„Meine Dissertation hätte sich thematisch in einem viel kleineren Rahmen bewegt“, erklärt Christoph Czychon. Weil zwei Personen die Arbeit betreuen, bekommt die promovierende Person Ein-blicke aus unterschiedlichen Perspektiven und die doppelte Expertise. Darüber hinaus wird auch der Zugang zu Daten sowie Expertinnen und Experten im Ausland erleichtert. Diese kann die Doktorandin oder der Doktorand zum Beispiel auf internationalen Tagungen, Kongressen und Konferenzen kennenlernen. Ulrike Mayrhofer ermöglichte Christoph Czychon beispielsweise, an Tagungen in Dubai und Mailand teilzunehmen: „Unter anderem dort konnte ich viele Kontakte für die Zukunft generieren. Gerade für Personen, die nach der Promotion in der Forschung tätig bleiben wollen, sind solche Kontakte enorm wichtig.“ Trotz der Herausforderungen überwiegen für Czychon die Chancen, die ihm die bi-nationale Promotion bot: „Ich würde mich jederzeit wieder dafür entscheiden.“
6. Wie finanziert man eine bi-nationale Promotion?
„Theoretisch kann man überall und mit jeder Universität weltweit auf diese Art und Weise promovieren“, sagt Engelhard. „Das Schwierige ist jedoch die Förderung und damit die Finanzierung.“ Für eine Cotutelle-Promotion zusammen mit einer französischen Universität bietet sich beispielsweise eine Förderung durch die Deutsch-Französische Hochschule (DFH) an, die generell die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich im Hochschulbereich stärken will. Christoph Czychon konnte dadurch etwa seine Aufenthalte in Frankreich finanzieren. Viele weitere Fördermöglichkeiten – auch für Cotutelle-Promotionen – finden sich in der Stipendiendatenbank des Deutschen Akademischen Austauschdiensts (DAAD).
7. Welche Tipps gibt es für Personen, die eine Cotutelle-Promotion anstreben?
Dr. Marion Hacke berät am Graduiertenzentrum Trimberg Research Academy (TRAc) rund um die Themen Promotion, Karriere und Promotionsfördermöglichkeiten. Ihr Tipp: Das Vorhaben möglichst früh bei allen Beteiligten anmelden, weil der Prozess bis hin zu einem Abkommen zwischen beiden Universitäten langwierig ist. Ebenso sieht das Björn Ivens: „Am besten plant man das Cotutelle-Verfahren schon vor der eigentlichen Promotion. Je früher man das angeht, desto besser. Denn so verliert man in der Forschungsphase weniger Zeit.“ Christoph Czychon gibt zukünftigen Cotutelle-Promovierenden mit auf den Weg, sich kleine Ziele zu stecken, aber das große Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. „Ich kann nur sagen, dass es eine unheimlich positive und schöne Erfahrung war, von der ich auch jetzt noch profitiere“, sagt Czychon. Nicht zuletzt hat er 2021 in Frankreich von Atlas-AFMI den Preis für die beste Promotion im Bereich International Management verliehen bekommen.