Robo-Advisors – die besseren Vermögensverwalter?

Vor- und Nachteile der Automatisierung von Finanzdienstleistungen

Zukünftige Finanztechnologie wird von einem Roboter bedient und kontrolliert.
  • Forschung
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  • 14.07.2021
  •  
  • Andreas Oehler, Matthias Horn
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  • Lesedauer: 17 Minuten

Anbieter preisen sogenannte Robo-Advisors gerne als Hightech-Dienstleistung an. Menschliche Vermögensberatung und -verwaltung wäre somit überflüssig. Eine Analyse offenbart jedoch, dass die aktuellen Robo-Advisors noch weit von guter Beratung oder Vermögensverwaltung entfernt sind. Nichtsdestotrotz haben diese Potential – wenn das Geschäftsmodell stärker auf die tatsächlich relevanten finanziellen Entscheidungen der Kundinnen und Kunden ausgerichtet wird.

Robo-Advisors sind einfache Tools, die in der Regel via App oder Homepage verfügbar sind und zwei automatisierte Dienstleistungen anbieten:

  1. Eine automatisierte Anlageberatung, bei der Verbraucherinnen und Verbraucher einen Anlagevorschlag, ein Musterportfolio oder eine Anlageempfehlung erhalten. Meistens handelt es sich um eine Zusammenstellung von Aktien- und Rentenfonds. Der Vorschlag wird aufgrund von Anlegerprofilen und Risikotoleranzen auf einer Robo-Advisor-Plattform erstellt.
  2. Eine fortlaufende Vermögensverwaltung, die im Zeitverlauf die gewählten Anlagen beobachtet. Wenn sich die Anteile der einzelnen Anlagen am Portfolio verändert haben, schichtet sie gegebenenfalls automatisch so um, dass die Anlagen wieder die ursprünglichen Anteile am Portfolio aufweisen (sogenanntes Rebalancing).

Obwohl Robo-Advisors in den letzten Jahren ihre Kundenzahlen vervielfachen konnten, zieht der Großteil der Verbraucherinnen und Verbraucher die Möglichkeit, Ratschläge zur Geldanlage allein von einem Robo-Advisor zu erhalten, nicht in Betracht. Stattdessen ist die Finanzberatung nach wie vor durch einen persönlichen Kontakt zur Beraterin oder zum Berater und weniger digital geprägt. Die Anbieter der Robo-Advisors werben damit, die Vorteile einer persönlichen Vermögensberatung und -verwaltung zu optimieren. Aber stimmt das? Ist der Robo-Advisor tatsächlich besser als die menschlichen Beraterinnen und Berater?

Geringe Kosten durch hohe Standardisierung

Ein offensichtlicher Vorteil für Verbraucherinnen und Verbraucher ist die permanente Verfügbarkeit: Robo-Advisors können jederzeit ohne vorherige Terminvereinbarung bequem von überall aus über das Internet kontaktiert werden. Außerdem empfehlen Robo-Advisors in der Regel die Anlage in sogenannte passive Fonds, meist in Form von Exchange Traded Funds (ETFs), für die niedrigere Gebühren bezahlt werden müssen als für aktive Fonds, die häufi g von Banken und Versicherungen vertrieben werden. Da durch die weitgehende Automatisierung des Beratungsprozesses kaum Personalkosten ent-stehen, ist die Beratung durch den Robo-Advisor also insgesamt besser erreichbar und zunächst auch kostengünstiger. Allerdings beschränkt sich ihr Funktionsumfang auch lediglich darauf, einen vorgegebenen Investitionsbetrag unter Berücksichtigung der wenigen standardisierten Anforderungen – zum Beispiel hinsichtlich Anlagehorizont oder rudimentär bestimmter Risikoeinstellung – auf verschiedene ETFs zu verteilen.

Beraten Robo-Advisors angemessen?

Die Automatisierung wirft jedoch auch die Frage auf, ob die entsprechende Beratung durch Robo-Advisors noch als qualitativ hochwertig im Sinne des Grundsatzes Know your customer entlang der drei Phasen Exploration/Diagnose, Aufklärung und Empfehlung angesehen werden kann. Im Gegensatz zu menschlichen Beraterinnen und Beratern erfassen Robo-Advisors aktuell weder die individuelle fi nanzielle Situation inklusive vorhandener Versicherungen, Kredite, Anwartschaften und weiterer Kapitalmarktanlagen, zum Beispiel auch in Kombination mit Versicherungen. Noch erfassen sie die persönliche Situation, zum Beispiel Familien-planung, möglicher Arbeitsplatzwechsel, geplanter Immobilienerwerb oder anstehende Finanzierung der Ausbildung der Kinder in ausreichendem Umfang. Außerdem können Robo-Advisors nicht durch gezieltes Nachfragen sicherstellen, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher die mit der Anlage eingegangenen Risiken verstanden haben. Somit fehlt weitgehend der wichtige Schritt der Exploration und Diagnose und damit die Prüfung, inwieweit ein Robo-Vorschlag zur Gesamtsituation passt. Auch das verständliche Erklären der einge-gangenen Risiken ist von elementarer Wichtigkeit. Denn Verbraucherinnen und Verbraucher können sich aufgrund der schlechten Qualität der von den Anbietern verpflichtend zur Verfügung gestellten Informationen wie Produktionsinformationsblätterkaum selbst über die tatsächlichen Risiken der Anlagen für ihre Situation informieren. Nachfragen können bisher nicht die Robo-Advisors selbst, sondern nur menschliche Beraterinnen und Berater beantworten. Eine bedarfsgerechte Beratung bieten die Robo-Advisors also nicht an. Erste Anbieter haben dies erkannt und entwickeln Ansätze, um eine mögliche Falschberatung zu vermeiden, zum Beispiel wird nach Schulden und Liquiditätsreserven gefragt. Allerdings müsste der Grundsatz Know your customer viel stärker integriert werden.

