Nachhaltigkeit in Unternehmen umfasst mehr als symbolische Maßnahmen wie Papiersparen oder Bienenhotels. Anknüpfungspunkte mit einem weitreichenden Hebel bietet insbesondere die betriebliche Aus- und Weiterbildung, da sie direkt an der Kompetenzentwicklung aller betrieblichen Akteure ansetzt. Die Nachhaltigkeitstransformation stellt diese allerdings vor neue Fragen, beispielsweise welche Kompetenzen für welche Akteure benötigt werden. Dieser Beitrag beleuchtet die spezifischen Kompetenzanforderungen an Akteure auf verschiedenen betrieblichen Ebenen – von der Unternehmensleitung bis zu den Auszubildenden.
Unternehmen spielen eine entscheidende Rolle bei der Transformation der Gesellschaft in eine nachhaltige Zukunft. Diese tragen immerhin erheblich zu ökologischen und sozialen Problemen bei: von Ressourcenverbrauch und Abfallerzeugung über unfaire Einstellungs- und Lohnentscheidungen bis hin zur Ausbeutung von Arbeitskräften in Ländern mit schwachen Arbeitsrechtsstandards. Die Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung (BBNE) befähigt Individuen, in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Kontexten verantwortungsvoll mit diesen Herausforderungen umzugehen – und ist damit ein Schlüssel für nachhaltige Entwicklung in Unternehmen. Ein wesentlicher Aspekt der BBNE ist die Entwicklung der Fähigkeit, das eigene berufliche Handeln an den inter- und intragenerationalen Auswirkungen auf Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft auszurichten.

Spannungsfeld zwischen betriebswirtschaftlicher Logik und nachhaltiger Entwicklung
Ein wesentlicher Unterschied zwischen Unternehmen und anderen Lernorten besteht darin, dass die betriebliche Aus- und Weiterbildung in der Regel einer betriebswirtschaftlichen Logik folgt und somit auf Verwertbarkeit ausgerichtet ist. Unternehmen könnten Vorteile aus gemeinschaftlichen Bemühungen um Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit – inklusive einer nachhaltigkeitsorientierten Aus- und Weiterbildung – ziehen, ohne selbst zu investieren (Trittbrettfahrerproblem). Somit haben sie ein Interesse daran, betriebliche Aus- und Weiterbildungen möglichst so zu gestalten, dass sie für das Unternehmen verwertbar sind.
Nachhaltigkeit verlangt die Berücksichtigung sozialer und ökologischer Aspekte bei beruflichen Entscheidungen, d.h. nicht lediglich ökonomische verwertungsorientierte Rationale. Eine Priorisierung der ökologischen und sozialen Dimension kann zwar kurzfristig zu ökonomischen Nachteilen für Unternehmen führen, doch gesamtgesellschaftlich betrachtet ist ein Engagement für Nachhaltigkeit meist vorteilhaft, wie der Club of Rome bereits in seinem 1972 veröffentlichten Bericht Die Grenzen des Wachstums zeigt.
Individuen als Gestalterinnen und Gestalter der Nachhaltigkeit im beruflichen Kontext
Individuen sind diejenigen, die in ihrem täglichen beruflichen Handeln mit nachhaltigkeitsrelevanten Entscheidungen konfrontiert sind. Das betriebliche Nachhaltigkeitsengagement steht und fällt also mit den betrieblichen Beschäftigten – von der Unternehmensleitung bis hin zu den Auszubildenden. Unternehmensleitungen und Führungskräfte haben dabei eine besondere Hebelfunktion, da ihre Entscheidungen weitreichende Auswirkungen haben. Ausbilderinnen und Ausbilder gelten als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren für strategische Ziele und den Auszubildenden als der jungen Generation schreibt man ein häufig hohes Interesse an Nachhaltigkeitsfragen zu.

Berufliche Kompetenzen für nachhaltige Entwicklung auf verschiedenen Ebenen
Welche Kompetenzen für nachhaltige Entwicklung erforderlich sind, das ist ein Kernthema, mit dem sich die BBNE seit längerer Zeit beschäftigt. Die Förderung der beruflichen Handlungskompetenz hat sich als das übergeordnete Ziel beruflicher Bildungsmaßnahmen herauskristallisiert. Im Folgenden werden Kompetenzanforderungen an Akteure in der betrieblichen Praxis formuliert.
Gesellschaftlich-politische Ebene: Unternehmensleitungen treffen strategische Entscheidungen mit weitreichenden Auswirkungen auf das Unternehmen und die Gesellschaft. Ein Beispiel ist die Entwicklung von Nachhaltigkeitsstrategien. Im Kontext von Nachhaltigkeit müssen Unternehmensleitungen über ein breites Spektrum an Kompetenzen verfügen, darunter Engagement, konzeptionelle Fähigkeiten, Organisations- und Beziehungskompetenz sowie analytische, innovative und ethische Fähigkeiten. In der Regel erfolgt hier im wissenschaftlichen Diskurs keine Differenzierung nach Branchen.
