Digitale Gesundheit ist das Ziel

Forschungsverbund „ForDigitHealth“ arbeitet fächerübergreifend zusammen.

Eine Person hält ein Handy in der Hand, im Hintergrund ist ein geöffneter Laptop
  • Forschung
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  • 30.08.2022
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  • Patricia Achter
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  • Lesedauer: 6 Minuten

Smartphones, E-Mails, Social Media, Corporate IT – digitale Technologien können Stress auslösen. Wie wir digital gesund bleiben können, untersucht der bayerische Forschungsverbund „ForDigitHealth“. Um das Thema ganzheitlich zu verstehen, arbeiten die Forschenden interdisziplinär zusammen.

„In unserem Forschungsverbund leben wir Interdisziplinarität wirklich!“, erzählt Lea Reis begeistert. „Das sieht man zum Beispiel an unserem produktiven, informellen Austausch.“ Die Doktorandin ist Mitglied des Verbunds „ForDigitHealth“, der von 2019 bis 2023 den gesunden Umgang mit digitalen Technologien und Medien aus vielfältigen Perspektiven erforscht. Und sie ist die Vertreterin der wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen in der Lenkungsgruppe des Verbunds – ein Gremium, das schnelle Entscheidungen trifft. Es beschließt etwa, wofür der Verbund finanzielle Mittel ausgibt und an welchen Veranstaltungen er teilnimmt.

Außerdem arbeitet Lea Reis als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, insbesondere Informationssysteme in Dienstleistungsbereichen, an der Universität Bamberg. Der Lehrstuhl von Prof. Dr. Tim Weitzel beschäftigt sich seit über zehn Jahren schwerpunktmäßig mit digitaler Gesundheit. Im Forschungsverbund „ForDigitHealth“ leitet er gemeinsam mit Dr. Christian Maier das Teilprojekt „Ansteckungspotenziale von digitalem Stress“. Die Forschungsfrage lautet: Ist digitaler Stress ansteckend? Und welche Menschen sind davon besonders betroffen? Dieses Projekt gehört zum Forschungsschwerpunkt „Digitale Geistes-, Sozial- und Humanwissenschaften“ der Universität Bamberg.

Digitaler Stress – allgegenwärtiges Phänomen

„Wenn wir tatsächlich einen Beitrag zur Bewältigung von digitalem Stress leisten können, dann wäre das großartig“, erklärt Christian Maier seine Motivation. „Nach aktuellen Schätzungen betrifft das Thema rund fünf Milliarden Menschen, die Zugang zu digitalen Technologien und Internet haben, also potenziell gefährdet sind.“ Denn die meisten Menschen nutzen digitale Technologien und Medien tagtäglich beruflich und privat, etwa E-Mails, Smartphones und Facebook. Zwar automatisieren diese Technologien Aufgaben und vereinfachen die Kommunikation, stürzen aber auch ab oder stören mit Benachrichtigungen während der Arbeit. Das verursacht digitalen Stress und hat Einfluss auf die Arbeitsleistung und das Wohlbefinden.

Der Forschungsverbund „ForDigitHealth“ will das Thema ganzheitlich verstehen und zu einem gesunden Umgang mit digitalen Technologien und Medien beitragen. Tim Weitzel sagt: „Damit wir wirklich in die Tiefe und Breite kommen, sind Kooperationen nötig. Es ergeben sich große Chancen, wenn zum Beispiel Wirtschaftsinformatik und Psychologie zusammenarbeiten. Das macht enorm viel Spaß und ist auch sehr wertvoll.“ In dem interdisziplinären Verbund kooperieren die Fachbereiche Wirtschaftsinformatik, Psychologie, Informatik, Kommunikationswissenschaft und Medizin. Beteiligt sind 31 Forschende von fünf bayerischen Universitäten, unter anderem von der Universität Bamberg.

Vorteile und Herausforderungen der interdisziplinären Zusammenarbeit

Lea Reis nennt viele Beispiele dafür, warum ihr die Zusammenarbeit im Forschungsverbund so gut gefällt: Durch die Kooperation lernt sie Perspektiven, Denkweisen und Forschungsmethoden anderer Fachbereiche kennen. Im Verbund sind viele Forschende beteiligt, die sich auf unterschiedlichen Karrierestufen ihrer akademischen Laufbahn befinden – von gerade beginnenden Promovierenden bis zu langjährigen Professor*innen. Die Promovierenden erhalten in Mitgliederversammlungen hilfreiche Rückmeldungen zu ihren Doktorarbeiten. Zugleich lassen die Professor*innen ihren wissenschaftlichen Mitarbeitenden die Freiheit, ihre Dissertationen und verbundweite Themen wie Diversity mit viel Eigeninitiative zu gestalten.

„Die wissenschaftlichen Mitarbeitenden im Verbund treffen sich regelmäßig. Wir unterhalten uns über unsere Dissertationen, Herausforderungen und Fortschritte“, berichtet Lea Reis. „Dadurch wissen wir, an welchen Fragestellungen wir jeweils forschen. Die Themen überschneiden sich nicht, sondern ergänzen sich. Und wir helfen uns gegenseitig, zum Beispiel mit Literaturtipps.“

Neben den vielen positiven Aspekten hat sie aber auch erfahren, warum interdisziplinäre Zusammenarbeit herausfordernd sein kann. Als Beispiel nennt Lea Reis die Gespräche über die Weiterentwicklung von Forschungsmethoden: „Innerhalb einer Disziplin waren sich die Beteiligten sehr schnell einig, was eine solche Weiterentwicklung ausmacht. Als wir uns dann auf interdisziplinärer Ebene getroffen haben, gab es viel mehr Gesprächsbedarf und Diskussionen.“ Die Forschenden mussten sich gegenseitig ihre Sichtweisen erklären und einheitliche Begriffe finden, die alle Beteiligten verstehen. „Sehr hilfreich war dabei, dass Sabine Toussaint als Geschäftsführerin die Treffen leitete, sodass wir in den Gesprächsrunden eine einheitliche Verbundsprache entwickeln konnten. Außerdem behandeln alle Beteiligten im Verbund die Forschenden anderer Disziplinen und deren Perspektiven sehr respektvoll.“

Forschung für die interessierte Öffentlichkeit

Auch wenn Lea Reis die wissenschaftlichen Gespräche und Debatten mag, gefällt es ihr vor allem, dass der Forschungsverbund sein Ziel nicht aus den Augen verliert: „Wir erarbeiten Forschungsergebnisse, die wir für die Öffentlichkeit gut verständlich aufbereiten wollen. Immerhin wird der Verbund durch öffentliche Gelder finanziert.“ Insgesamt fördert das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst „ForDigitHealth“ mit rund 3,35 Millionen Euro. Die Geschäftsstelle rund um Sabine Toussaint unterstützt den Verbund deshalb nicht nur auf administrativer, sondern auch auf kommunikativer Ebene: Sie pflegt die Verbunds-Webseite, kommuniziert über Twitter, erstellt Videos und betreut den verbundeigenen Blog – all das, um das Thema digitale Gesundheit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Was ist digitaler Stress?

Die Nutzung digitaler Technologien und Medien kann zu Stressreaktionen führen. Der Forschungsverbund „ForDigitHealth“ beschäftigt sich mit der Entstehung und den Auswirkungen von digitalem Stress. Außerdem wird untersucht, wie ein besserer Umgang damit gefunden werden kann.

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Seite 153246, aktualisiert 06.09.2022