Im Interview: Neuer Professor für Digital Work

Gerit Wagners Forschungsschwerpunkte betreffen fast alle Menschen

Portrait von Gerit Wagner
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  • 02.02.2023
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  • Hannah Fischer
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  • Lesedauer: 6 Minuten

Aus Regensburg über Montreal nach Bamberg: Prof. Dr. Gerit Wagner ist seit Oktober 2022 Juniorprofessor für Wirtschaftsinformatik, insbesondere Digital Work, an der Universität Bamberg. Damit ist er einer der neuen Professor*innen, die derzeit die Fakultät für Wirtschaftsinformatik und Angewandte Informatik (WIAI) rund auf das Doppelte anwachsen lassen. Für Gerit Wagner bedeutet das auch, dass die Otto-Friedrich-Universität deutschlandweit inzwischen eine Spitzenposition in Sachen Informatik und Wirtschaftsinformatik einnimmt. Mit welchen Forschungsschwerpunkten er die Universität bereichern wird, weshalb diese fast alle Menschen betreffen und warum es ihm so viel Spaß macht, Studierende bei wissenschaftlichen Abschlussarbeiten zu betreuen, erzählt er im Interview.

Lieber Herr Wagner, welcher Weg hat Sie nach Bamberg geführt?

Gerit Wagner: In Regensburg habe ich Wirtschaftsinformatik sowohl im Bachelor als auch im Master studiert und anschließend dort promoviert. Für die Post-Doc-Phase war ich an der HEC Montreal in Kanada im Team von Professor Guy Paré, der eine Koryphäe auf dem Gebiet Digital Health ist. Ihn habe ich auf meiner allerersten Konferenz kennengelernt. Die zweieinhalb Jahre in Montreal waren eine sehr inspirierende, aber auch intensive Zeit für mich. 

Inwiefern unterscheidet sich denn die Arbeit an einer kanadischen Universität von der an einer deutschen?

Das nordamerikanische System ist anders aufgestellt und Doktorand*innen gehen häufiger in die Forschung. Außerdem ist das System viel stärker auf internationale Spitzenforschung ausgerichtet. Das merkt man auch an den Veranstaltungen. Wir hatten zum Beispiel ein Kolloquium, zu dem äußerst renommierte internationale Forschende eingeladen wurden und Vorträge hielten. Das kenne ich aus Deutschland in der Form nicht. Für mich war es sehr spannend die Leute zu treffen, die ich sonst nur in Arbeiten zitiert hatte. 

War für Sie schon früh klar, dass Sie eine wissenschaftliche Laufbahn anstreben?

Auf die Frage „Was willst du mal werden?“ konnte ich viele Jahre keine klare Antwort geben. Ein konkreter Berufswunsch hat sich bei mir erst mit der Zeit ergeben. Ursprünglich bin ich wegen des Sports nach Regensburg gegangen. Ich bin etwas ambitionierter Mittel- und Langstrecken gelaufen und habe mich für Regensburg entschieden, weil es dort eine sehr starke Trainingsgruppe gibt. Mit jeder Hiwi-Stelle, die mir an der Universität angeboten wurde, bin ich aber mehr in den Wissenschaftsbetrieb hineingewachsen und es hat sich irgendwann eine Vorstellung davon entwickelt, was man in der Forschung so macht und, dass das eigentlich eine ganz spannende Arbeit ist. 

Sie haben Wirtschaftsinformatik studiert und in dem Bereich auch promoviert. Wo liegen jetzt Ihre Forschungsschwerpunkte?

Bisher habe ich mich vor allem mit digitalen Plattformen zum Outsourcing von wissensintensiver Arbeit, also der Ausgliederung einzelner Aufgaben, beschäftigt. Dabei kann es sich zum Beispiel um Programmierarbeiten oder um Layouttätigkeiten handeln. Ich habe mir insbesondere Fragen der Prozessgestaltung und des Managements solcher Plattformen angeschaut. Eine Frage ist etwa, wie man die Plattformen möglichst effektiv nutzt, wenn man auf diese Art Arbeit auslagern möchte. Aus dieser Perspektive stelle ich meine Forschung gerade breiter auf. Es geht zum Beispiel um Digital Work im Team. Vor allem seit der Pandemie betrifft das sehr viele Personen, die sich neu einrichten müssen. Ich denke, dass die Forschung zu dem Thema ganz viele Ansatzpunkte liefern kann, praktische Tipps an die Leute weitergeben zu können, wie man die Arbeit im Team in Remote-Settings möglichst gut organisiert. Der nächste Schritt ist konsequenterweise auch, sich die digitale Arbeit im individuellen Format anzuschauen. Hier gibt es ebenfalls viele Herausforderungen: Wie gehe ich mit Ablenkungen um, wie organisiere ich meine Zeit und den Informationsfluss? Es gibt schon viele interessante Ansätze, insbesondere auch aus der populärwissenschaftlichen Literatur. Ich möchte das gerne evidenzbasierter angehen. 

