Geschlechterforschung unter Druck

Festakt der Gleichstellungsbeauftragten in der Wissenschaft zeigt prekäre Situation aber auch Lichtblicke auf

Publikum und Rednerin beim Festakt der GBWiss.
  • Campus
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  • 09.12.2024
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  • Hannah Fischer
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  • Lesedauer: 5 Minuten

Die Geschlechterforschung steht unter Druck. Nicht nur außerhalb der Universitäten, sondern auch innerhalb erfährt sie immer wieder Ablehnung und Widerstand. Und das, obwohl sogar der Wissenschaftsrat empfiehlt, Geschlechterperspektiven in die Fachkulturen zu integrieren und gleichzeitig die Geschlechterforschung als eigenständige Disziplin zu institutionalisieren. Das zeigte der Vortrag der Gastrednerin Prof. Dr. Gisela Mettele beim Festakt der Gleichstellungsbeauftragten in der Wissenschaft am Mittwoch, 4. Dezember 2024. Alle Rednerinnen und Redner sowie die Preisträgerinnen des Abends waren sich einig: Der Blick auf Geschlecht bleibt wichtig! – insbesondere in Anbetracht aktueller Entwicklungen:

Geschlechtsbezogene Gewalt, Femizide, Gender Pay, Pension oder Care Gap – in den Medien und auch der Gesellschaft sind diese Themen heute präsenter denn je, wie Prof. Dr. Astrid Schütz, Gleichstellungsbeauftragte in der Wissenschaft, in ihrer Begrüßung feststellte. Diese Präsenz passt nicht allen. Es gebe Debatten über das Gendern – kleine Sternchen sorgten für viel Aufregung –, Rechtspopulismus und Antifeminismus seien auf dem Vormarsch. Und selbst an den Universitäten sehe es mit der Repräsentation von Frauen – vor allem in den höheren Positionen – prekär aus, obwohl es bereits Schritte in die richtige Richtung gebe: Die Universität Bamberg ist beispielsweise bayernweit Vorreiterin in Sachen Frauenanteil bei den Professuren. Rund ein Drittel ist mit einer Frau besetzt und in den vergangenen Jahren waren 50 Prozent aller Neuberufenen Frauen. Um diese Entwicklungen weiter voranzutreiben, bieten die Gleichstellungsbeauftragten zahlreiche Förder- und Mentoringprogramme an, die kontinuierlich überarbeitet werden. Neu dazugekommen ist jetzt das Programm „Stay Tuned“, das kurzfristige Unterstützung in schwierigen Phasen für Postdoktorandinnen bietet, um ihrem Ausstieg aus der Wissenschaft entgegenzuwirken. Für 2025 ist zudem ein neues Programm geplant, das Frauen bei der Gremienarbeit entlasten soll, wie Astrid Schütz berichtete. 2024 konnte zudem das Projekt GENIAL-forschen+ an den Start gehen, das zum Ziel hat, bestehende geschlechtersensible Forschung zu stärken und auszubauen.

Geschlechterforschung als Beitrag zu einer gerechteren Welt

Das universitäre Klima in Sachen Gleichstellung und Geschlechterforschung ist in Bamberg gut, wie auch Universitätspräsident Prof. Dr. Kai Fischbach bei seinen Grußworten hervorhob. Doch beim Blick nach draußen werde auch ihm klamm ums Herz. Allzu oft werde inzwischen Gleichberechtigung erfolgreich in Frage gestellt, weshalb es umso wichtiger sei, dass Universitäten – und damit auch die Universität Bamberg – einen Beitrag leisten zu einer freundlicheren, freieren und gerechteren Welt. Denn für das Funktionieren einer demokratischen Gesellschaft sei es unabdinglich, dass ständig um die Freiheit und Gleichheit aller gerungen, dazu geforscht und dafür gestritten werde. 

