Vom Sinn des Sammelns

Das Naturkundemuseum Bamberg zwischen Geschichte und Zukunft

Blick in einen großen Saal mit Brüstung und vielen Verzierungen an den weißen Vitrinen
  • Forschung
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  • 06.10.2023
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  • Oliver Wings
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  • Lesedauer: 6 Minuten

Ein Archiv des Lebens: Die naturkundlichen Sammlungen in Bamberg machen der Forschung, aber auch der Öffentlichkeit biologische und geologische Kostbarkeiten zugänglich. Moderne Methoden wie die DNA-Analyse oder die Computertomographie eröffnen neue Einblicke in die Zusammenhänge der Natur. Für den zukünftigen Erhalt dieses Kulturguts zu sorgen, ist zugleich eine anspruchsvolle Aufgabe.

Naturkundliche Sammlungen wie die des Naturkundemuseums Bamberg (NKMB) haben eine grundsätzliche Bedeutung als Kulturgut, wie allein der unter Denkmalschutz stehende Vogelsaal mit seinen über 2.000 zum Großteil historischen Exponaten beweist. Seine Objekte zeigen nicht nur den Umgang mit der Natur in historischer Zeit, sondern erlauben auch Einblicke in damalige Erkenntnisprozesse und Wissensvermittlung. Letztendlich zeigen die Exponate heute wie schon vor über 230 Jahren bei der Gründung des Museums die schier unendliche Vielfalt des Lebens und machen exotische Natur hautnah erlebbar.

Als der damalige Fürstbischof Franz Ludwig von Erthal im Jahre 1791 den Grundstein für das heutige Naturkundemuseum Bamberg legte, war kaum daran zu denken, welchen Nutzen naturhistorische Sammlungen in der heutigen Zeit besitzen würden. Im Laufe der Zeit, durch alle Wirren der Geschichte, wuchsen die Sammlungsbestände aus biologischen und geologischen Objekten kontinuierlich an. Heute umfassen die Sammlungen des NKMB knapp 200.000 Objekte, darunter aus der Biologie unzählige Tierpräparate wie Insekten, Dermoplastiken, Skelette, Nasspräparate, Konchylien und aus der Geologie viele tausend Minerale, Fossilien und Gesteine. Schwerpunkte der Sammlungen sind über 1.300 Vogelpräparate, regionale Insektensammlungen und hervorragend erhaltene, 154 Millionen Jahre alte Plattenkalkfossilien aus Wattendorf, die in museumseigenen Grabungen der letzten 20 Jahre geborgen worden sind.

Vom Nutzen naturkundlicher Sammlungen

Sammlungen sind die Kernstücke eines jeden Museums und zwingende Voraussetzung für Forschung und Ausstellungen. Der ursprüngliche Zweck des Naturalienkabinetts, das von Erthal als „besondere Lehrschule für die Naturgeschichte“ bezeichnete, hat heute nur noch eine randliche Bedeutung. Sammlungen sind in erster Linie ein unerschöpfliches Archiv des Lebens, welches entscheidend zum besseren Verständnis der verflochtenen Vorgänge in der Natur beiträgt.

Bis heute sind die äußerst komplexen Zusammenhänge der Kreisläufe auf unserem Planeten und insbesondere zwischen Bio- und Geosphäre nur in Ansätzen verstanden. Die Rekonstruktion von Evolution und Biogeographie ist dabei nur einer der möglichen Anwendungsbereiche. Die Dokumentation von Umweltveränderungen wie Insektensterben oder des Verlustes von Biomasse im Zuge der Klimaerwärmung und unseres weltweit ungebremsten Raubbaus an der Natur durch Abholzung und industrielle Landwirtschaft werden nur durch Sammlungen nachvollziehbar und sind essentiell für Prognosen zukünftiger Entwicklungen.

Dabei geht der Nutzen naturkundlicher Sammlungen weit über die Dokumentation der Biodiversität und ihrer Veränderungen oder die bloße Rohstoffsuche hinaus. Neue Forschungsansätze und -metho­den zeigen das sehr eindrucksvoll. So waren zum Beispiel viele heutige Standardmethoden in den Bio- und Geowissenschaften wie DNA-Analysen, Molekulargenetik, Computertomographie, UV-Licht-Analyse oder auch Isotopenuntersuchungen bis vor wenigen Jahrzehnten noch nicht einmal vorstellbar und eröffneten bereits völlig neue Einblicke in die Zusammenhänge der Natur.

