Smart City – gemeinsam gestalten

Universität und Stadt Bamberg arbeiten an der Vision einer digitalen, lebenswerten Zukunft

  • Forschung
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  • 17.02.2023
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  • Hannah Fischer
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  • Lesedauer: 8 Minuten

Stadt und Universität Bamberg profitieren wechselseitig voneinander: Der Wissenstransfer und die vertrauensvolle Zusammenarbeit bilden das Herzstück einer universitätsweiten Transferstrategie. Diese spiegelt sich beispielhaft im Smart City Research Lab wider, in dem Forschende und Studierende in interdisziplinärer Zusammenarbeit die Stadt Bamberg auf ihrem Weg zur Smart City begleiten – und das auf Augenhöhe.

Universitäten haben eine zentrale Bedeutung in unserer modernen Gesellschaft. Sie bewahren und fördern Wissen. Sie sind Ursprung von Innovationen. Sie befähigen junge Menschen, kreative Lösungen für wichtige Zukunftsfragen zu finden. Universitäten sind Teil der Gesellschaft und profitieren von ihrer Einbettung in soziale Prozesse. Durch wissenschaftliche Bildung und Weiterbildung, Wissens- und Technologietransfer und gesellschaftliches Engagement wirken sie auch in die Zivilgesellschaft hinein. „Das universitäre Leben, wie wir es kennen, wäre ohne die Wechselwirkung mit ihrem Umfeld kaum vorstellbar“, sagt Universitätspräsident Prof. Dr. Kai Fischbach.

Entwicklung einer Transferstrategie für die Universität

Das Feld Transfer hat sich vor diesem Hintergrund in der deutschen Hochschullandschaft mehr und mehr zur sogenannten dritten Mission entwickelt – neben Forschung und Lehre. Derzeit wird auch an der Universität Bamberg eine Transferstrategie erarbeitet. Hierbei bedeutet Transfer, dass Wirtschaft, Gesellschaft und Universität kooperieren und sich wechselseitig unterstützen. „Für die Universität Bamberg soll die Erarbeitung einer umfassenden Strategie keine eindimensionale Entwicklung hin zu mehr Wirtschaftlichkeit bedeuten. Vielmehr wünschen wir uns nachdrücklich, dass das Transferprofil die Vielfalt der Aktivitäten zum Ausdruck bringt, mit denen Universitätsangehörige schon jetzt in die Gesellschaft hineinwirken. Weiterhin soll es einen Beitrag dazu leisten, solche Aktivitäten an allen Einrichtungen, im wissenschaftlichen sowie im wissenschaftsstützenden Bereich, zu fördern und weiterzuentwickeln“, erläutert Fischbach.
 

Zusammenarbeit auf Augenhöhe

Ein Beispiel für bereits aktiven Transfer in die Stadt und darüber hinaus ist das Smart City Research Lab (SCRL). Die Stadt Bamberg ist eine von 73 deutschen Smart-City-Modellprojektkommunen. Bis 2027 wird sie vom Bundesinnenministerium mit insgesamt 15,75 Millionen Euro gefördert, um die Digitalisierung strategisch im Sinne einer integrierten, nachhaltigen und gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung zu gestalten. Die Modellprojekte entwickeln und erproben digitale Strategien für das Stadtleben der Zukunft. 

In Bamberg wird der Prozess wissenschaftlich begleitet durch das SCRL. „Das Bamberger Smart-City-Team ist mit vielen anderen Projektkommunen in regelmäßigem Kontakt“, sagt Sascha Götz, Leiter des Programms Smart City in Bamberg. „So eine enge und ausgeprägt interdisziplinäre Zusammenarbeit mit einer Universität oder Hochschule gibt es sonst nirgendwo. Darum werden wir häufig beneidet.“ Besonders sei dabei vor allem die Beziehung der Partner: Die Universität ist kein beauftragter Dienstleister. „Die Forschenden und Studierenden gestalten das Programm auf Augenhöhe mit und bringen daher viel Qualität in Projekte, die im Dreieck Verwaltung – Bürger*innen – Wissenschaft entstehen. Das ist wirklich ein Alleinstellungsmerkmal für die Smart City Bamberg“, ergänzt Götz.
 

