Let’s talk about weed

Studierende entwickeln Konzept zur Cannabisprävention

Teilnehmende eines Seminars sitzen im Stuhlkreis
  • Campus
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  • 14.03.2024
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  • Stephanie Fröba
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  • Lesedauer: 3 Minuten

Präventionsarbeit spielt vor dem Hintergrund der beschlossenen Cannabis-Legalisierung in Deutschland eine große Rolle. Deshalb ist 2023 ein vom Freistaat Bayern gefördertes Verbundpilotprojekt gestartet, in dem Cannabisprävention für Berufsschüler*innen und Studierende neu konzipiert werden soll – von Lernenden für Lernende. Teil davon ist das interdisziplinäre Projektseminar Cannabisprävention an der Professur für Pathopsychologie. Die uni.kat-Redaktion hat die Studierenden bei ihrer Arbeit im Wintersemester 2023/24 begleitet.

Auf dem Weg ins Projektseminar gehen Hanna hundert Fragen durch den Kopf, die sie seit der ersten Sitzung im Oktober 2023 immer wieder beschäftigen: Wo sollen wir anfangen? Wie schaffen wir es überhaupt, den Nerv der Zielgruppe Berufsschüler*innen zu treffen? Und wie geht’s dann weiter? Die Aufgabe, ein Cannabiskonsum-Präventionskonzept zu erarbeiten, ist komplex – und ihr wird immer mehr bewusst, welche Verantwortung die Gruppe trägt. Aber Hannas Motivation, im Seminar eine gute Lösung herauszuarbeiten, ist größer als ihre Verwirrung über den aktuellen Stand. Denn aus eigener Erfahrung weiß sie, wie enorm wichtig es ist, junge Menschen über Cannabis aufzuklären. In ihrem Freundeskreis zu Schulzeiten in München gab es viele, die ahnungslos kifften, nichts von den schädlichen Folgen wussten. Zum Beispiel, wie gefährlich es ist, Cannabis zu konsumieren, wenn man psychische Probleme hat. „Kiffen ist cooler als Alkohol“, war das Credo auf Partys, erinnert sich Hanna. „Doch ich konnte beobachten, wie in meinem Umfeld Leute Panikattacken hatten, in Psychosen stürzten oder süchtig wurden – und ich wusste nicht, wie ich es hätte verhindern können.“

Handlungsbedarf gibt es jetzt schon

Was im Seminar von Pathopsychologe Prof Dr. Jörg Wolstein allen Studierenden bewusst wurde: Persönliche Erfahrungen wie die von Grundschullehramtsstudentin Hanna sind nicht die Ausnahme. Kiffen ist verbreiteter denn je. 4,5 Millionen Erwachsene haben nach aktuellen Erhebungen des Bundesgesundheitsministeriums im letzten Jahr wenigstens einmal Cannabis konsumiert. Oft verursachen falscher Konsum oder gefährliche Beimischungen aus dem kriminellen Handel gesundheitliche Schäden. Diese zu reduzieren, ist ein Ziel der Cannabis-Legalisierung in Deutschland. „Der Cannabiskonsum unter jungen Menschen bis zu einem Alter von 25 Jahren ist in den vergangenen zehn Jahren gewachsen. Der Anstieg ging rückblickend einher mit der Legalisierung von Cannabis zum medizinischen Gebrauch“, erklärt Jörg Wolstein und führt fort: „Seit die öffentlichen und politischen Diskussionen um die Legalisierung des privaten Konsums und Anbaus losgingen, wurde ebenso ein Anstieg des Cannabiskonsums festgestellt. Ob wir also eher für oder gegen die Cannabis-Legalisierung sind, spielt für den Handlungsbedarf in der Aufklärungs- und Präventionsarbeit keine Rolle. Wir müssen als Gesellschaft jetzt schon reagieren.“ Jörg Wolstein rief deshalb ein mehrsemestriges Projektseminar für Studierende der Psychologie, Schulpsychologie und der Beruflichen Bildung an der Universität Bamberg ins Leben, das sich zum Ziel gesetzt hat, Cannabis-Präventionskonzepte für Berufsschüler*innen und Studierende zu erstellen und durchzuführen.

Begegnung auf Augenhöhe

Psychologiestudentin Katharina belegte das interdisziplinäre Seminar bereits im Sommersemester 2023. In der heutigen Sitzung des Wintersemesterseminars im November 2023 findet die Übergabe der bisherigen Ergebnisse statt, mit denen die neue Seminarrunde weiterarbeiten kann. Als Teil der Gruppe, die sich konkret mit der Umsetzung des Präventionskonzepts in den Berufsschulen auseinandergesetzt hatte, schildert Katharina: „Unser Grundprinzip war, nicht mit erhobenem Zeigefinger vorzugehen, also den Schüler*innen weder etwas zu verbieten noch sie mit Schreckensszenarien einzuschüchtern. Wir vermuten, dass dann eher Widerstand zu erwarten ist. Stattdessen finden wir wichtig, den Berufsschüler*innen auf Augenhöhe zu begegnen, also mit Verständnis und Einfühlungsvermögen für ihre Situation. So können wir als Präventionsteam, das kaum älter ist als die Zielgruppe, authentisch sein und ernstgenommen werden.“

Selbstwirksamkeit und Resilienz

Hanna hört genau zu. Alles, was Katharina erläutert, klingt nachvollziehbar und realistisch. Letztlich ist es genau das, was ihr in der Schulzeit gefehlt hat: „Mir hätte das sehr geholfen, Nein-Sagen-Können zu lernen. Ich erinnere mich exakt an diese Partysituationen und das unsichere Gefühl, wenn diese Frage kam. So oft war ich kurz davor mitzurauchen, obwohl ich wirklich nicht wollte. Viele meiner Freunde haben mitgemacht. Und dann fühlt sich das Nicht-Mitmachen auch falsch an. Ich hätte so viel mehr Spaß am Feiern gehabt, wenn ich selbstsicher meine Position eingenommen hätte. Das wird mir gerade klar!“

