"Der Künstler zählt [...] zu den erfolgreichsten deutschen Malern der Gegenwart"

Der Bamberger Landschaftsmaler Fritz Bayerlein im "Dritten Reich"

  • Forschung
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  • 02.10.2023
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  • Wolfgang Brassat
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  • Lesedauer: 5 Minuten

Welche Kulturgüter es wert sind, bewahrt und gezeigt zu werden, und welche nicht, darüber herrscht nicht selten Dissens. Ein prägnantes Beispiel ist die jahrzehntelange Debatte um die Rathausbilder des Bamberger Landschaftsmalers Fritz Bayerlein. Er war ein bekennender Nationalsozialist der ersten Stunde und wurde in der NS-Zeit entsprechend gefördert. Im Juli 2020 beschloss der Stadtrat, seine Gemälde im Rathaus abzuhängen.

Der in Bamberg 1872 geborene und 1955 verstorbene Fritz Bayerlein war ein an der Münchener Akademie ausgebildeter traditionalistischer Landschaftsmaler. Und er war ein überzeugter Natio­nalsozialist, seit 1931 Mitglied der NSDAP, ein „Kämpfer der Bewegung, der er seit den ersten Tagen angehört“, wie der Völkische Beobachter im März 1934 berichtete. Nach einigen Erfolgen insbesondere in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, als er für Gemälde der Parkanlage von Schloss Seehof Auszeichnungen erhielt, kam er im hohen Alter von über 60 Jahren im ‚Dritten Reich‘ in den Genuss eines späten beruflichen Aufschwungs, zu großem Ansehen und Reichtum. Damals malte er zum Beispiel im Auftrag von Fritz Todt Bilder der Reichsautobahnen, für Heinrich Himmler zwei große Gemälde für das SS-Dienstgebäude und auch drei Ansichten der Stadt Bamberg, die 1937 und 1944 im Rathaus aufgehängt wurden. Mit zwei riesigen
Bildern durfte er 1937 Nazi-Deutschland auf der Weltausstellung in Paris vertreten und auf der Großen Deutschen Kunstausstellung präsentierte er von 1937 bis 1944 alljährlich mehrere Gemälde, insgesamt 24.

Der Streit um die Rathausbilder

In der Nachkriegszeit gleichwohl als Mitläufer eingestuft, war Bayerlein weiterhin erfolgreich und zählte zu den Honoratioren Bambergs, obwohl er sich bis zu seinem Lebensende 1955 zu seiner völkischen Gesinnung bekannte. Bis in die 1980er-Jahre wurde er in Ausstellungen und Vorträgen als „großer Sohn der Stadt“ gefeiert. Erst zu Beginn des folgenden Jahrzehnts setzte eine kritische Rezeption ein, und es entbrannte ein langer Streit über die insgesamt vier von ihm gemalte Veduten im Bamberger Rathaus. In einer für die NS-Kunst charakteristischen Weise zeigen diese die Stadt in einem vorindustriellen Zustand, ohne jegliche Zeugnisse der Moderne, wie zum Beispiel Schornsteine und PKWs (Abbildung).

Am 2. Dezember 1991 stellte die Stadträtin Andrea Anger im Namen der GAL-Fraktion den Antrag, die beiden Gemälde im Ratssaal abzuhängen. Dieser wurde ebenso abgelehnt wie ein weiterer, im Mai 1993 gestellter Antrag, alle öffentlich ausgestellten Gemälde Bayerleins zu archivieren. Es sollte noch fast drei Jahrzehnte dauern, bis der Stadtrat am 22. Juli 2020 mit 27 zu 16 Stimmen einem von den Fraktionen Grünes Bamberg, SPD, BaLi, Die Partei, ÖDP und Volt gestellten Antrag zustimmte, die vier Gemälde aus dem Ratssaal und dem Trauungssaal zu entfernen; zudem solle
der Fall Bayerlein wissenschaftlich aufgearbeitet werden. Gemäß dieser Forderung veranstaltete der Lehrstuhl für Kunstgeschichte, insbesondere Neuere und Neueste Kunstgeschichte, in Kooperation mit der Stadt Bamberg am 21./22. Oktober 2022 die Tagung Die Stunde der Heimatmaler. Fritz Bayerlein, die „Gottbegnadeten“ und die NS-Kulturpolitik.

Zu Bestimmungsort und Funktion der Rathausbilder

Insbesondere den beiden 1936 bestellten Gemälden kam aufgrund des Bildortes eine besondere Bedeutung zu. Denn in Ratssälen hingen traditionell Bilder, welche die Ratsherren anhielten, nach dem Beispiel vorbildlicher Regenten oder Richter und nach höchsten moralischen Normen zum Wohle der Stadt zu handeln. Die Veduten Bayerleins waren zudem Zeichen der Aneignung des Gebäudes am Maxplatz, des ehemaligen, zwischen 1732 und 1737 von Michael Küchel und Justus Heinrich Dientzenhofer nach Entwürfen von Balthasar Neumann errichteten Priesterseminars. Dieses Haus der Kirche wurde 1928, nach dem Umzug des Seminars in den Neubau am Heinrichsdamm, von der Stadt übernommen und als Neues Rathaus genutzt, an dem in den 1930er-Jahren die Hakenkreuzfahne wehen sollte. Die Aufhängung der großformatigen Stadtveduten am 20. Januar 1937 in dem als Ratssaal genutzten ehemaligen Refektorium war ein Akt der Umwidmung dieser Architektur, dem erst 1939 bis 1943 ihre Umgestaltung und Erweiterung nach den Plänen des Architekten Peter Keh folgte.