Wissenschaftler*innen bilden interdisziplinäres Netzwerk

Um Bamberg in eine lebenswerte Smart City zu verwandeln, arbeiten Forschende und Studierende in Teams an verschiedenen Projekten. Sie untersuchen zum Beispiel, wie das Parkraummanagement in Bamberg verbessert werden kann oder wie sich Menschen mit Mobilitätseinschränkungen mithilfe von Apps besser in Bamberg zurechtfinden. „Die Stadt soll digitaler werden – und zwar für die Menschen“, erläutert Prof. Dr. Daniela Nicklas, Inhaberin des Lehrstuhls für Informatik, insbesondere Mobile Softwaresysteme/Mobilität. „Deswegen kommen wir nicht nur aus der Informatik, sondern auch aus anderen Disziplinen wie der Geographie und der Psychologie und bringen so verschiedene Perspektiven ein, die gegenseitig korrigierend und ergänzend wirken können.“ Das SCRL bietet demnach ein Forum, um Wissenschaftler*innen innerhalb der Universität zusammenzubringen. 

„Unser Wunsch ist, dass dieses Netzwerk langfristig bestehen bleibt und in eine Struktur mündet, die sich selbst trägt“, beschreibt Prof. Dr. Marc Redepenning, Inhaber des Lehrstuhls für Geographie I. „Insgesamt entstehen durch das Smart-City-Projekt nachhaltige Beziehungen zwischen Wissenschaftler*innen sowie zwischen Stadt und Universität“, meint auch Prof. Dr. Astrid Schütz, Inhaberin des Lehrstuhls für Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik. Die Forschenden beobachten interdisziplinär zukunftsfähige Themen auf wissenschaftliche Weise. Sie erkennen die Trends für die nächsten Jahre und überlegen, wie die Stadt kontrolliert mit diesen Trends gehen kann. Dadurch stößt die Universität Innovationen an, die die Stadt in der Praxis umsetzen kann.

 
 

Universitäre Forschung unterstützt auf dem Weg zur Smart City

Baumgesundheit mit KI erfassen
Die städtischen Förster*innen und Baumpfleger*innen haben allerhand zu tun, was die Gesundheit der Bäume im Stadtgebiet anbelangt. Insbesondere die langen Trockenphasen der vergangenen Jahre bedeuten zusätzliche Arbeit. Das Projekt BaKIM: KI-gestützte Luftbildauswertung nach Drohnenbeflug von Baumkronen hat zum Ziel, die Pflege der städtischen Bäume und Forstflächen zu verbessern und langfristig eine Arbeitserleichterung für die zuständigen Mitarbeitenden zu erreichen. Dazu nutzen die Forschenden des Lehrstuhls für Kognitive Systeme Drohnendaten und Ansätze der Künstlichen Intelligenz (KI). Ein erster Drohnenflug fand im Sommer 2022 statt. „Die gesammelten Daten können genutzt werden, um den Baumbestand zu erfassen. Wir ermitteln, wie viele Bäume es gibt, wie hoch diese sind und welche Arten es in Bamberg gibt. Die Baumgesundheit kann man anhand der Reflexion der Blätter im Infrarotbereich erkennen“, erklärt Wissenschaftler Jonas Troles, der im Projekt für die Entwicklung der KI und einer Webapplikation zuständig ist. Diese soll die Informationen für Förster*innen und Baumpfleger*innen nutzbar machen. Ziel ist es auch, dass weitere Kommunen in Zukunft das System verwenden können.