„Die persönliche Erinnerung von Hanna veranschaulicht gut, worum es in der Prävention im Kern geht“, erklärt Jörg Wolstein: „Zum Beispiel um Selbstwirksamkeit, also die eigene Überzeugung, in Situationen zielführend handeln und mit dem Ergebnis zufrieden sein zu können. Oder um Resilienz, also der Fähigkeit, auch ohne Substanzkonsum mit Belastungen umgehen zu können. Derartige Präventionsprinzipien gelten natürlich auch bei anderen Suchtmitteln; da gibt es schon viele Erfahrungen, die jetzt auf die Cannabisprävention  übertragen werden können.“

Leitsätze zum „Sicherer Kiffen“

Das Sommersemesterseminar hatte sich für das konkrete Ziel der Resilienz-Stärkung viele weitere präventive Maßnahmen für die Gruppenarbeit in den Schulen überlegt. Es hat aber auch ein ganz anderes Szenario berücksichtigt: Prävention für diejenigen aus der Gruppe, die kiffen wollen und das durchaus überzeugt tun. „Auch dieser Zielgruppe wollen wir grundsätzlich nichts vorschreiben. Wir haben uns aber Maßnahmen überlegt, die helfen, den Schaden marginal zu halten – in der Psychologie nennen wir das offiziell Harm-Reduction“, erklärt Katharina und stellt das wichtigste Ergebnis vor: „Entstanden ist ein Pocketguide mit Leitsätzen zum „Sicherer Kiffen“, der für mögliche Problemszenarien vor, während und nach dem Cannabis-Konsum Lösungen und Handlungsvorschläge präsentiert.“ Konkret lauten die Leitsätze in dem faltbaren Heft zum Beispiel „Ich kiffe nicht, wenn ich psychische Probleme habe“, „Ich achte darauf, während des Kiffens genug zu essen und zu trinken“ oder „Ich kiffe nicht, wenn ich noch fahren will.“

Selbstreflexion und Motivation zu Handlungsalternativen

„Grundsätzlich sollen in unserem Projekt die erreichten Schüler*innen und Studierenden ihr eigenes Handeln reflektieren und dann motiviert werden, es so anzupassen, dass die Risiken minimiert werden. Ziel ist es, überhaupt nicht oder wenn, dann risikoarm zu konsumieren. Die vorgestellten Leitsätze sind ein Beispiel dafür, wie zentrale Präventionsbotschaften der Zielgruppe vermittelt werden können. Aber wir nutzen auch Gruppendiskussionen, Rollenspiele und andere Maßnahmen, die wir im Seminar entwerfen und weiterentwickeln“, fasst Jörg Wolstein das Vorhaben zusammen.

Cannabis-Legalisierung und ihre Auswirkungen

In der Gesellschaft führt die Legalisierung von Cannabis immer wieder zu Diskussionen. Auch die Präventionsseminarteilnehmenden sind diesbezüglich durchaus unterschiedlicher Meinung. Die Vor- und Nachteile haben sie gerade zu Beginn des Seminars kontrovers diskutiert. Was die Inhalte und Bedeutung der Prävention angeht, sind sie sich aber einig. „Die Entscheidung, den Cannabisgebrauch im Freizeitbereich zu legalisieren, ist eine politische. Der Vorteil ist, dass die Kriminalisierung von Menschen, die Cannabis konsumieren, reduziert wird und die verfügbaren Produkte besser kontrolliert und sicherer gemacht werden können“, erklärt Jörg Wolstein. „Dass der Schwarzmarkt ‚ausgetrocknet‘ wird, wie es so schön heißt, ist aber eher unwahrscheinlich. Der Nachteil ist, dass der Konsum insgesamt zunehmen dürfte. Deshalb ist die Prävention insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die mit Bezug auf unerwünschte Folgen des Cannabiskonsums besonders gefährdet sind, so wichtig, und wir sind froh, dass das Bayerische Gesundheitsministerium das Projekt auf den Weg gebracht hat.“

Chance für Berufsleben

Ihren Teil für eine sinnvolle Präventionsarbeit will Hanna zusammen mit ihren Mitstudierenden leisten. Das ist für sie klar! Nachdem Katharina im Seminar die Vorarbeit des vorherigen Semesters vorgestellt hat, ist sie auch richtig zuversichtlich, was die weitere Ausarbeitung des Konzepts betrifft. Und sie blickt schon jetzt erwartungsvoll auf den Tag, an dem sie mit ihrem Seminar als erstes echtes studentisches Präventionsteam in die Schulen darf: „Als zukünftige Lehrerin und Schulpsychologin freue ich mich voll auf die Situation, wenn das Konzept zur Umsetzung kommt – und wir dann nochmals lernen, von dem Feedback der Berufsschülerinnen und -schüler. Für mein späteres Berufsleben ist das eine super Chance. Am wichtigsten ist mir aber, dass ich durch das dazugewonnene Wissen meine künftigen Schüler*innen dort aufklären und stärken kann, wo ich damals selbst Fehler gemacht habe oder ahnungslos war!“

Das Pilotprojekt Cannabisprävention

Das Pilotprojekt Cannabisprävention an Bayerischen Berufsschulen sowie Hochschulen und Universitäten: Entwicklung eines Peer-to-Peer-Ansatzes im Überblick:

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Seite 163985, aktualisiert 14.03.2024