Wie diese Gemälde damals rezipiert wurden, beziehungsweise rezipiert werden sollten, zeigt die Ausgabe der Bamberger Jahresblätter von 1937. In ihr erklärte ein gewisser Dr. Fehn in seinem Beitrag Fritz Bayerlein der große deutsche Barockmaler aus Bamberg, dem ein Foto des an der Stadtansicht von Westen arbeitenden Malers beigefügt war (Abbildung S. 33): Mit diesem Auftrag habe „die jetzige Stadtverwaltung […] unter der Führung von Lorenz Zahneisen eine Ehrenpflicht erfüllt“. Die Bilder zeigten das, „was man deutsche Barocklandschaft nennt. […] Diese Gemälde sind in ihrer Gesamtheit zugleich Werbemittel hochkünstlerischer, edelster Art, also Seeleneigentum der Bamberger Bevölkerung, die ein erdgebundener und überlieferungstreuer Bestandteil des deutschen Kulturvolkes bildet (sic!)“.

Zweifellos klingt hier mit dem Attribut erdgebunden die Blut-und-Boden-Ideologie der Nationalsozialisten an, die Bayerlein in seinem Gemälde Arbeit, Heimat, Familienglück und Fruchtbarkeit (Abbildung S. 32), das 1944 von der Stadt für 10.000 Reichsmark erworben und im Trauungsaal aufgehängt wurde, in dem Motiv der stillenden Mutter und des seine Sense schärfenden Vaters noch expliziter visualisieren sollte. Die Gemälde haben also durchaus programmatischen Charakter: Die Künste waren längst gleichgeschaltet, nur zweifelsfrei gesinnungstreue Künstler, die Mitglied der Reichskammer der Bildenden Künste waren, bekamen noch solche Aufträge, und es galt die Doktrin einer ‚artgerechten‘ Kunst, der die Rathausbilder entsprachen.

Bayerlein als Repräsentant des NS-Regimes

Man hat Bayerlein als „profitierende[n] Mitläufer“ bezeichnet. Tatsächlich ist der Maler in der NS-Zeit ein reicher Mann geworden. Doch er war nicht nur ein Nutznießer, sondern ein Repräsentant des NS-Regimes. Er war nach eigener Aussage schon in den 1920er-Jahren in München „bis zu den höchsten Stellen hinauf“ als Anhänger Hitlers bekannt, den er einen „herrlichen Menschen“ nannte. Er hat sich völlig mit der NS-Diktatur identifiziert, war ihr zu Diensten und hat von ihr profitiert, zum Beispiel als 1943 der berüchtigte NSDAP-Oberbürgermeister Lorenz Zahneisen ihm und seiner Frau den Einzug ins repräsentative Böttingerhaus ermöglichte. Des­sen letzte Besitzerin, die Jüdin Mina Barthel, hatte es 1937 der Stadt verkaufen müssen und war im November 1941 als eine der ersten 160 Bamberger Jüdinnen und Juden nach Riga deportiert und ermordet worden.

Bayerleins Name steht selbstverständlich auch auf der 1944 erstellten Liste der „Gottbegnadeten“, die als „unabkömmlich“ und „dienstverpflichtet“ galten, von Arbeitseinsatz und Militärdienst befreit waren und steuerliche Vergünstigungen bekamen. Er muss auch schon 1939 auf der weitgehend identischen, von Hitler, Goebbels und Göring zusammengestellten sogenannten „Führerliste“ gestanden haben, denn schließlich erhielt der Maler in diesem Jahr, am 50. Geburtstag des ‚Führers‘, den Professorentitel.

Auch die Bamberger Presse hat damals immer wieder über „unseren Landsmann“ Fritz Bayerlein, seine Gesinnung und seine Malerei berichtet. Aus einem Artikel im Völkischer Beobachter vom 18. März 1934 wurde im Bamberger Tagblatt am 14. April der Satz zitiert: „Es ist nicht nur eine Selbstverständlichkeit, sondern auch eine hohe Pflicht, eine Künstlerpersönlichkeit wie Fritz Bayerlein, dessen Denken und Fühlen genauso deutsch ist wie seine Kunst, der Oeffentlichkeit in Erinnerung zu bringen.“

Damals wussten die Bamberger also, wessen Gemälde 1937 und 1944 im Rathaus aufgehängt wurden und wes Geistes Kind sie sind. Sie wurden selbstverständlich nicht als autonome Kunstwerke präsentiert, sondern als Zeichen der Umnutzung des Priesterseminars und als Bekenntnis zur Weltanschauung der neuen Machthaber und ihrer Kunstdoktrin. Daher war ihre Entfernung aus dem Rathaus dringend geboten.

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Seite 160773, aktualisiert 13.10.2023