Die Auseinandersetzung mit Fragen von Geschlecht, Gender, Gleichstellung und Diversität ist heute fester Bestandteil der Forschung an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. In diesem Jahr wurde das Zentrum für Geschlechtersensible Forschung (ZGF) als zentrale Stelle gegründet, um Geschlechterexpertise an der Universität zu bündeln. In der universitären Lehre werden die Forschungsergebnisse zu Gender-Themen an die Studierenden weitergegeben und kritisch reflektiert. „Trotz der gesellschaftlichen Relevanz von Geschlechter- und Genderfragen gibt es in der wissenschaftlichen Aufarbeitung dieser Themen weiterhin Lücken. Exzellente Wissenschaft ist jedoch eine Wissenschaft für alle – Wissenschaft lebt von Vielfalt“, sagt Prof. Dr. Astrid Schütz, Gleichstellungsbeauftragte in der Wissenschaft. „Gerade die Lehre spielt eine Schlüsselrolle dabei, Forschungserkenntnisse in die Gesellschaft zu tragen und Studierende für Fragen von Gender und Geschlecht zu sensibilisiert. Besondere Leistungen in diesem Bereich wollen wir sichtbar machen und fördern!“
Deshalb vergeben die Gleichstellungsbeauftragten Wissenschaft seit dem Genderjahr 2016 – also dieses Jahr zum zehnten Mal – den Bettina-Paetzold-Preis für gute Genderlehre an der Universität Bamberg. Grund genug, einmal genauer hinzusehen und die Nominierten vorzustellen. Die Preisträgerin des Bettina-Paetzold-Preises 2025 wird im Rahmen des Festakts der Gleichstellungsbeauftragten Wissenschaft bekannt gegeben. Wer also wissen möchte, welche der fünf Nominierten den Preis bekommt, sollte sich den Mittwoch, 10. Dezember 2025, ab 18 Uhr in den Kalender eintragen. Alle interessierten Personen sind zum Festakt im Gebäude An der Universität 7, Hörsaal U7/01.05, eingeladen. Neben der Preisverleihung erwartet die Gäste unter anderem ein Vortrag von Prof. Dr. Ursula Birsl von der Universität Marburg zu Demokratie und Geschlechterverhältnissen.
Das vollständige Programm des Festakts ist zu finden unter: https://www.uni-bamberg.de/gbwiss/wir-ueber-uns/festakt/
Leonie Ackermann – Digitale Gewalt sichtbar machen

Leonie Ackermann, wissenschaftlich beschäftigte Person am Lehrstuhl für Informatik, insbesondere Mobile Softwaresysteme/Mobilität, wurde für das Seminar „Digital Violence against Women and Minorities“ für den Preis nominiert. Gemeinsam mit Studierenden erforschte Ackermann verschiedene Formen digitaler Gewalt – von staatlicher Überwachung über Online Hate Speech bis zu Deepfakes. Ziel war es, die Studierenden für die gesellschaftlichen Folgen digitaler Technologien zu sensibilisieren und Ansätze zur Prävention und Aufklärung zu diskutieren. Das Interesse war groß: Im Wintersemester 2024/25 verzeichnete das Seminar die meisten Anmeldungen an der Fakultät Wirtschaftsinformatik und Angewandte Informatik und erhielt in der Lehrveranstaltungsevaluation Bestnoten. „Bemerkenswert ist, dass die Teilnehmenden ausschließlich nicht-deutsche Studierende waren“, erläutert Ackermann. „Sie brachten Beispiele aus ihren Herkunftsländern wie dem Iran, Pakistan und der Türkei ein, was den Austausch äußerst bereichernd machte. Der Bettina-Paetzold-Preis wäre nicht nur eine Anerkennung meiner Lehre“, sagt Ackermann. Er würde auch ein Zeichen dafür setzen, Informatikerinnen und Informatiker dafür zu sensibilisieren, wie digitale Technologien Gewaltdynamiken verstärken können. „Zudem könnte die Auszeichnung andere in der Fakultät motivieren, das Thema digitale Gewalt in ihrer Lehre zu bearbeiten.“.
Maye Ehab – Geschlechtsspezifische Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt

