Lebendige Faszination: Heinrich II. und Bamberg

2024 begeht die Stadt das Jubiläumsjahr zum 1000. Todestag des römisch-deutschen Kaisers | aus uni.kat 01/2024

Abbildung von Kaiser Heinrich II.
  • Forschung
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  • 04.07.2024
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  • Hannah Fischer
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  • Lesedauer: 6 Minuten

Bei der Ringvorlesung zum Jubiläumsjahr anlässlich des 1000. Todestags von Kaiser Heinrich II. waren die Ränge voll. Heinrich beschäftigt Bamberger Bürgerinnen und Bürger und Forschende bis in die Gegenwart. Der Artikel wirft einen Blick darauf, warum das so ist und gibt Schlaglichter auf Bamberger Forschung zu Heinrich und auf das, was von ihm in Bamberg geblieben ist. Dieser Artikel ist in der Ausgabe 01/2024 des Campus-Magazins uni.kat erschienen.

Über 100 Personen passen in den Hörsaal 00.25 an der Universität 2. Am Montag, 24. April 2023, war er abends bis auf den letzten Platz gefüllt, und gut gefüllt war er auch an den weiteren Montagabenden des Sommersemesters. In diesem Zeitraum fand die Ringvorlesung des Zentrums für Mittelalterstudien (ZeMaS) statt, für die
Organisator Prof. Dr. Christof Rolker zahlreiche – auch internationale – Forschende gewinnen konnte. Thema des Semesters: Kaiser Heinrich II. – Herrschaft, Handschriften und Heiligkeit im Mittelalter. Anlass für die Reihe war das Jubiläumsjahr zum 1000. Todestag Heinrichs, das Bamberg 2024 mit verschiedenen Veranstaltungen begeht.

Vom Herzog zum Kaiser und Heiligen

Geboren im Mai 973 verbringt Heinrich seine frühe Kindheit in Bamberg. Bis zu seinem Lebensende 1024 besucht er die Stadt viele Male. Nach dem Tod seines Vaters wird Heinrich 995 Herzog von Bayern und 1002 König des Ostfrankenreichs. Etwa zwei Jahre zuvor heiratete er Kunigunde, die, wie er selbst, bis heute für die Bambergerinnen und Bamberger einen zentralen Stellenwert hat. Die Wertschätzung, die Heinrich Bamberg entgegenbringt, manifestiert sich bereits zu Beginn seiner Regierungszeit. Unmittelbar nach seiner Wahl zum König stellt er in Bamberg die ersten Urkunden aus. Nach intensiven Verhandlungen gelingt es ihm 1007, die weltlichen und geistlichen Vertreter des Reichs zu überzeugen, und er gründet in Bamberg ein neues Bistum. Das markiert einen entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte Bambergs und kann als eigentlicher Beginn der Stadt betrachtet werden. 1014 wird Heinrich von Papst Benedikt VIII. zum Kaiser gekrönt. Heinrich und Kunigunde sind zudem das einzige kaiserliche Ehepaar, das in der Geschichte heiliggesprochen wurde.

Kaisergewänder im Fokus

Heinrich hat Bamberg überaus reich ausgestattet. So legte er gemeinsam mit Kunigunde den Grundstock für den Domschatz. Dort haben sich sechs sogenannte Kaisergewänder erhalten, die als Erinnerungsstücke an die beiden gelten. In einem DFG-Projekt wurden bis 2020 die Entstehungsgeschichte, die handwerkliche Umsetzung und inhaltliche Konzeption der Gewänder beleuchtet. Forschende des Lehrstuhls für Kunstgeschichte, insbesondere für Mittelalterliche Kunstgeschichte, klärten durch naturwissenschaftliche Materialvergleiche der unterschiedlichen Goldstickereien, -fäden und Stoffe, welche Änderungen im Laufe der Jahrhunderte an den Textilien vorgenommen wurden. Zu sehen sind die Forschungsergebnisse etwa in der virtuellen Ausstellung Kaisergewänder im Wandel – Goldgestickte Vergangenheitsinszenierung – die Kaisergewänder finden sich im Diözesanmuseum.

