Prof. Dr. Frank Schiemann hat seit Anfang März den Lehrstuhl für BWL, insbesondere Controlling, an der Universität Bamberg inne. In seiner Forschung sowie der Lehre steht vor allem die Nachhaltigkeits-berichterstattung im Fokus. Nachhaltigkeitsberichte stellen die Tätigkeiten und Leistungen von Unternehmen im Hinblick auf die nachhaltige Entwicklung dar und sind wichtiger Bestandteil der Informationspolitik sowie des Nachhaltigkeitsmanagements von Unternehmen. Was Frank Schiemann genau erforscht, welcher Weg ihn nach Bamberg geführt hat und warum man heute sein Fach studieren sollte, verrät er im Interview.
Sie sind seit Anfang März Professor für Controlling an der Universität Bamberg. Zu welchen Schwerpunkten forschen Sie?
Frank Schiemann: In meiner Forschung beschäftige ich mich vor allem mit Nachhaltigkeitscontrolling und Nachhaltigkeitsberichterstattung. Aktuell gibt es in der Gesetzgebung eine starke Entwicklung, dass Unternehmen immer mehr zu Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet werden. Anfang des Jahres kam beispielsweise auch die Kontroverse um die Taxonomie der Europäischen Union auf. Sie soll es Investoren ermöglichen, bewusst in klimafreundliche Technologien zu investieren, um die Klimaziele der EU zu erreichen. Trotz erheblicher Gegenargumente wurde Atom- und Gasenergie letztlich in der Taxonomie als nachhaltig eingestuft. Die öffentliche Debatte darüber zeigt die Bedeutung des Bereichs Sustainable Finance. Unabhängig von dieser Kontroverse stellt die Taxonomie Unternehmen vor Herausforderungen, weil neue Berichtspflichten auf sie zukommen. Das Interesse an Nachhaltigkeitsinformationen ist aber auch so schon sehr groß und betrifft auch kleine und mittelständische Unternehmen. So fragen zum Beispiel große DAX-Konzerne ihre Lieferanten, was sie denn alles zum Thema Nachhaltigkeit vorantreiben, sei es mit Bezug zu Umwelt, aber auch zu sozialen Themen. Dabei ist es für Unternehmen besonders herausfordernd, Nachhaltigkeit zu messen, aber auch auf verschiedenen Wegen glaubwürdig zu kommunizieren.
Können Sie von einem Ihrer Forschungsprojekte berichten?
Ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Projekt, das wir gerade zum Abschluss bringen, erforscht die Wirkung verpflichtender Klimaberichterstattung. Ganz konkret haben wir untersucht, ob die Verpflichtung zu klimabezogener Berichterstattung selbst schon einen Beitrag dazu leistet, dass Unternehmen ihre Treibhausgasemissionen tatsächlich verringern. Wir haben uns das anhand eines Datensatzes aus den USA angeschaut. Dort trat 2010 eine Verpflichtung in Kraft, die direkten Treibhausgasemissionen von großen Fabriken an die US-Umweltbehörde zu berichten. Dieses Berichtssystem ist aber nicht mit CO2-Preisen verknüpft. Allein die Einführung dieser verpflichtenden Berichterstattung hatte jedoch bereits signifikante Auswirkungen auf die Unternehmen, die davon betroffen waren. Diese haben ihre Emissionsintensität stärker verbessert als Vergleichsunternehmen. Zusätzlich haben wir im Rahmen des Projekts auch Interviews und Umfragen mit Kapitalmarktteilnehmern sowie Experimenten durchgeführt, um zu untersuchen, was etwa Manager dazu bringt, mehr in CO2-reduzierende Maßnahmen zu investieren. Dabei ist verpflichtende Berichterstattung definitiv ein Baustein. Weitere Bausteine sind etwa die Nachhaltigkeitsorientierung von Kapitalmarktteilnehmern. Wenn diese daran interessiert sind, wird das natürlich für Unternehmen auch wichtiger. Entscheidend ist außerdem, wie schnell sich eine Investition in Nachhaltigkeit auszahlt. Bei hohen CO2-Preisen macht sich eine Investition in CO2-reduzierende Maßnahmen natürlich schneller bezahlt als bei niedrigen Preisen.