Dr. Maye Ehab ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) beim Forschungsbereich Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung (INTER) und gibt zugleich Seminare an der Universität Bamberg. Ihr Seminar „The Labor Market Integration of Immigrants: A Gendered Perspective“, für das sie nominiert wurde, thematisierte die Arbeitsmarktintegration von Migrantinnen, Migranten und Geflüchteten in Deutschland aus einer Geschlechterperspektive. Dabei standen strukturelle Entwicklungen, geschlechtsspezifische Ungleichheiten in bezahlter und unbezahlter Arbeit sowie Formen von Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt im Mittelpunkt. Durch die Kombination von theoretischen Grundlagen, empirischen Methoden und Datenauswertungen erwarben die teilnehmenden Studierenden Kompetenzen, um künftig eigene Analysen zu Gender-Ungleichheiten entwickeln und kritisch einordnen zu können. „Die Lehre ist für mich einer der bedeutungsvollsten Aspekte meiner Arbeit“, sagt Maye Ehab. „Die Nominierung für den Bettina-Paetzold-Preis freut mich besonders, weil der Preis die Werte widerspiegelt, die ich in jedem Seminar vermitteln möchte: ein klares Bekenntnis zu Geschlechtergerechtigkeit, zu inklusivem Dialog und zu lebenslangem Lernen.“ Sie ergänzt: „Die Genderperspektive ist integraler Bestandteil aller meiner Kurse. Dies ist von entscheidender Bedeutung angesichts der vielfältigen Benachteiligungen, die Frauen auf dem Arbeitsmarkt aufgrund von Betreuungspflichten, psychischer Belastung und unterbrochenen Karriereverläufen erfahren.“
Marie Kluge – Ermittlerinnen im Blick

Marie Kluge, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Anglistische und Amerikanistische Kulturwissenschaft, ist ebenfalls eine der Nominierten für den Bettina-Paetzold-Preis 2025. Sie wurde für ihr Seminar „Female Detectives in Literature and Culture“ nominiert. Studierende untersuchten im Seminar die Darstellung weiblicher Kriminalermittlerinnen in Literatur und Kultur über 150 Jahre hinweg. Feministische Theorien und Gender Studies bildeten den theoretischen Rahmen, um historische Entwicklungen und aktuelle Herausforderungen der Figuren zu diskutieren. Die Studierenden analysierten, wie sich Texte mit Fragen zu Geschlecht und Sexualität befassen und wie der weit verbreiteten Mythos der Männlichkeit im Krimi- und Detektivroman-Genre hinterfragt werden kann (und muss).Auch in weiteren Veranstaltungen, etwa bereits im Basismodul „Introduction to British and American Culture“, legt Kluge den Fokus darauf, gesellschaftliche Machtstrukturen, Gendernormen und die Wirkung literarischer Kanonisierungsprozesse sichtbar zu machen. „Gerade im Hinblick auf aktuelle politische Entwicklungen weltweit und insbesondere in den USA, welche als Forschungsgegenstand meines Faches besonderen Stellenwert für mich einnehmen, halte ich es für unabdingbar, auf Basis der Wissenschaft eine klare Position zu beziehen und die Studierenden adäquat mit den theoretischen Grundlagen der Gender Studies auszubilden. So sind diese wiederum in der Lage, politisch und sozial komplexe Diskurse und Veränderungen kritisch zu reflektieren“, erläutert Marie Kluge ihre Motivation, Gender- und Geschlechterperspektiven in ihre Lehre einfließen zu lassen.
Mareike Spychala – Genderdiskurse in Literatur und Kultur