Betriebswirtschaftlich-organisatorische Ebene: Auf dieser Ebene verwalten und organisieren Führungskräfte Ressourcen, um die strategischen Unternehmensziele effektiv zu erreichen. Sie gestalten Arbeitsabläufe, weisen Ressourcen zu und leiten Teams. Für Führungskräfte existieren ebenfalls überwiegend branchenübergreifende Kompetenzmodelle, welche insbesondere die Fähigkeit, mit Unsicherheiten, Widersprüchen und Zielkonflikten umzugehen (Ambiguitätstoleranz) fordern, um ein Entscheiden unter Berücksichtigung sozialer und ökologischer Aspekte zu ermöglichen. Das Einnehmen einer Vorbildfunktion trägt zudem zu einer moralisch verantwortungsvollen Organisationskultur bei. Das Entwickeln von Krisenmanagementplänen, die ethische Überlegungen in den Mittelpunkt stellen, oder die Nutzung eines umweltfreundlichen Dienstwagens sind Beispiele dafür. Hinderlich ist dabei, dass Führungskräfte bisher vor allem darauf trainiert werden, Entscheidungen lediglich zur Erfüllung ökonomischer Ziele zu treffen.
An Ausbilderinnen und Ausbilder wird auf dieser Ebene der Branchen- und Berufsbezug deutlich. Dabei wird die berufliche Handlungskompetenz als Zieldimension angestrebt, die Sozial-, Selbst-, Methoden- und Fachkompetenz umfasst, teilweise erweitert um moralisch-ethische Kompetenz. Ausbilderinnen und Ausbilder sind mit organisationsbedingten Herausforderungen bei der Erfüllung ihrer Multiplikationsfunktion konfrontiert und begreifen sich selbst zumeist als Fachkräfte und weniger als Pädagoginnen und Pädagogen. Darüber hinaus zeigt die Forschung an der Universität Bamberg, dass Ausbilderinnen und Ausbilder oft kaum auf strategische Konzepte zurückgreifen, wenig über die jeweiligen Nachhaltigkeitsstrategien wissen und daher auch nur bedingt als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren auftreten können.
Operative Ebene: Auszubildende arbeiten auf dieser Ebene und sind oft die Ausführenden der Entscheidungen, die auf höheren Ebenen getroffen wurden. Auf dieser Ebene wird besonders deutlich, dass eine allgemeingültige Formulierung nachhaltigkeitsbezogener beruflicher Handlungskompetenz nicht möglich ist. Zu unterschiedlich sind branchen- und berufsspezifische Handlungsfelder und die Relevanz von Nachhaltigkeit in beruflichen Handlungssituationen. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und Praktikerinnen und Praktiker identifizieren daher typische Arbeits- und Geschäftsprozesse, z. B. durch Workshops und Werkstattveranstaltungen. Darauf aufbauend können – im Dialog mit der Praxis – berufsspezifische Nachhaltigkeitskompetenzziele identifiziert werden. Bisher wurden entsprechende Kompetenzen beispielsweise für Auszubildende im Lebensmittelhandwerk und in der Lebensmittelindustrie, für den Handel, für die Bauwirtschaft sowie für Speditions- und Logistikdienstleistungen analysiert und definiert. Derzeit arbeiten verschiedene Umsetzungsprojekte des Bundesinstituts für Berufsbildung an Kompetenzmodellen für weitere Branchen und Berufe (https://www.bibb.de/de/168210.php).
Insgesamt ist festzuhalten, dass viele Kompetenzmodelle auf der gesellschaftlich-politischen sowie der betriebswirtschaftlich-organisatorischen Ebene Nachhaltigkeit als integralen Bestandteil einer beruflichen Handlungskompetenz aufgreifen. Auf beiden Ebenen ist eine Dominanz der Sozial- und Selbstkompetenz im Gegensatz zur fachlichen Kompetenz bei den diskutierten Anforderungen erkennbar. Auf operativer Ebene lässt sich aufgrund der Berufsspezifik eine nachhaltigkeitsorientierte Handlungskompetenz nicht allein deduktiv aus dem Leitbild der nachhaltigen Entwicklung ableiten. Sie muss daher stets im Kontext des jeweiligen Berufs und der spezifischen Tätigkeiten entwickelt werden. Für breit akzeptierte Kompetenzmodelle ist ein Zusammenspiel von Bildungspolitik, Wissenschaft und Unternehmenspraxis notwendig. Während die Ausbilderinnenkompetenz und Ausbilderkompetenz bildungspolitisch auszuhandeln ist, sind relevante nachhaltigkeitsspezifische Kompetenzen auf der operativen Ebene vor allem unternehmensspezifisch zu konkretisieren.
