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Einstellungen in der Bevölkerung zu Diversity-Maßnahmen bei der Besetzung von Führungspositionen | aus uni.vers Forschung 2024

  • Forschung
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  • 30.07.2024
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  • Katja Möhring
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  • Lesedauer: 7 Minuten

Quotenregelungen für unterrepräsentierte Gruppen sollen Diversität bei der Besetzung gesellschaftlich relevanter Positionen fördern. Das bekannteste Beispiel ist die Geschlechterquote zur Besetzung von Aufsichtsratspositionen. Die Forschung zur Unterstützung dieser Maßnahmen in der Bevölkerung hilft zu verstehen, warum Vielfalt zwar grundsätzlich zumeist nicht abgelehnt wird, aber konkrete Maßnahmen zur Ermöglichung von Diversität in Führungspositionen nicht immer auf Unterstützung stoßen.

Spätestens seit Einführung der Geschlechterquote zur Besetzung von Aufsichtsratspositionen börsennotierter Unternehmen im Jahr 2016 gibt es eine Debatte um den Nutzen und die Fairness von Quoten in Wirtschaft und Politik. Quotenregelungen sind eine Maßnahme der sogenannten positiven Diskriminierung. Sie zielen darauf, unterrepräsentierten Gruppen einen besseren Zugang zu gesellschaftlich relevanten und/oder mit einem hohen Status verbundenen Positionen zu geben.

In Deutschland sind Führungspositionen in Politik und Wirtschaft nicht ausgewogen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen besetzt. Seit die Geschlechterquote eingeführt wurde, hat zwar der Frauenanteil in Aufsichtsräten zugenommen – so lag er Ende 2023 in den Aufsichtsräten der 200 größten Unternehmen (ohne Finanzsektor) bei 32 Prozent – hingegen waren nur 18 Prozent der Vorstandsmitglieder Frauen. Des Weiteren sind Personen ostdeutscher Herkunft in Führungspositionen unterrepräsentiert. Personen mit Migrationsgeschichte oder aus nicht-akademischem Elternhaus haben es ebenfalls schwer, in Führungspositionen zu gelangen. Trotzdem werden Quotenregelungen vielfach kritisch bewertet, auch von Mitgliedern der Zielgruppe dieser Maßnahmen, die beispielsweise nicht als „Quotenfrau“ abgestempelt werden wollen. Aus wissenschaftlicher Sicht ist es daher von Interesse, die öffentliche Meinung zu Quotenregelungen zu untersuchen. Von welchen Faktoren hängt es ab, ob jemand solche Maßnahmen gutheißt oder ablehnt? Welche Länderunterschiede gibt es in Europa? Gibt es beliebte und unbeliebte Zielgruppen dieser Maßnahmen? Die Forschung stützt sich auf repräsentative Umfragedaten, mit denen sich sowohl das Ausmaß der Unterstützung als auch Gründe für Unterstützung oder Ablehnung erforschen lassen.

Unterstützung von Geschlechterquoten in Europa

Innerhalb von Europa gibt es teils erhebliche Länderunterschiede bei der Unterstützung von Geschlechterquoten für Aufsichtsräte. Abbildung 1 zeigt das Ausmaß der Unterstützung in den Bevölkerungen verschiedener europäischer Länder. Die Auswertung basiert auf Daten des Eurobarometer von 2011, da keine neueren Umfragen hierzu verfügbar sind. Zustimmungswerte von über 80 Prozent lagen in einigen süd- und osteuropäischen Ländern wie Italien, Portugal und Rumänien vor; vergleichsweise geringe Unterstützungswerte erreichten die Regelungen in Deutschland sowie den skandinavischen Ländern.

Wie lassen sich diese Länderunterschiede erklären? Werden verschiedene Indikatoren für die tatsächliche Geschlechtergleichstellung in den Ländern herangezogen, wie die Frauenerwerbsquote, der Frauenanteil in Parlamenten und in Führungspositionen der Wirtschaft, zeigt sich ein negativer Zusammenhang zur Unterstützung von Quotenregelungen: In Ländern, in denen die Bevölkerung besonders „pro Quote“ eingestellt waren, sind Frauen eher benachteiligt. In Ländern mit größerer Geschlechtergleichheit wurden Quotenregelungen dagegen eher abgelehnt. Und ein weiterer Faktor ist besonders relevant: Herrschte in einem Land generell eine größere Akzeptanz für staatliche Eingriffe vor, war auch die Unterstützung bindender Quotenregelungen höher.

Einstellungen zur Geschlechterquote in Deutschland

Einen genaueren Blick auf individuelle Faktoren für die Unterstützung oder Ablehnung von Quotenregelungen erlaubt die Umfrage German Internet Panel (GIP), die auf einer repräsentativen Stichprobe der deutschen Bevölkerung beruht und 2017 eine Frage zur Unterstützung der Geschlechterquote für Aufsichtsräte enthielt. Hier lag unter Frauen eine wesentlich höhere Unterstützung vor als unter Männern, obwohl tatsächlich nur eine sehr kleine Gruppe von Frauen von der Regelung profitieren kann. Des Weiteren war die Zustimmung zur Geschlechterquote unter Frauen wesentlich homogener als unter Männern. So fand sich bei Frauen eine konstant hohe Zustimmung unabhängig von ihrer politischen Positionierung. Unter Männern waren die Positionen zur Geschlechterquote hingegen wesentlich heterogener. Jene, die sich im politischen Spektrum eher links verorteten, unterstützen die Quote eher; die geringste Unterstützung fand sich unter Männern, die sich im politischen Spektrum ganz rechts verorten.