Scheinbare Randthemen betreffen oft viele

Dass Geschlechterforschung schon immer, aber auch gerade heute einen schweren Stand hat, verdeutlichte der Vortrag von Gisela Mettele unter dem Titel „Vom Rand in die Mitte? Geschlechterforschung und die Ironie der ‚Randthemen’“. Mettele ist Lehrstuhlinhaberin der Geschlechtergeschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Ihr Lehrstuhl wird nicht nachbesetzt werden, wenn sie 2025 in den Ruhestand geht – ein Symptom aktueller Entwicklungen. Dabei betrifft das vermeintliche Randthema Geschlecht viele Personen und hat durchaus die Kraft, Machtstrukturen zu erschüttern – Machtstrukturen, die gerade dazu beitragen, dass Geschlechterforschung marginalisiert wird. Den ersten Aufbruch erlebte die Geschlechterforschung in den 1970er Jahren. Eine große Errungenschaft: Das Private wurde politisch, wie Mettele in ihrem Vortrag feststellte. Heute umfasse Geschlechterforschung viel mehr – sie ist queer und intersektional und ein hochdynamisches Feld. Interdisziplinarität und Internationalität seien ihr bereits von Beginn an eingeschrieben gewesen. Geschlechterforschung habe sich also vom Rand in die Mitte bewegt.

Die Zukunft der Geschlechterforschung

Künftig müsse aber vor allem, wie vom Wissenschaftsrat empfohlen, eine breite Integration von Geschlechterperspektiven in die Fachkulturen, aber auch eine Institutionalisierung von Geschlechterforschung als eigene Disziplin stattfinden. Dafür sei auch eine bessere Absicherung des wissenschaftlichen Nachwuchses und eine Verankerung von Geschlechterperspektiven in Förderrichtlinien von Drittmittelgebern unabdingbar. Es müsse mehr Zentren für Geschlechterforschung geben, deren Finanzierung gesichert ist und auch in Verbundprojekten sollten Geschlechterperspektiven künftig mehr Berücksichtigung finden. Diesen notwendigen Entwicklungen stünden antifeministische und rechtspopulistische Bewegungen, innerakademische Konflikte sowie Sparzwänge und die Ökonomisierung der Hochschulen entgegen. Bewegt sich also die Geschlechterforschung von der Mitte wieder zurück an den Rand? Das wäre laut Mettele fatal, denn so stünden kritische Perspektiven und demokratische Werte auf dem Spiel.

Preise für herausragende Genderlehre und Studentinnen mit hervorragenden Leistungen

Umso wichtiger also, dass diejenigen an den Universitäten, die sich mit der Geschlechterperspektive auseinandersetzen, für ihre Arbeit auch gewürdigt werden. An der Universität Bamberg gibt es dafür unter anderem den Bettina-Paetzold-Preis für gute Genderlehre. In diesem Jahr wurde er im Rahmen des Festakts gleich an zwei Personen verliehen: Dr. Kerstin Anja Münderlein bietet seit vielen Jahren Seminare und Übungen zu Genderthemen an und setzt sich auch darüber hinaus für das Thema ein. Für den Kurs „LGBTQIA+ Young Adult Fiction“, in dem sie gemeinsam mit den Studierenden beleuchtete, welche Fortschritte englischsprachige Jugendliteratur vor allem der 2020er Jahre in der literarischen Repräsentation von Queerness bei Jugendlichen gemacht hat, wurde sie nun ausgezeichnet. Die zweite Preisträgerin ist Dr. Eva Katharina Treiber mit dem Kurs „Berühmte Mathematikerinnen als Lernanlässe im Mathematikunterricht“. Mit dem Seminar schaffte sie es, angehenden Lehrkräften weibliche, nahbare Rollenvorbilder vorzustellen und ihnen Anknüpfungspunkte für den eigenen Mathematikunterricht in der Grundschule aufzuzeigen.

Neben dem Bettina-Paetzold-Preis wurden auch vier Studentinnen mit dem PUSh-Preis der Universitätsgleichstellungsbeauftragten in der Wissenschaft für Studentinnen mit hervorragenden Leistungen ausgezeichnet. Seit der Initiierung des Preises 2007 konnte er bereits an 60 Frauen vergeben werden. Heuer kamen hinzu: Natalie Daßler, Shamim Miroliaei, Theresa Sennefelder und Ayşha-Sophie Sıdra. In einer abschließenden Talkrunde mit den Preisträgerinnen zeigte sich: Leistung muss immer im Kontext der Lebensgeschichte und der äußeren Umstände gesehen werden. Nicht jede Person kann selbstverständlich ohne Hürden erfolgreich studieren – sei es aufgrund bildungsferner Elternhäuser, chronischer Krankheit, finanzieller Sorgen oder der eigenen Migrationsgeschichte. 

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Seite 168752, aktualisiert 09.12.2024