Was würden Sie sagen, warum man heute Ihr Fach studieren sollte?
Zwei Gründe finde ich wichtig: Das eine ist, dass aus meiner Sicht das Fach Controlling im Kern der BWL liegt und sehr stark mit allen anderen Bereichen, wie dem externen Rechnungswesen, Finanzierung aber auch Marketing oder Personal verknüpft ist. Andererseits steht im Zentrum des Controllings immer das Messen und Steuern. Das wiederum verknüpft sich gut mit dem Nachhaltigkeitsthema, denn man kann mehr messen als nur finanzielle Werte. Unternehmen können auch im Bereich der Nachhaltigkeit Kennzahlen erheben, sich Ziele setzen und analysieren, wie sie diese Ziele wirtschaftlich ab besten erreichen können. Diese Verknüpfung ist auch für die Zukunft von mittelständischen und DAX-Unternehmen wichtig. Das zeigt: auch das Controlling kann und soll einen Beitrag zur Nachhaltigkeit, und somit zu einem gesamtgesellschaftlichen Thema, leisten.
Durch die Pandemie und den Ukraine-Krieg ist sind Themen mit Nachhaltigkeitsbezug, wie Klimawandel oder Biodiversitätskrise, zwar in den Hintergrund getreten, aber gelöst sind sie deshalb noch lange nicht. Aktuell sind Nachhaltigkeitscontrolling und Nachhaltigkeitsberichterstattung selten Teil eines BWL-Studiums. Es gibt aber eine große Nachfrage von Seiten der Unternehmen. Jedes DAX-Unternehmen hat und braucht inzwischen Experten zur Umsetzung von Nachhaltigkeitsberichterstattung. Dort sitzen derzeit meist Leute, die sich das selbst beigebracht haben. Es ist wichtig, dass wir Studierende dahingehend jetzt auch gezielt ausbilden.
Ihr Wissen über Nachhaltigkeitsberichterstattung haben Sie vorher in Hamburg an die Studierenden weitergegeben. Welcher Weg hat Sie nach Bamberg geführt?
Ich habe zunächst Wirtschaftsingenieurwesen an der TU Dresden studiert. Dort wurde bei mir die Leidenschaft für die Forschung geweckt, aber auch für den Bereich Rechnungswesen im Allgemeinen. Zum Ende des Studiums hat sich die Möglichkeit ergeben, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Controlling-Lehrstuhl zu werden. Diese Chance habe ich genutzt und dort für fünf Jahre gearbeitet und meine Promotion abgeschlossen. Anschließend habe ich die Entscheidung getroffen weiterhin in der Forschung bleiben zu wollen und mich auf eine Juniorprofessur an der Universität Hamburg beworben, die ich 2012 angetreten habe. Das war die erste Juniorprofessur mit einer Tenure Track Option in Hamburg und somit für alle recht aufregend, weil die Prozesse zur Evaluierung von Tenure Track-Professuren erst noch aufgebaut wurden. Seit 2018 hatte ich dann die Professur für Unternehmensrechnung inne. Und von dort aus bin ich direkt nach Bamberg gekommen.
Wie war Ihr erster Eindruck von Bamberg?
Tatsächlich war ich für das Vorstellungsgespräch 2020 zum ersten Mal in Bamberg. Ich hatte erst ein bisschen Bedenken, weil Bamberg doch bedeutend kleiner ist als Hamburg. Aber obwohl mein Besuch damals in Corona-Zeiten war, habe ich trotzdem sofort diesen Studentenstadt-Flair wahrgenommen und das quirlige Internationale. Das schätze ich sehr und freue mich auf meine Zeit hier.
Vielen Dank für das Interview!