Mit dem Scanner die Universität erkunden

Deutsch-ukrainische Projektwoche widmet sich einer neuartigen Technologie des virtuellen 3D-Scannings historischer Gebäude.

Studierende und das Projektteam bei der deutsch-ukrainischen Projektwoche
  • Campus
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  • 23.09.2022
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  • Hannah Fischer
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  • Lesedauer: 5 Minuten

In dicke Jacken eingepackt und mit roten Warnwesten bekleidet stehen rund ein Dutzend Personen vor dem Gebäude An der Universität 9 (U9). Zwischen ihnen ein schwarzes Gerät auf einem Stativ, das sich einmal um die eigene Achse dreht. Gebannt schauen alle auf ein Tablet. Auch wenn es heute bewölkt und für einen Septembertag recht kalt ist, passt das Wetter perfekt für das, was das Team um Prof. Dr. Mona Hess, Inhaberin des Lehrstuhls für Digitale Denkmaltechnologien an der Universität Bamberg, und Prof. Dr. Thomas Luhmann, Professor für Photogrammetrie am Standort Oldenburg der Jade Hochschule, mit Studierenden aus Deutschland und der Ukraine vorhaben. Im Rahmen der deutsch-ukrainischen Projektwoche „3D Terrestrial Laser Scanning. From Simulation to Real Scanning“ erkunden sie mit einem Laserscanner Gebäude der Otto-Friedrich-Universität.

Kein Regen, kein Nebel und möglichst kein grelles Sonnenlicht – das sind die idealen Wetterbedingungen, um gute Daten zu generieren, weiß Thomas Luhmann. Der Professor unterhält bereits seit rund elf Jahren Kooperationen und Austauschprogramme mit Universitäten in der Ukraine. Daraus ist auch die Projektwoche für ukrainische und deutsche Studierende entstanden. Eingebettet ist sie in das Projekt „VRscan3D: Virtueller Laserscanner-Simulator zur Digitalisierung der Unterrichtsumgebung“, bei dem das Institut für Angewandte Photogrammetrie und Geoinformatik (IAPG) der Jade Hochschule, die Kiewer Nationale Universität für Bau und Architektur (KNUCA), die Technische Universität Dnipro sowie der Lehrstuhl für Digitale Denkmaltechnologien an der Universität Bamberg zusammenarbeiten. Im Rahmen eines Programms, das die Förderung ukrainischer Hochschulen im Bereich digitaler Lehre unterstützt, wird das Projekt durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) mit rund 400.000 Euro gefördert. Es hat zum Ziel, einen Simulator für terrestrische Laserscanner zu programmieren und zu entwickeln. Was die Studierenden also vor der U9 in der realen Welt durchführen, soll auch in einer virtuellen Umgebung möglich sein.

Scannen ohne Scanner

Das bietet zahlreiche Vorteile: Ukrainische Hochschulen haben aus finanziellen Gründen in der Regel keine Scanner, wie sie etwa an der Universität Bamberg zur Verfügung stehen. Mit der virtuellen Simulation, die an die Umgebung in einem Computerspiel erinnert, haben Studierende und Forschende trotzdem die Möglichkeit, mit einem 3D-Scanner zu arbeiten, auch wenn er ihnen nicht physisch zur Verfügung steht. „Das Trainingstool ist einzigartig. So etwas gab es vorher weltweit noch nicht“, erklärt Dr. Maria Chizhova, Akademische Rätin am Lehrstuhl für Digitale Denkmaltechnologien. Sie hatte die Idee zu der Simulation. Ein weiterer Vorteil zeigte sich während der Pandemie. Studierende und Forschende können das Scannen trainieren, ohne wirklich vor Ort sein zu müssen. „Während des Krieges in der Ukraine bewährt sich das virtuelle System gleich nochmal“, meint Thomas Luhmann.

Insgesamt 11 Studierende nehmen an der Projektwoche teil, die eigentlich in Kyiv hätte stattfinden sollen. Fünf Studierende aus der Ukraine haben die beschwerliche Reise mit Bussen und Zügen auf sich genommen, um trotzdem an dem Programm teilnehmen zu können. Jetzt sind sie in Bamberg. Und neben dem realen Scannen der Bamberger Gebäude können sie auch die virtuelle Simulation VRscan3D testen. Einerseits lernen die Studierenden so praktisch kennen, was sie in der Universität theoretisch gelernt haben. „Wegen der Pandemie haben viele Praxiskurse nicht stattfinden können“, meint etwa Student Michael Minnich aus Oldenburg. Jetzt freut er sich umso mehr alles ausprobieren zu können. Andererseits erhofft sich das Projektteam Feedback, sodass die Simulation und das dazugehörige Lernmaterial noch weiter verbessert werden können. Wichtig ist aber auch der interkulturelle Austausch, sind sich Mona Hess und Thomas Luhmann einig. Die Studierenden lernen in gemischten deutsch-ukrainischen Projektgruppen, wohnen gemeinsam in gemieteten Apartments und können sich beim Programm nach Feierabend, wie etwa einem gemeinsamen Kellerbesuch, noch besser kennenlernen. „So erzeugt die Projektwoche auch einen hohen Spaßfaktor und bleibt sicher allen Beteiligten lange in Erinnerung“, stellt Thomas Luhmann fest.

VRscan3D sahnt Preis ab

Für VRscan3D hat das Projektteam, das neben Mona Hess, Maria Chizhova und Thomas Luhmann aus Dr. Darius Popovas vom IAPG, sowie Dr. Denys Gorkovchuk und Dr. Julia Gorkovchuk, beide von der KNUCA, besteht, bereits einen Preis erhalten. Erst im Juni 2022 war das Team gemeinsam in Nizza, um den angesehenen Preis der Internationalen Gesellschaft für Photogrammetrie und Fernerkundung (ISPRS) für die beste Software-Entwicklung für computerassistiertes Unterrichten – kurz CATCON-Preis – entgegenzunehmen.

Es soll auch nach Auslaufen der Förderung weitergehen: Kommendes Jahr wird erneut eine deutsch-ukrainische Projektwoche stattfinden. Und das Projektteam will weitere Gelder beantragen, um noch mehr Daten erheben zu können, die dann virtuell in aller Welt genutzt werden können. „Perspektivisch möchten wir in Bamberg den gesamten Innenstadtcampus in 3D abbilden“, erklärt Mona Hess. „Wir erschließen uns die Stadt Stück für Stück“. Neben dem Lernnutzen, den die Simulation für Studierende und Forschende hat, können die erhobenen Daten aber auch in anderen Bereichen hilfreich sein. Das Staatliche Bauamt etwa habe Interesse bekundet, verrät Mona Hess. Der Boden vor der U9 soll erneuert werden. Die Scannerdaten können dabei helfen, weil sie den Untergrund auf wenige Millimeter genau zeigen und auch Unebenheiten abbilden. So könnten die Daten in Zukunft sogar zu mehr Barrierefreiheit auf dem Universitätsgelände beitragen.

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Seite 154233, aktualisiert 23.09.2022