Prof. Dr. Miriam Marleen Gebauer ist seit dem Sommersemester 2022 an der Universität Bamberg und hat den Lehrstuhl für Schulpädagogik inne. Ursprünglich kommt sie aus dem Ruhrgebiet, wo sie lange Jahre am Institut für Schulentwicklungsforschung tätig war. Aktuell macht ihr ein Projekt besonders viel Spaß: Sie entwickelt gemeinsam mit anderen Forscher*innen ein Computerspiel, das die Klassenführungskompetenz von Lehramtsstudierenden fördern soll. Im Interview verrät sie außerdem, was ihr in der Lehre besonders wichtig ist und warum man aus ihrer Sicht heute Lehramt studieren sollte.
Sie sind jetzt schon eine Weile in Bamberg. Welcher Weg hat Sie hierhergeführt?
Miriam Marleen Gebauer: Ich habe viele Jahre am Institut für Schulentwicklungsforschung an der TU Dortmund gearbeitet. Über eine Praktikantenstelle und eine Stelle als studentische Hilfskraft bin ich zu einer Doktorandenstelle gekommen. Anschließend war ich als akademische Rätin und Oberrätin tätig und habe zwischenzeitlich eine Professurvertretung in München übernommen. In den vergangenen Jahren habe ich mich bereits aktiv an der Lehrerinnen- und Lehrerbildung in Dortmund beteiligt. Wir haben dort die mündlichen Prüfungen am Ende des Studiums abgenommen und ich habe Lehre im Bereich „Schule, Unterricht und Profession“ angeboten. Ursprünglich habe ich Erziehungswissenschaften studiert und mich in dem Bereich auch habilitiert. In der Habilitation lege ich einen besonderen Schwerpunkt auf die empirische Bildungsforschung, weil ich vor allem analytisch, empirisch, quantitativ arbeite.
Zu welchen Schwerpunkten forschen Sie hier?
Ich beschäftige mich mit der professionellen Handlungskompetenz von Lehrkräften. Und innerhalb dessen hauptsächlich mit der Selbstwirksamkeit sowie den Einstellungen und Überzeugungen von Lehrkräften und welche Bedeutung diese für das Unterrichten von diversen Schülergruppen haben. Außerdem interessieren mich Schülermerkmale wie etwa die Selbstwirksamkeit. Dafür habe ich ein Instrument zur Erfassung der sogenannten „Quellen der Selbstwirksamkeit“ entwickelt und konnte zeigen, dass man diese Quellen unter Berücksichtigung der sozialen Herkunft – insbesondere des Migrationshintergrundes – der Schüler*innen erfassen sollte, weil es da große Unterschiede gibt.
Können Sie von einem Forschungsprojekt berichten?
Ein Projekt macht mir Momentan besonders viel Spaß: Wir haben ein sogenanntes „Serious Educational Game“ entwickelt. Also ein Computerspiel, in dem angehende Lehrkräfte das Klassenmanagement erlernen sollen. Das Spiel ist in der Ich-Perspektive und die Studierenden befinden sich in einem Klassenzimmer. Dort sind sie mit verschiedenen Situationen konfrontiert: Zum Beispiel kommen die Kinder in den Klassenraum und man muss sie begrüßen, die Kinder stören den Unterricht oder befinden sich in Einzel- oder Gruppenarbeit. Klassenführungskompetenz setzt sich aus mehreren Aspekten zusammen. Das große Ziel ist es, die größtmögliche Lernzeit zu erreichen. Dafür müssen die Lehrkräfte Verhalten regulieren, Störungen reduzieren, aber auch unterschiedliche Lernformate anbieten.
Was macht Ihnen bei dem Projekt besonders Spaß?
Mir hat am meisten Spaß gemacht, die Szenen zu entwickeln, weil wir dabei so kreativ sein konnten. Wir haben uns natürlich an existierendem Videomaterial orientiert. Es gibt inzwischen viel Videomaterial, das auch für die Lehre genutzt wird oder in anderen wissenschaftlichen Kontexten. Aber das in ein Drama umzuformulieren, ist ganz anders als meine „normalen“ Studien, die immer nach einem ähnlichen Schema ablaufen, auch wenn sie unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte haben.
Wann wird das Spiel fertig sein und was sind die nächsten Schritte?