 

Wohlfühlorte in Bamberg erkunden

Bassd ist eine mobile Anwendung, die eine interaktive geographische Karte von Bamberg zur Grundlage hat. Auf der Karte sind verschiedene Wohlfühl- und Kraftorte in Bamberg eingetragen, die in Online-Umfragen von Bamberger*innen identifiziert wurden. An den Wohlfühlorten können 10-minütige Übungen zu Themen wie Achtsamkeit, Empathie oder Stressmanagement durchgeführt werden, um das eigene psychische Wohlbefinden zu steigern. Neben den einzelnen Wohlfühlorten enthält die App auch verschiedene themen¬be¬zogene Spaziergänge, die die Nutzenden mit Hilfe einer Navigationsfunktion durch Bamberg führen. „Die Anwendung hat das Ziel, die körperliche und mentale Gesundheit der Bamberger*innen zu fördern“, erklärt Prof. Dr. Astrid Schütz, die am Projekt beteiligt ist. „Durch Interdisziplinarität konnten wir schöne Ergebnisse erzielen.“ Forschende und Studierende aus den Fachbereichen Psychologie, Geographie und Informatik arbeiteten intensiv zusammen, um die mobile Anwendung zu entwickeln. Zusätzlich besteht enger Austausch mit der Wirtschaftsförderung der Stadt Bamberg.
 

Gesund am digitalen Arbeitsplatz

„Arbeit langfristig gesünder und menschengerechter zu gestalten ist unsere Vision“, erklärt Prof. Dr. Judith Volmer. Sie leitet das Projekt ScanGov: Gesundheit am Arbeitsplatz. Bisher ist noch wenig darüber bekannt, wie die Digitalisierung der Arbeit mit der Gesundheit von Beschäftigten zusammenhängt. Um das zu ergründen, begleitet das Projekt Angestellte aus Bamberger Unternehmen in ihrem Büroalltag. Sie tragen dafür eine Smartwatch und einen Brustgurt, die körperliche Aktivität, wie etwa Schritte, Schlafdauer oder Herzschläge, erfassen. Außerdem füllen sie täglich Fragebögen mit Bezug zur Arbeit und zum Wohlbefinden aus. „Ziel ist, die Zusammenhänge von körperlichen und psychischen Belastungen in Hinblick auf Digitalisierung besser zu verstehen“, sagt Volmer. Schon vor Abschluss der Studie zeigt sich: Multitasking mit mehreren Geräten und Überlastung durch digitale Kommunikation senken die Arbeitszufriedenheit und können sogar zu psychosomatischen Beschwerden wie Rücken- oder Kopfschmerzen führen.
 

Ethische Begleitung der Stadtneugestaltung

„Der Weg zur Smart City bedeutet eine tiefgreifende Neugestaltung der Stadt als Lebenswelt, die im Zentrum menschlicher Gemeinschaft steht“, sagt Philosoph Prof. Dr. Christian Illies. Ihm und seinem wissenschaftlichen Mitarbeiter Tomoki Sakata ist es ein Anliegen, ethische Fragestellungen in den Prozess einzubringen. Deshalb entwickeln sie gemeinsam mit Prof. Dr. Martin Düchs, der unterdessen nach St. Pölten berufen wurde, eine Smart City Ethical Toolbox, die eine Handreichung zur ethischen Beurteilung sein und Orientierung im Gestaltungsprozess bieten soll. Außerdem dient sie den Bamberger*innen als Grundlage, um ihre Wünsche, aber auch Unbehagen auf Basis moralischer Kriterien besser artikulieren und Entwicklungen im Rahmen des Smart-City-Prozesses besser reflektieren zu können. „Am vorläufigen Ende des Projekts wird deshalb kein dickes Buch über die Moral der Smart City stehen, sondern eine Bauanleitung für eine Webapp“, erklärt Sakata. Für die anschließende Umsetzung haben sich die Philosophen schon mit dem Informatiker Prof. Dr. Christoph Benzmüller zusammengetan. Er soll bei der Entwicklung eines KI-gestützten Programmes in einem Anschlussprojekt mitwirken, sodass die Toolbox auch in anderen Smart Cities weltweit einsetzbar ist.

Am Smart City Research Lab sind nicht nur Forschende der Universität Bamberg beteiligt. Auch Studierende bringen ihre kreativen Ideen ein. Lesen Sie mehr dazu: blog.uni-bamberg.de/forschung/2023/smart-city-studierende

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Seite 156350, aktualisiert 17.02.2023