Handschriften wirken bis heute

Neben Teilen des Domschatzes brachte Heinrich zahlreiche Handschriften nach Bamberg, von denen etwa 165 bis heute in der Staatsbibliothek Bamberg aufbewahrt werden. Darunter sind einige der berühmtesten und wertvollsten Codices des Mittelalters. Es handelt sich dabei unter anderem um liturgische Handschriften, Musik, lateinische Klassiker oder Schriften zu Medizin. Christof Rolker setzt sich in seiner Forschung vor allem mit den kirchenrechtlichen Handschriften auseinander, die Heinrich teilweise aus Italien nach Bamberg bringen ließ. „Ich beschäftige mich mit der Verbreitung einzelner Rechtstexte und Sammlungen, wie man sie anhand erhaltener Handschriften erschließen kann“, erläutert Rolker. „Bamberg war dank Heinrich eines der Zentren, über die diese Handschriften im Reich nördlich der Alpen verbreitet wurden.“ Das kirchliche Recht regelte unter anderem Ehe und Sexualität, aber auch die kirchliche Hierarchie.

Dom offenbart Überraschungen

Bereits 1002 gab Heinrich den Bau des Bamberger Doms in Auftrag, der 1012 geweiht wurde. Der heutige Dom ist die dritte Version der Kathedrale, da die beiden Vorgängerbauten Bränden zum Opfer fielen. Das Bauwerk war und ist Gegenstand intensiver Forschungen. Dr. Cornelia Lohwasser wertet im Rahmen eines DFG-Projekts die umfangreichen archäologischen Ausgrabungen im Bamberger Dom aus, die bisher nur in Ausschnitten veröffentlicht wurden. Dabei erlebt sie fast jeden Tag Überraschungen: „In der Vierung des Heinrichsdoms gab es ein großflächiges Podest, von dem man bislang überhaupt nichts wusste“, führt Lohwasser an. „Man nennt einen solchen Baukörper schola cantorum. Hier traten die Sänger auf und der Wortgottesdienst fand hier statt.“ Solche Baukörper seien in Mitteleuropa kaum archäologisch nachgewiesen. „Das Podest existierte wohl nur knappe 70 Jahre, denn nach dem ersten Brand 1081 wurde das Bodenniveau angeglichen.“ Im Dom gebe es noch viel zu entdecken: „Aus archäologischer Sicht gibt es noch eine ganze Menge Ungereimtheiten, die nur durch neue – non-invasive – Untersuchungen gelöst werden können“, erklärt Lohwasser.

Idole und Vorbilder

Wie präsent Heinrich und Kunigunde weiterhin sind, zeigt sich über diese materiellen Reliquien hinaus, wie Christof Rolker weiß: „Bis in unsere Vorgängergeneration hinein hießen überproportional viele Menschen in Bamberg Heinrich und Kunigunde. Das ist eindeutig ein lokales Phänomen.“ Aus ethnologischer Perspektive erklärt Prof. Dr. Heidrun Alzheimer den Personenkult so: „Die Menschen sind zu allen Zeiten auf der Suche nach Vorbildern. Sie bewundern ihre Fähigkeiten, ihre Leistungen, ihren Einsatz für eine Idee oder auch ihr Aussehen, ihre Ausstrahlung, ihre Erfolge.“ Die lange Lebensdauer solcher Kulte ergebe sich vor allem dadurch, dass Verehrer*innen zu den Wirkungsstätten ihrer Idole pilgern, dass sie dort deren Nähe suchen über Reliquien wie etwa Kleidungsstücke, Gebeine oder Gegenstände aus dem persönlichen Besitz des Vorbilds. Zudem entstünden Legenden und Erzählungen aus dem Leben der bewunderten Person, die immer wieder neu aufgeschrieben und auch mündlich weitergetragen würden. Im öffentlichen Raum sind die Leitfiguren in Form von Bildern, Statuen oder Denkmälern weiterhin präsent. „Egal, wie groß oder klein Bamberg ohne Heinrich geworden wäre: Mit Heinrich ist es seit 1000 Jahren ein Zentralort, wo er bis heute verehrt und gewürdigt wird“, meint Christof Rolker. Das verdeutlicht auch das Jubiläumsjahr.

Highlights des Jubiläumsjahrs

Die Beiträge zur Ringvorlesung erscheinen im Jahr 2024 im Universitätsverlag Bamberg University Press.

Am 15. September 2024 wird in der Staatsbibliothek eine Ausstellung zu Handschriften eröffnet, die Heinrich II. an das Bistum Bamberg stiftete. Präsentiert werden einige der bedeutendsten Codices aus dem Bestand der Staatsbibliothek. Die Ausstellung entsteht in Kooperation mit Prof. Dr. Christof Rolker, der auch den Eröffnungsvortrag halten wird.

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Seite 164103, aktualisiert 04.07.2024