In einer zunehmend vernetzten Welt reicht Demokratiebildung weit über nationale Grenzen hinaus. Das Forschungsprojekt DigiGlob untersucht, wie internationale Schulpartnerschaften mit Hilfe digitaler Mittel einen nachhaltigen Beitrag zur demokratiebezogenen Bildung leisten können. Die Studie mit Bildungsverantwortlichen aus afrikanischen Ländern zeigt: Wenn Schulen über Kontinente hinweg zusammenarbeiten, entstehen wertvolle Lernräume für Perspektivwechsel, Partizipation und gelebte Demokratie. Besonders vielversprechend sind Partnerschaften, die auf Augenhöhe gestaltet werden und in denen alle Beteiligten – Lehrkräfte wie Schülerinnen und Schüler – gemeinsam lernen. Die Forschungsergebnisse bieten praktische Ansätze für Schulen, die ihre internationalen Kooperationen demokratiefördernd gestalten möchten. Gleichzeitig verweist das Projekt aber auch auf die Herausforderungen demokratiebezogener Bildung in einer sich globalisierenden Gesellschaft, die sich nicht mehr nur auf den eigenen Nahbereich beziehen kann.
Demokratiebildung mit globalem Horizont
Demokratie ist eine voraussetzungsreiche Gesellschaftsform. Sie bedarf der Öffentlichkeit, der Transparenz, der Beteiligung und der Möglichkeit der Meinungsbildung. Demokratie beruht nicht nur auf repräsentativen Verfahren, sondern auch auf einem demokratischen Ethos, das sich in Formen und Wertfundierungen gemeinsamen Handelns zeigt. Dieses demokratiebezogene Ethos ist keine Selbstverständlichkeit (Merkel 2014) und bedarf einer Orientierung, die über den Nahbereich hinausgeht: Viele Entscheidungspunkte in Demokratien sind heute nicht mehr im Rahmen des Nationalstaates gesetzt, sondern finden bedingt durch die Globalisierung außerhalb dieser in überstaatlichen Institutionen und internationalen Konzernen statt. Gleichzeitig sind viele Herausforderungen, wie beispielsweise globale Friedensordnungen oder der Klimawandel, nur noch in globaler Partnerschaft zu bearbeiten. Politische Bildung bedarf deshalb einer transnational erweiterten Demokratieerziehung, die nicht nur die Aufgabe der politischen Bildung in ihrem fachlichen Zuschnitt ist, sondern eine Aufgabe der ganzen Schulen und nicht zuletzt ihrer politischen Kultur (Culp 2021, S. 528-542). Ein auf Augenhöhe sich orientierendes Verständnis von Globalität ohne Paternalismus, Rassismus und andere Formen der Über- und Unterordnung ist vor allem durch Partizipationserfahrung, durch Selbstreflexion und durch die Einübung in Perspektivenwechsel zu erreichen.
Mitgestalten und Mitentscheiden: Der Kern demokratischer Bildung
Um demokratisches Ethos zu entwickeln, muss man die Möglichkeiten zur Partizipation haben, zur angeleiteten Selbstreflexion und zur Wahrnehmung von Regeln zur Zusammenarbeit. Man muss sich ansprechen lassen und die eigene Berührung ausdrücken können, und schließlich Perspektivenwechsel einüben – all dies sind bedeutsame Aspekte für die Transnationalisierung eines demokratischen Ethos durch das Erlernen des Umgangs mit Globalität.
Eine solche Entwicklung zu fördern, ist voraussetzungsreich. Forschung zeigt, dass die Anregung zu (angeleiteter) Selbstreflexion und Partizipationserfahrungen weltgesellschaftliche Wahrnehmung unterstützen, und Teilhabe motiviert in besonderer Weise zur Handlung. Insbesondere globale beziehungsweise internationale Schulpartnerschaften leisten einen Beitrag dazu, zumal viele Schulen bereits über Partnerschaften verfügen.

Schulpartnerschaften als Lernfeld
Schulische Partnerschaften, die überwiegend als Möglichkeit zum Sprachenlernen gesehen werden, erhalten eine zusätzliche Bedeutung, wenn sie als Übungsfelder für eine Demokratiebildung mit aktiver Beteiligung verstanden werden: Sie bieten Schülerinnen und Schülern die Chance, ihren eigenen Platz in einer globalisierten Welt zu finden und zu reflektieren. So können demokratische Grundhaltungen für die weltweite Zusammenarbeit entwickelt werden. Dies ist ein zentraler Beitrag zum Nachhaltigkeitsziel 17 der Vereinten Nationen (Partnerschaften zur Erreichung der Ziele). In ihnen werden angeleitete schulische Erfahrungen für das Verständnis des globalen Zusammenlebens in Demokratien eröffnet.
Das Projekt Globale Perspektiven digital-demokratischer Schulentwicklung (DigiGlob) untersucht, unter welchen Bedingungen dies erfolgreich ist und welche Handlungsräume für nachhaltig ausgerichtete Schulpartnerschaften zu identifizieren sind. Zunächst steht im Fokus, wie Bildungsverantwortliche im globalen Süden Partnerschaft, Demokratie und Weltgesellschaft in Bezug auf Schule wahrnehmen. Dazu wurden Interviews mit insgesamt 54 Verantwortlichen für Schulen in Madagaskar, Kamerun, Ghana und weiteren Ländern Afrikas geführt und diese inhaltsanalytisch ausgewertet.