Angebotenes Rebalancing reduziert die Rendite meist unnötig

Vorsicht ist außerdem bei der Vermögensverwaltung durch Robo-Advisors geboten. Die zunächst im Vergleich mit klassischer Vermögensverwaltung relativ niedrigen jährlichen Verwaltungsgebühren von 0,15 bis 1 Prozent des verwalteten Vermögens sind nur selten eine sinnvolle Investition. Das damit bezahlte Rebalancing durch den Robo-Advisor führt meistens selbst ohne Berücksichtigung von möglichen Transaktionskosten zu einem schlechteren Anlageergebnis als eine simple Buy-and-hold-Strategie – ein Kaufen und dann dauerhaftes Halten der ETFs. Verbraucherinnen und Verbraucher zahlen also für eine Dienstleistung, die ihnen sehr wahrscheinlich nur schadet. Hierbei darf zwar nicht vergessen werden, dass auch viele menschliche Vermögensverwalterinnen und Vermögensverwalter es mit ihren Strategien nicht schaffen, eine Buy-and-hold-Strategie zu schlagen. Jedoch wird den Verbraucherinnen und Verbrauchern auch diesbezüglich seit Jahrzehnten empfohlen, einer Buy-and-hold-Strategie mit ETFs ohne zusätzliche Verwaltungskosten zu folgen. Aus Sicht aller Beteiligten ergibt es auf lange Frist keinen Sinn, die alten Schwächen in das vermeintlich neue Geschäftskonzept der Robo-Advisors zu übernehmen.

Viel Entwicklungspotential – noch viel zu tun

Bis zur bedarfsgerechten Weiterentwicklung müssen Robo-Advisors jedoch nicht ungenutzt bleiben. Die automatisierte Anlageberatung stellt heute nur dann eine kostengünstige Alternative zur persönlichen Beratung dar, wenn sich Anbieter und Nutzer über folgende Voraussetzungen im Klaren sind: Es handelt sich nur um den Bedarf von Einmalinvestments, man kann die eigene finanzielle Gesamtsituation selbst gut einschätzen und die Auswahl eines Robos kann wirklich selbst vorgenommen werden. Außerdem ist davon auszugehen, dass die Entwick-lung der Robo-Advisors noch relativ am Anfang steht. Die aktuelle Technik könnte Ausgangspunkt für viele sinnvolle Innovationen sein. Beispielsweise könnten weiterentwickelte Robo-Advisors einen Service anbieten, der das Portfolio der Verbraucherinnen und Verbraucher entlang ihrer Stationen im Lebenszyklus rebalanced, also das Risiko des Portfolios verringert, wenn in absehbarer Zeit größere finanzielle Belastungen anstehen, oder das Risiko erhöht, wenn größerer finanzieller Spielraum besteht. Außerdem könnten Robo-Advisors bei der Risikoabsicherung oder der Altersvorsorge helfen, indem sie auf fehlende Versicherungen in einem Basisportfolio hinweisen oder unter Berücksichti-gung der drei Säulen der Altersvorsorge (öffentlich-rechtliche, betriebliche und private) die voraussichtliche Rentenlücke berechnen und entsprechende Anlageempfehlungen bereitstellen – jenseits der einfachen Einmalanlage von Ersparnissen in ETFs.

Literaturempfehlung:

  • Andreas Oehler (2020): Treiber und Widerstände bei der Online-Beratung zur Altersvorsorge. Studie für das Deutsche Institut für Altersvorsorge.
  • Matthias Horn, Andreas Oehler (2020): Automated Portfolio Rebalancing: Automatic Erosion of Investment Performance? Journal of Asset Management 21(6), S. 489-505.
  • Matthias Horn, Andreas Oehler, Stefan Wendt (2020): FinTech for Consumers and Retail Investors: Opportunities and Risks of Digital Payment and Investment Services. In: Thomas Walker, Dieter Gramlich, Mohammad Bitar, Pedram Fardnia (Hrsg.): Ecological, Societal, and Technological Risks and the Financial Sector, S. 405-421.
  • Andreas Oehler, Matthias Horn, Stefan Wendt (2018): Neue Geschäftsmodelle durch Digitalisierung? Eine Analyse aktueller Entwicklungen bei Finanzdienstleistungen. In: Frank Keuper, Marc Schomann, Linda Isabell Sikora, Rimon Wassef (Hrsg.): Disruption und Transformation Management, S. 325-341.
  • Andreas Oehler (2017): „Digitalisierung bei Finanzdienstleistungen“ in den Bereichen „bargeldlose Bezahlmethoden“ und „Online-Beratungs- und Informationsangebote“. Studie im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV).
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Seite 147766, aktualisiert 26.10.2021