Dr. Mareike Spychala, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Professur für Amerikanistik, wurde für ihr Seminar „Hijab Scenes: Arab American Literature and Culture“ nominiert. Im Mittelpunkt stand im Seminar die Frage, wie Gender, Migration und anti-arabischer bzw. anti-muslimischer Rassismus in literarischen Texten und Filmen verhandelt werden, insbesondere im Kontext von 9/11 und der Trump-Ära. Insgesamt verbindet Spychala in ihren Lehrveranstaltungen Genderperspektiven mit intersektionalen Fragestellungen. Ob zu Emily Dickinson, afroamerikanischer Literatur oder Kriegskultur – Dr. Spychala zeigt, wie literarische Texte gesellschaftliche Machtverhältnisse sichtbar machen und hinterfragen können. „Neben meiner universitären Lehre ist auch meine Forschung stark von Genderthemen geprägt und Forschung und Lehre beeinflussen sich dabei stetig wechselseitig“, erläutert Mareike Spychala. Zusätzlich zu ihrer Lehr- und Forschungstätigkeit ist sie seit Herbst 2020 stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte Wissenschaft der Fakultät Geistes- und Kulturwissenschaften. „Das Amt liegt mir sehr am Herzen, da es mir erlaubt, an Genderthemen, aber auch an anderen Themen mit Bezug zu Gleichstellung zu arbeiten und mich so in die Universität einzubringen“, sagt sie.
Xanthi Tsoukli – Genderökonomie und Datenkompetenz

Für ihr Seminar „Topics in Gender Economics“ wurde Xanthi Tsoukli, Postdoktorandin am Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Empirische Mikroökonomik, und stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte der Fakultät Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, für den Bettina-Paetzold-Preis nominiert. Der Kurs vermittelte, wie Gender-Ungleichheiten im Arbeitsmarkt, in Gesundheit, Bildung und Reproduktion empirisch erforscht werden können. Studierende entwickelten eigene Forschungsfragen, reflektierten empirische Studien kritisch und lernten, Daten zu interpretieren und einzuordnen. „Frauenrechte stehen derzeit ebenso wie Menschenrechte unter Druck, und die Fülle an Informationen macht es umso wichtiger, Statistiken und Fakten richtig zu interpretieren“, sagt Tsoukli. „Es ist für mich ein großes Privileg, angehende Ökonominnen und Ökonomen darin zu schulen, wie sie datenbasierte Fakten zu Themen wie Erwerbsbeteiligung von Frauen, Gesundheit, Lohnunterschiede, Geschlechterungleichheiten und geschlechtsspezifische Gewalt lesen und einordnen können. Eine solide Grundlage in statistischer Analyse stärkt nicht nur ihre beruflichen Wege, sondern kann vielleicht sogar ihr Leben prägen.“
„Fünf herausragende Wissenschaftlerinnen und Dozentinnen mit fünf ebenso spannenden und wichtigen Themen wurden von den Studierenden für den Bettina-Paetzold-Preis nominiert und haben sich beworben“, sagt Astrid Schütz. „Beim Festakt lüften wir das Geheimnis, für wen sich der Gleichstellungsbeirat Wissenschaft entschieden hat und wer den Preis heuer entgegennehmen darf.“
Über den Bettina-Paetzold-Preis:
PD Dr. Bettina Paetzold ist Namensgeberin des Preises und war von 1989 bis 1991 die erste Frauenbeauftragte der Universität. Sie forschte und lehrte zu Genderthemen, beispielweise zu Rollenvorbildern in Kinderbüchern oder der Vereinbarkeit von Mutterschaft und Berufstätigkeit. Chancen auf den Preis hat, wer entweder von Studierenden oder den Fakultäten für ihre oder seine herausragende Lehre mit engem Bezug zu den gender studies vorgeschlagen wird. Aus den Vorschlägen wählt der Gleichstellungsbeirat Wissenschaft die Nominierten, die sich dann mit einer Stellungnahme zu ihrer Lehre bewerben können. Der Preis ist mit 500 Euro dotiert und wird jährlich vergeben.
Mehr zum Preis unter: https://www.uni-bamberg.de/gbwiss/foerderung/bettina-paetzold-preis/