Ein ähnliches Muster zeigte sich, wenn Geschlechterunterschiede in der Unterstützung für eine Quote bei Personen in Paarhaushalten betrachtet wurden (siehe Abbildung 2). Hier wurden Informationen dazu genutzt, wie viel jeder Partner zum gemeinsamen Haushaltseinkommen beisteuerte, also ob der Mann Hauptverdiener war, oder die Partner eher gleich zum gemeinsamen Einkommen beitrugen. Während unter Frauen die Unterstützung für eine Geschlechterquote durchgehend hoch war, gab es bei Männern Unterschiede. Männer, die Alleinverdiener waren, lehnten eine Geschlechterquote am stärksten ab. Die Unterstützung fiel bei Männern in Partnerschaften umso höher aus, je geringer ihr Anteil am gemeinsamen Haushaltseinkommen war. Damit kann ein rationales Interesse verbunden sein, dass die erwerbstätige Partnerin erfolgreich im Job sein und somit weiterhin ihren Anteil zum Haushaltseinkommen beitragen kann. Ebenso ist aber auch möglich, dass die Unterstützung von Quotenregelungen stabile Einstellungen von Menschen widerspiegelt, die sich ein Leben lang wenig ändern und auch bei der Partnerwahl eine Rolle spielen.

Der Zusammenhang von beruflicher Stellung und Unterstützung einer Geschlechterquote war bei Männern und Frauen genau entgegengesetzt (siehe Abbildung 3). So fiel die Unterstützung unter Frauen umso stärker aus, je höher ihre berufliche Stellung war. Männer im oberen Management zeigten hingegen eine stärkere Ablehnung einer Quotenregelung als jene im mittleren Management und jene ohne Führungsverantwortung. Auch hier ist möglich, dass die Einstellungen einem rationalen Interesse folgen, denn Frauen in Führungspositionen können potenziell am meisten von einer Geschlechterquote profitieren. Umgekehrt können Männer im oberen Management eine solche Quote als Bedrohung für ihre Karrierechancen ansehen.

Unterstützung einer Quote für weitere unterrepräsentierte Gruppen

Um die Unterstützung von Quotenregelungen für weitere gesellschaftliche Gruppen zu untersuchen, nutzen Forschende eine Befragung, die 2021 vom Meinungsforschungsinstitut YouGov in Deutschland durchgeführt wurde. Gefragt wurde nach einer Bewertung von Quotenregelungen, von denen Frauen, Personen mit Migrationshintergrund, Personen mit ostdeutscher Herkunft oder Personen aus nicht-akademischem Elternhaus profitieren würden. Der Fragetext zielte auf eine Bevorzugung bei gleicher Qualifikation in Bewerbungsverfahren für Positionen verschiedener Führungsebenen.

Im Ergebnis zeigte sich eine klare Rangfolge in der Bewertung der Zielgruppen: Quoten für Frauen und Personen aus einem nicht-akademischen Haushalt fanden eine deutlich höhere Unterstützung als Quoten für Personen mit Migrationshintergrund und gebürtige Ostdeutsche (siehe Abbildung 4; dargestellt sind nur die Antworten von Personen, die keiner Zielgruppe angehören). Gründe für die unterschiedliche Bewertung sind unter anderem subjektive Einschätzungen darüber, ob die Mitglieder einer unterrepräsentierten Gruppe benachteiligt werden und eine solche Regelung „verdient“ haben.

Anhand der Umfrage konnten auch die gegenseitigen Bewertungen der Zielgruppen analysiert werden. So zeigte sich zwar in allen Gruppen eine Präferenz für eine Quote für die eigene Gruppe. Diese Präferenz war allerdings bei Personen aus nicht-akademischem Elternhaus am schwächsten ausgeprägt. Zudem waren Frauen die einzige Zielgruppe, in der nicht nur eine signifikant stärkere Unterstützung einer Quote für die eigene Gruppe, sondern für Quoten für alle Zielgruppen vorlag.

Insgesamt geht es bei der Akzeptanz von Quotenregelungen um mehr als nur die Unterstützung von Diversität. So können Menschen zwar durchaus universalistische Werte wie Geschlechtergleichheit gutheißen, aber bezüglich der staatlichen Eingriffe, die mit Gleichstellungsmaßnahmen verbunden sein können, zögerlich sein. Auf der anderen Seite zeigt sich, dass bestehende Quotenregelungen langfristig die Akzeptanz von Diversität fördern. Hierfür müssen die Regelungen so ausgestaltet werden, dass sie tatsächlich die Sichtbarkeit der (vormals) unterrepräsentierten Gruppe erhöhen. Somit können staatliche Eingriffe durchaus für die Erreichung von Diversität in Führungspositionen sinnvoll sein, sofern sie eine klar erkennbare Ungleichbehandlung adressieren und transparent gestaltet sind.

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Seite 166768, aktualisiert 30.07.2024