Können Sie von einem konkreten Forschungsprojekt berichten?

In einem Forschungsprojekt in Montreal habe ich mich vor allem mit Digital Health beschäftigt. In einer Metaanalyse haben wir die Effektivität von Fitness-Trackern, insbesondere von FitBit-Geräten, untersucht. Zu diesem Zweck haben wir verschiedene klinische Studien analysiert. Es hat sich gezeigt, dass die Studienergebnisse nicht einfach aggregiert werden können, weil sie viele verschiedene Interventionskomponenten kombinieren. Häufig wird die Anwendung des Trackers nämlich verbunden mit Gruppentherapie, Ernährungsberatung und zahlreichen weiteren medizinischen Interventionen. Aus wissenschaftlicher Perspektive ist es dann schwierig zu sagen, welchen Einfluss der Tracker tatsächlich hat. Zusätzlich zu der Metaanalyse haben wir mit der sogenannten Qualitative Comparative Analysis auf eine innovative Analyse gesetzt, um facettenreicher aufzeigen zu können, in welchen Kontexten die Fitness-Tracker unterschiedliche Effekte haben und wo sie vielleicht auch mit anderen Interventionen kombiniert verwendet werden müssen. 

Wollen Sie sich auch in Bamberg mehr mit Digital Health beschäftigen?

Ja, Digital Health wird auch ein Thema sein. Eine wichtige Fragestellung ist zum Beispiel, wie man die Mediziner*innen darauf vorbereitet, etwa mit der Unterstützung durch Künstliche Intelligenz umzugehen. Denn das wird das Berufsbild in Zukunft stark verändern. Dazu haben wir bereits Studien aufgesetzt und die Projekte schaffen auch den Übergang nach Bamberg.

Das sind alles hochaktuelle Themen. Trotzdem die Frage: Warum sollte man sich heute für Ihr Fach interessieren?

Wirtschaftsinformatik integriert zwei wichtige Perspektiven: eine technische und eine betriebswirtschaftliche. Dementsprechend haben Studierende nach dem Studium das Rüstzeug, verschiedenste Themen in Unternehmen konkret umzusetzen, Technologien einzuführen und zu begleiten. Wenn man an einer Karriere in der Forschung interessiert ist, gibt es meiner Meinung nach momentan kaum bessere Standorte als Bamberg, um zu studieren – zumindest innerhalb Europas. Durch die Besetzung der zahlreichen neuen Professuren im Informatik-Bereich nimmt Bamberg inzwischen eine Spitzenposition ein. 

Speziell zum Thema Digital Work: Das betrifft ja eigentlich inzwischen fast jeden und jede. Sogar Berufe, die vor der Pandemie kaum digitalisiert waren, mussten relativ schnell auf Remote-Arbeit umgestellt werden. Und ich denke, dass wir in dem Zuge gesehen haben, dass es dabei Probleme und Herausforderungen gibt. Idealerweise haben die Studierenden, wenn sie aus unseren Kursen herausgehen, selbst Methoden an der Hand, wie sie sich bei Remote-Arbeit organisieren, wie sie mit Ablenkung und Stress umgehen.

Haben Sie vielleicht auch für die Leser*innen einen Tipp für die digitale Arbeit im Team? 

Wenn man remote arbeitet, ist oft das Potential für Konflikte gegeben. Insbesondere die E-Mail ist ein neuralgisches Medium. Hier kann schnell viel schiefgehen. Bei kritischen Themen auch mal zum Telefon zu greifen oder eine E-Mail vor dem Absenden noch fünf Minuten liegenzulassen, wäre ein Tipp, den ich geben würde. Das kann im Zweifel viel Ärger ersparen. 

Und zum Abschluss: Was ist Ihnen in der Lehre besonders wichtig?

Bei der Vorbereitung der Vorlesungsinhalte ist meine Zielstellung immer, dass die Studierenden vor allem Methoden und Techniken mitnehmen, die sie im Berufsleben später gut gebrauchen und umsetzen können. Außerdem macht es mir sehr viel Spaß Studierende bei den ersten wissenschaftlichen Arbeiten zu begleiten und zu betreuen. In Regensburg hatten wir die glückliche Situation ein paar extrem engagierte Studierende zu haben, sodass einige Abschlussarbeiten auch als wissenschaftliche Paper veröffentlicht werden konnten und die Studierenden Auszeichnungen bekommen haben. Ich denke, dass es als Student oder Studentin schön ist, wenn man sagen kann, dass aus der eigenen Bachelorarbeit etwas im Rahmen einer Konferenz publiziert wurde.

Vielen Dank für das Interview!
 

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Seite 156044, aktualisiert 03.02.2023