Die Programmierung läuft gerade und ich hoffe, dass wir kommendes Semester schon mit einer Betaversion arbeiten können. Wenn das Spiel einsatzbereit ist, möchte ich überprüfen, ob Studierende dadurch tatsächlich Klassenführungskompetenz erwerben können. In einem Prä-Post-Design möchte ich drei Gruppen bilden. Eine Gruppe arbeitet ausschließlich mit dem Spiel, eine weitere Gruppe nutzt ebenfalls das Spiel und erhält zusätzliche Informationen über Klassenführung. Eine dritte Gruppe besucht nur ein Seminar zu Klassenführung. Es wäre natürlich schön, wenn die Gruppe, die das Spiel und die zusätzlichen Informationen zur Verfügung gestellt bekommt, den höchsten Lernzuwachs erreicht.
Warum sollte man heute Lehramt studieren?
Meiner Meinung nach ist das ein ganz, ganz wichtiger Beruf, der leider manchmal unterbewertet wird. Lehrer*innen sind zentrale Schlüsselakteure der Gesellschaft, denn sie haben die Verantwortung, die nachfolgenden Generationen mit Wissen auszustatten und sie zu einer selbstbestimmten Teilhabe in der Gesellschaft anzuleiten. Gleichzeitig übernehmen Lehrkräfte einen Teil der Erziehung und vermitteln Werte.
Wie hat sich der Lehrberuf in den vergangenen Jahren verändert? Gibt es Herausforderungen, mit denen angehende Lehrer*innen konfrontiert sind?
Schulen sind von der schnell voranschreitenden Technologisierung betroffen. Das kann den Alltag der Lehrkräfte in vielerlei Hinsicht erleichtern, etwa durch digitale Lernplattformen oder dadurch, dass Zeugnisse nicht mehr händisch ausgestellt werden müssen. Andererseits müssen die Lehrkräfte Schüler*innen auf eine zunehmend digitalisierte Welt vorbereiten. In den vergangenen Jahren hätte sich der Lehrberuf viel stärker verändern können. Dafür müsste aber die bildungsadministrative und politische Seite mehr unterstützen als es derzeit der Fall ist. Zum Beispiel müssten kleinere Klassen ermöglicht werden oder eine vernünftige digitale Ausstattung inklusive einer IT-Administration zur Verfügung gestellt werden. Die Schwächen haben sich in der Pandemie besonders stark offenbart.
Was hat das für Auswirkungen?
Ich könnte mir vorstellen, dass wir vermutlich einen Corona Gap in den Leistungsdaten der Schülerinnen und Schüler sehen, bei denen wir sowieso schon ungleiche und benachteiligende Bildungsteilhabe sehen. Und ich vermute, dass Schüler*innen, die aus privilegierten und bildungsnahen Elternhäusern kommen, möglicherweise sogar noch einen Vorteil hatten, wenn Sie von ihren Eltern intensiv betreut wurden.
Kann man das noch auffangen?
Das müssen wir schaffen. Die Kultusministerien haben schon große Finanzspritzen angekündigt. Aber das muss man dann auch sinnvoll an den Schulen einsetzen. Dafür braucht es Konzepte und eine gute Begleitung der Schulen.
Was ist Ihnen in der Lehre besonders wichtig?
Mein Auftrag ist es, angehende Lehrkräfte bestmöglich auf den Berufsalltag vorzubereiten und mit all dem Wissen auszustatten, das ein gutes Fundament für die erfolgreiche Bewältigung des Alltags sein kann. Das fängt bei gutem didaktischem Wissen und Fachwissen an und schließt pädagogisches Wissen ein. Die Studierenden lernen, wie Unterricht gestaltet werden sollte, wie er geplant und organisiert wird. Gleichzeitig gestalten Lehrkräfte die Schule, in der sie tätig sind. Schulen sind immer wieder gesellschaftlichen Veränderungen ausgesetzt. Zum Beispiel geht es um Migrationsbewegungen, die zu mehr Diversität in den Klassen führen oder um Bildungsreformen, die immer wieder auf die Lehrkräfte zukommen werden. Darauf müssen die Studierenden gut vorbereitet werden und schon im Studium Maßnahmen erlernen, wie sie Schule als Organisation, den Unterricht und auch sich selbst weiterentwickeln können. Insgesamt lege ich Wert darauf, dass die Studierenden sich für den Beruf gut vorbereitet fühlen und sich als problemlösungsorientierte Menschen verstehen. Ich möchte ihnen eine unterstützende Haltung entgegenbringen, die sie dann auch an ihre Schüler*innen weitergeben.
Vielen Dank für das Interview!