In einer sozial benachteiligten Familie aufzuwachsen, hat Nachteile für den Bildungsweg. Eine systematische Literaturanalyse der Universität Bamberg zeigt, dass auch der Karriereerfolg bei gleichem Bildungsabschluss von der sozialen Herkunft beeinflusst wird. Doch wie erklären sich die Unterschiede – und warum ist es nicht nur positiv, dass sozial Benachteiligte mit geringerem Karriereerfolg ebenso zufrieden sind mit ihrer Karriere wie die Privilegierten?
Zahlreiche Arbeitgeber schenken in ihrem Personalmanagement der Diversität von Individuen besondere Aufmerksamkeit. Eine bisher meist übersehene Facette im Diversity Management ist die soziale Herkunft der Beschäftigten, also die sozioökonomischen Bedingungen der Familie, in der man aufgewachsen ist. Personen aus privilegierten Familien haben oft leichteren Zugang zu Ressourcen wie Wissen oder Netzwerke, die ihnen Vorteile verschaffen. So bestimmt in vielen Ländern die soziale Herkunft maßgeblich über das Bildungsniveau, sodass Kinder von Eltern mit hohen Bildungsabschlüssen auch deutlich häufiger selbst höhere Abschlüsse erreichen. Berufstätigkeit und die damit verbundenen Aspekte wie Gehalt und Status sind daher die beste Möglichkeit des Einzelnen, sich sozioökonomisch zu verbessern.
In ihrer Berufstätigkeit erfahren Individuen objektive Karriereerfolge, die anhand extern beobachtbarer Kriterien wie dem finanziellen Erfolg, hierarchischen Rang, beruflichen Status oder der Anzahl der Beförderungen messbar sind. Diese Erfolge würden in einer Leistungsgesellschaft ausschließlich durch Leistung und Fähigkeiten des Einzelnen bestimmt. Jedoch zeigen sich in der von diesem Ideal abweichenden Realität immer wieder Ungleichheiten in der individuellen Karriereentwicklung in Abhängigkeit von unveränderlichen persönlichen Merkmalen wie Geschlecht oder sozialer Herkunft. Der Lehrstuhl für Personalmanagement und Organisational Behaviour führte eine systematische Literaturanalyse von 59 Studien zum Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Karriereerfolg durch. Obgleich den meisten Arbeitgebern der familiäre Hintergrund ihrer Beschäftigten nicht bekannt sein dürfte, zeigt sich, dass der Einfluss der sozialen Herkunft auch während des Berufslebens wirksam blieb und zu Ungleichheiten im Karriereerfolg führte.
Arbeitskräfte niedrigerer sozialer Herkunft erfuhren systematisch Nachteile in ihrem objektiven Karriereerfolg in Bezug auf Gehalt, hierarchischen Aufstieg und beruflichen Status, also welches Prestige oder welche Stellung in der Gesellschaft sich aus der beruflichen Position ergibt. Obgleich Unterschiede im finanziellen Karriereerfolg meistens zu Beginn der Karriere nicht direkt beobachtbar waren, öffnete sich die Schere im Zeitverlauf zugunsten der Beschäftigten höherer sozialer Herkunft. Während diese finanziellen Unterschiede durch einen gleichen Bildungsabschluss teilweise oder sogar vollständig ausgeglichen wurden, war dies beim hierarchischen Aufstieg und dem beruflichen Status nicht der Fall. Beschäftigte privilegierter Herkunft erfuhren erhebliche Vorteile beim hierarchischen Aufstieg in Organisationen und wiesen einen wesentlich höheren beruflichen Status als ihre weniger privilegierten Kolleginnen und Kollegen auf. Unterschiede im beruflichen Status ergaben sich bereits zu Beginn der Karriere und bestanden im Laufe der beruflichen Karriere fort oder nahmen sogar zu.
Doch auch wenn sozial benachteiligte Personen einen geringeren objektiven Karriereerfolg verzeichneten, erwies sich der subjektive Karriereerfolg, der auf der persönlichen Wahrnehmung des Erreichens persönlicher Karriereziele basiert, als weitgehend unabhängig von der sozialen Herkunft. So waren Personen niedrigerer und höherer sozialer Herkunft tendenziell gleichermaßenzufrieden mit ihrer Karriere und Arbeit, wenngleich hierzu nur wenige Studien vorliegen.