Annäherung an Nachhaltigkeit
Die Ergebnisse zeigen, dass Bildungsverantwortliche aus dem globalen Süden Partnerschaft in einem breiten Spektrum verstehen, vom Nahbereich bis zu weitreichenden internationalen Beziehungen, von der gemeinsamen Bearbeitung lokaler Problemstellungen bis zu transkontinentalen Lernangeboten zu globalen Fragestellungen, z.B. des Klimaschutzes. Als Erfolgsfaktoren für nachhaltige Partnerschaften werden wechselseitiges Vertrauen, die Zusammenarbeit auf Augenhöhe, die Einbeziehung verschiedener Verantwortlicher wie Interessensgruppen und eine daran anschließende geteilte Verantwortung hervorgehoben.
Demokratie ist für die Interviewten vor allem mit Werten verbunden, allen voran mit Freiheit, also Meinungsfreiheit, Redefreiheit und der Freiheit zur Mitgestaltung bei Entscheidungsfindungen. Mit diesen Freiheitsaspekten werden demokratische Verhältnisse auf einer strukturellen Ebene der politischen Gestaltung des Gemeinwesens verbunden, die sukzessive auch in den Schulen stärker zur Geltung kommen soll. Deutlich wird allerdings auch, dass in den Konstruktionen von Demokratie theoretisches Wissen dominiert. Erfahrungen mit Demokratie werden vielfach als negativer Gegenhorizont beschrieben – also als eine fehlende Erfahrung. Ein Lehrkräftebildner formuliert, dass das Lernen über Demokratie und die tatsächliche Demokratieerfahrung auseinandertreten und gerade vor diesem Hintergrund der Kontakt zu Schulen aus anderen Kontexten besonders wertvoll sein kann. Räume der Demokratieerfahrung erweisen sich für die Beteiligten also als notwendig, wofür Schulpartnerschaften in ihren Augen ein großes Potenzial bieten.
Aus diesen Befunden lässt sich vor dem Hintergrund des Forschungsstands folgern: Nachhaltige, partizipative Lernwege hin zu einem demokratischen Ethos sind dann möglich, wenn eine reflexive Planung und die Weiterentwicklung von Partnerschaften vielfältige Partizipationsräume schaffen. Es geht dabei um ein Verständnis, dass Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler wie alle weiteren Beteiligten gleichermaßen Lernende sind. Notwendig ist die reflexive Gestaltung statusübergreifender Lerngemeinschaften, in denen schließlich Wissen und Haltungen zu Lernfeldern für demokratische Umgangsweisen im globalen Kontext werden können. Im weiteren Projektverlauf werden nun Konzepte für demokratieförderliche Schulpartnerschaften mit Fokus auf digitale Austauschformate entwickelt.
Globale Schulpartnerschaften: Ein Gewinn für demokratiebezogene Bildung
Schulpartnerschaften tragen durch die Ermöglichung eines Verständnisses von Globalität einerseits und durch multiple Erfahrungsräume der Partizipation andererseits zum demokratiebezogenen Lernen bei. Eine partnerschaftliche Dimensionierung ist für das Erreichen der UN-Nachhaltigkeitsziele zentral. Bildungsverantwortliche im globalen Süden und Norden teilen ähnliche Sichtweisen auf die Bedeutung von Demokratie und hinsichtlich der Positionierung in lokal-global verschränkte Weltverhältnisse, eine gute Voraussetzung für die gemeinsame Entwicklung von Partnerschaftsprogrammen. Dies ist deswegen bemerkenswert, weil sich Schulen international oft erheblich in ihren politischen Rahmenbedingungen, ihrer Ressourcenausstattung und ihren Handlungsroutinen unterscheiden. Schulpartnerschaften können weit über den Schulalltag hinaus wirken und junge Menschen auf ihre Rolle als weltoffene demokratische Bürgerinnen und Bürger vorbereiten (Timm & Scheunpflug 2025).

Das Projekt DigiGlob wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unter dem Förderkennzeichen 01JA23E03D im Rahmen der Förderlinie lernen:digital gefördert. Ziel des Projektes ist es, Wege für digitale Schulentwicklung in einer demokratiefördernden Weise aufzuzeigen und dafür frei verfügbare Materialien zu entwickeln.
www.uni-bamberg.de/allgpaed/digiglob
Literaturempfehlung
Timm, S. & Scheunpflug, A. (2025). Demokratiefördernde Bildung durch Digitalisierung? Empirische Einblicke in Süd-Nord-Partnerschaften. ZEP Zeitschrift für internationale Bildungsforschung und Entwicklungspädagogik
Scheunpflug, A. & Timm, S. (submitted under review): Schulnetzwerke als didaktische Dimension im Horizont der Globalisierung – ein Beitrag zu SDG 17. In: Pädagogische Rundschau.
Culp, J. (2021). Schulische Demokratieerziehung und die Krise der repräsentativen Demokratie. In: Zeitschrift für Pädagogik 67 (2021) 4.
Merkel, W. (2014). Demokratie und Krise. Zum schwierigen Verhältnis von Theorie und Empirie. Wiesbaden: Springer VS.