Vom (zukünftigen) Erhalt der Bamberger Sammlungen

Naturkundliche Sammlungen sollen idealerweise für die Ewigkeit zur Verfügung stehen. Leider macht die Vergänglichkeit insbesondere biologischer Exponate, aber auch bestimmter Minerale, dem einen Strich durch die Rechnung. Dementsprechend muss bei der Sammlungspflege darauf geachtet werden, dass gewisse Mindestanforde­rungen bei der Unterbringung und Pflege eingehalten werden. Dazu gehört, dass die Sammlungen zugänglich, inventarisiert, beschrieben und an einem sicheren Ort unter je nach Objekt geeigneten klimatischen Bedingungen untergebracht werden. Auch am NKMB gibt es im Hinblick auf diese Anforderungen noch einiges zu tun: Eine angemessene Klimatisierung und der Schutz vor Wasser in den Kellerdepots des NKMB ist derzeit nicht gewährleistet. Feuer ist ebenfalls eine reale Bedrohung von Sammlungen, wie der Brand der naturkundlichen Sammlungen des Nationalmuseums in Rio de Janeiro vor einigen Jahren schmerzlich zeigte. Die Brennbarkeit der Alkoholpräparate in den sogenannten Nasssammlungen ist hier von besonderer Bedeutung und erfordert spezielle Anforderungen an den Brandschutz. Bei anderen Objekten, die zusätzliche spezifische Anforderungen etwa an Lichtschutz stellen, kommt teilweise sogar schon jede Hilfe zu spät. Wer aufmerksam durch den Vogelsaal geht, findet dort einige ‚Albino‘-Fledermäuse, die ihre ursprüngliche Farbgebung durch den bleichenden Effekt des UV-Anteils im Sonnenlicht bereits komplett verloren haben. Solche Verluste gilt es in Zukunft zu verhindern.

Ein sehr großes Thema ist der Schutz biologischer Objekte vor Befall durch Schadinsekten. Früher wurden in der zoologischen Präparation zum Erhalt der Exponate zahlreiche Gifte wie Pestizide oder Arsen verwendet, deren Einsatz heute nicht mehr erlaubt ist. Stattdessen kommt nun die integrierte Schädlingsbekämpfung (Integrated Pest Management) zum Einsatz. Präventionsmaßnahmen sollen den Zugang für Schädlinge erschweren, hinzu kommen ein Monitoring zum Beispiel durch Pheromonfallen und alternative Bekämpfungsmethoden wie die Begasung von Objekten in Stickstoffkammern.

Die digitale Erfassung in Datenbanken steht erst am Anfang. Die Bestände neu zu inventarisieren und fotografisch zu erfassen, wird im nächsten Jahrzehnt im NKMB Priorität haben. Der Einsatz etablierter Standards für Erhalt, Pflege, Aufbewahrung, Konservierung, Restaurierung und Präsentation der Objekte ist dabei selbstverständlich. Dabei müssen auch Kleinigkeiten berücksichtigt werden, wie zum Beispiel der Einsatz von säurefreiem Archivpapier für neue Sammlungsetiketten.

Naturwissenschaftliche Sammlungen leben von ihrer kontinuierlichen Erweiterung. Wie viele andere Naturkundemuseen hat allerdings auch das NKMB ein Platzproblem und benötigt dringend mehr Depotfläche. Nur so wird in Zukunft der Sammlungszuwachs durch eigene Ausgrabungen, die Übernahme weiterer öffentlicher oder privater Sammlungen oder auch der Ankauf besonderer Objekte überhaupt noch möglich sein. Erste Planungen für neu zu errichtende, adäquat ausgestattete Depoträume laufen bereits. Damit die naturkundlichen Sammlungen in Bamberg auch für zukünftige Generationen nutzbar bleiben, sind noch viele Herausforderungen zu meistern.

Sammlungsgeschichte:

Die ersten Objekte waren Fälschungen!

Die mutmaßlich ersten Sammlungsobjekte wurden bereits vor 300 Jahren gesammelt und sind heute weltberühmt: Die Würzburger Lügensteine sind Fossilfälschungen, die in den 1720er-Jahren dem Würzburger Professor Johann Beringer untergeschoben wurden. Die Geologie stand damals noch am Anfang ihrer Entwicklung zu einer modernen Naturwissenschaft und Beringer publizierte die Stücke aufwändig als echte Fossilien. Als die Fälschungen schließlich herauskamen, versuchte der Professor, die gesamte Auflage seines Buches zurückzukaufen. Von den ursprünglich wohl über 2.000 Stücken haben sich in Museen bis heute circa 600 dieser Fälschungen erhalten, darunter 54 im Naturkundemuseum Bamberg. Aufgrund der großen Aufmerksamkeit, die diese Sache damals erfuhr, ist der Erwerb dieser Stücke zeitlich sehr gut einzuordnen, was leider nur auf sehr wenige Objekte der historischen Sammlungsbestände in Bamberg zutrifft. Im Laufe der Jahrhunderte und durch wiederholte Umräumarbeiten und teilweise auch Vernachlässigung oder sogar Plünderung der Bestände – insbesondere in Kriegszeiten – sind viele Objekte beziehungsweise Informationen dazu heute nicht mehr präsent.

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Seite 160941, aktualisiert 13.10.2023