Individuum und Arbeitgeber: Karriere wollen und Karriere fördern
Verschiedene individuelle und organisationale Faktoren erklären diese Unterschiede im Karriereerfolg. Inwieweit beeinflussen Erwerbstätige selbst die beobachteten Zusammenhänge zwischen der sozialen Herkunft und dem Karriereerfolg? Bisherige Studien untersuchten die kognitiven Fähigkeiten wie verbale, mathematische und räumliche Fähigkeiten, aber auch Aspirationen und das Ausmaß, in dem die Ereignisse und Ergebnisse des eigenen Lebens als beeinflussbar gesehen werden, die sogenannte Kontrollüberzeugung. Dabei zeigte sich, dass die Fähigkeiten weniger oder nicht ausschlaggebend waren, sondern vielmehr die letzten beiden Aspekte: Erwerbstätige niedrigerer sozialer Herkunft zeigten, auch bei gleichem Bildungsniveau, im Vergleich zu sozial bevorteilten Kolleginnen und Kollegen eine geringere Kontrollüberzeugung und weniger Bestrebungen nach hohem Erfolg, welche zum schlechteren Karriereerfolg beitrugen.
Diese Ergebnisse weisen bereits auf die Bedeutung der Arbeitsbedingungen hin, also auf den Einfluss des Arbeitgebers auf den Karriereerfolg. Die Studien zeigten, dass Personen aus einem sozial bessergestellten Elternhaus von ihrem Arbeitgeber mehr allgemeine Unterstützung und Mentoring erhielten sowie einen besseren Zugang zu quantitativ und qualitativ wertvollen sozialen Ressourcen, wie Feedback und Netzwerken hatten. Infolgedessen waren sie finanziell erfolgreicher, stiegen höher in der Hierarchie auf, wurden häufiger befördert, erreichten einen höheren beruflichen Status und zeigten sich zufriedener mit ihrer Karriere. Und selbst bei gleichem Umfang an Mentoring profitierten Beschäftigte höherer sozialer Herkunft weitaus mehr. Zudem beeinflusste die Art der Organisation den Karriereerfolg. So arbeiteten Erwerbstätige niedrigerer sozialer Herkunft eher in Unternehmen, die aufgrund ihrer Größe und ihres Standorts schlechtere Aussichten auf eine lohnende Karriere boten, zumindest in Bezug auf das Gehalt.
Weniger erfolgreich, trotzdem zufrieden – eine brisante Kombination?
Die bisherige Forschung zur sozialen Mobilität setzt daran an, Bildungsunterschiede zwischen Menschen unterschiedlicher sozialer Herkunft zu beseitigen. Die Angleichung des Bildungsniveaus erweist sich jedoch als nicht ausreichend, um objektive Karriereerfolgsunterschiede in Abhängigkeit von der sozialen Herkunft auszugleichen, wie die Ergebnisse der Literaturanalyse belegen. Beschäftigte niedrigerer sozialer Herkunft erfuhren über die Karriere hinweg anhaltende oder sogar zunehmende Nachteile im objektiven Karriereerfolg infolge ihrer familiären sozioökonomischen Bedingungen gekoppelt mit geringeren Ambitionen und diskriminierenden Praktiken in Organisationen. Gleichwohl zeigten sie sich trotz ihrer objektiv weniger erfolgreichen Karriere gleichermaßen zufrieden mit dem Erreichten wie die sozial Privilegierten.
Dieses Ergebnis weicht von den zahlreichen Befunden ab, denen zufolge sich subjektiver und objektiver Karriereerfolg gegenseitig beeinflussen und daher von Individuen entweder gleichermaßen hoch oder niedrig eingeschätzt wird. Die Zufriedenheit der sozial Benachteiligten mit dem Erreichten ist nur auf den ersten Blick positiv, birgt sie doch die Gefahr, dass sich die Diskrepanz beim objektiven Karriereerfolg verstetigt. Gut gemeinte Maßnahmen des organisationalen Karrieremanagements wie Unterstützung durch Vorgesetzte und Mentoring können unwirksam bleiben, wenn Beschäftigte geringerer sozialer Herkunft sich als erfolgreich wahrnehmen und nicht nach größerem objektiven Karriereerfolg streben. Organisationale Maßnahmen sollten daher nicht – wie häufig üblich – allein an der Zufriedenheit der Geförderten evaluiert werden, sondern am Gehalt, beruflichen Status oder hierarchischen Rang.
Allerdings lassen die inhaltlichen und methodischen Defizite in der bisherigen Forschung über die Bedeutung der sozialen Herkunft für den Karriereerfolg keine endgültigen Schlussfolgerungen zu. Die Autorinnen zeigen daher umfangreiche Möglichkeiten für künftige Forschung auf.