Schadfaktor Licht: Wie wir unser Kulturgut besser schützen können

Sonnenlicht, das Kirchen flutet, bezaubert – schadet aber Gemälden, Stoffen und Holz. Ein Forschungsprojekt untersucht nun in mehr als 30 Denkmälern, was dagegen hilft.

Aufstellung einer Mustertafel in der Wieskirche
  • Forschung
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  • 18.09.2025
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So mancher Besucher der Wieskirche, der Alten Schäfflerei im Kloster Benediktbeuern oder dem Ingolstädter Münster dürfte sich über eigenartige bunte Tafeln gewundert haben, die derzeit zwischen Heiligenfiguren, Fresken und Altären stehen. Ihr Zweck: den Einfluss des Sonnenlichts sichtbar machen. Denn Licht zählt zu den gravierendsten Schadfaktoren für Kunst- und Kulturgut. „Licht ist im Baudenkmal ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite ist es essenziell, die Innenräume so auszuleuchten, dass die wertvollen Räume authentisch erlebt werden können. Auf der anderen Seite hat Licht ein nicht zu unterschätzendes Schädigungspotential. Wie beim Sonnenbaden kann zum Beispiel der UV-Anteil des Sonnenlichtes zu Schädigungen am Kulturgut führen. Allerdings besitzen historische Oberflächen, im Gegensatz zu unserer Haut, keinen Selbstregenerierungsmodus, sodass dadurch entstandene Schäden vielfach irreversibel sind“, sagt Prof. Dr. Paul Bellendorf, Inhaber der Professur für Restaurierungswissenschaft an der Universität Bamberg. 

Die zerstörerische Wirkung des Lichts entfaltet sich schleichend: Farben bleichen aus, Bindemittel zersetzen sich, Oberflächen verspröden und verlieren ihre Substanz. Neben der UV-Strahlung bringt die Sonne auch noch Wärme: Infrarotstrahlung heizt Innenräume auf, was besonders empfindlichen Materialien zusetzt. Eine Klimatisierung kann zwar gegensteuern, ist aber energieintensiv. Wesentlich nachhaltiger sind passive Maßnahmen wie spezielle Schutzverglasungen, Folien oder Vorhänge. Unter der Leitung von Paul Bellendorf und seinem Team untersucht nun ein groß angelegtes Forschungsprojekt des Kompetenzzentrums für Denkmalwissenschaften und Denkmaltechnologien (KDWT) der Universität Bamberg, an dem auch das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege (BLfD) beteiligt ist, welche Lösungen sich in der Praxis bewähren.

„Lichtschutz ist für die präventive Konservierung und den langfristigen Erhalt von Kulturgut ein entscheidender Hebel. Mit diesem Projekt untersuchen wir erstmals systematisch, welche Maßnahmen sich langfristig bewähren. Wenn er gelingt, ist denkmalgerechter Lichtschutz ein Tausendsassa: Er bewahrt wertvolle Kunst- und Kulturgüter, stabilisiert das Innenraumklima, verbessert die Energieeffizienz und spart letztlich CO₂ ein“, sagt Prof. Mathias Pfeil, Generalkonservator des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege.

In mehr als 30 Kirchen, Schlössern und Bibliotheken in Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und Sachsen-Anhalt wird derzeit getestet, wie sich diese Lichtschäden verhindern lassen. Im Rahmen des Vorhabens untersuchen Paul Bellendorf und sein Team unterschiedliche Lichtschutzsysteme und evaluieren, wie gut diese wirken und ob sie mit dem ästhetischen Anspruch an ein Baudenkmal vereinbar sind. Insgesamt wurden im Frühjahr 2025 circa 56 Mustertafeln in den Gebäuden angebracht, die dort für rund ein Jahr bleiben. Die Tafeln sind mit konservatorisch relevanten Materialien wie gefasstem, also mit Grundierungen oder Farbe beschichtetem Holz, textilen Bildträgern, Pergament, Leder und synthetischen Materialien wie Kunstharz bestückt. Dabei wird eine Hälfte jeder Tafel lichtdicht abgeschirmt, die andere – je nach Fallbeispiel – von verschiedenen Systemen geschützt: UV- und Infrarot-Adhäsionsfolien, Schutzgläser, Screens sowie spezielle Verglasungen filtern das Licht, bevor es auf die Oberflächen trifft. Präzise Messgeräte erfassen dazu Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Beleuchtungsstärke. Parallel führt das Fraunhofer-Institut für Bauphysik Laborversuche durch. So können die Praxisergebnisse mit systematischen Messwerten abgeglichen und Einflüsse wie Sonnenstand, Himmelsrichtung oder Abstand zur Lichtquelle berücksichtigt werden.

„Mit dem Klimawandel stehen die durch Strahlung verursachten Schadmechanismen in der Restau-rierungswissenschaft immer mehr im Fokus“, sagt Paul Bellendorf. Ziel des Vorhabens ist es daher, verlässliche Strategien zu entwickeln, mit denen empfindliche Ausstattungen in Denkmälern dauerhaft vor Sonneneinstrahlung und steigenden Temperaturen geschützt werden können. Erstmals entsteht damit eine fundierte Einschätzung denkmalgerechter Lichtschutzmaßnahmen.

Laut DBU-Fachreferentin Constanze Fuhrmann stehen Lichtschutzsysteme in der Denkmalpflege in Zeiten des Klimawandels immer mehr im Fokus der Forschung. Neben dem BLfD und dem KDWT gehören auch das Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP, das Institut für Diagnostik und Konservierung an Denkmalen in Sachsen und Sachsen-Anhalt, die Bayerische Schlösserverwaltung, die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz und das Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart zum Projektkonsortium.

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Seite 172816, aktualisiert 18.09.2025