Humboldt-Stipendiatinnen in Bamberg

Als Henriette Herz-Scout hat Peter Riedlberger drei internationale Wissenschaftlerinnen in die Welterbestadt geholt

  • Menschen
  •  
  • 29.07.2024
  •  
  • Hannah Fischer
  •  
  • Lesedauer: 8 Minuten

Sie forschen zur römischen Provinzialverwaltung, zur Rhetorik in der Römerzeit oder zu spätantiken Briefen. Prof. Dr. Dr. Dr. Peter Riedlberger (im Titelbild 2.v.r.), Inhaber der Professur für Geschichte und Kultur der Spätantike an der Universität Bamberg, holt drei Humboldt-Stipendiatinnen nach Bamberg (im Titelbild v.l.n.r.): Dr. Pauline Cuzel, Dr. Julie Dainville und Dr. Madalina Toca. Wie es dazu kommt? – Im Mai 2022 wählte die Alexander von Humboldt-Stiftung Peter Riedlberger als sogenannten Scout im Henriette Herz-Scouting-Programm aus. Humboldt-Forschungsstipendien erlauben es internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ab der Promotion für maximal 24 Monate ein Forschungsprojekt an einer deutschen Institution durchzuführen. „Als Scout habe ich die Möglichkeit, vielversprechende Personen für drei Humboldt-Stipendien vorzuschlagen. Die Stiftung prüft, ob die formalen Voraussetzungen stimmen“, erläutert Riedlberger. Die Wahl des Scouts trete also weitgehend an die Stelle der Bewerbung der jungen Postdocs. Hintergrund sei, dass die Alexander von Humboldt-Stiftung mehr Stipendien an exzellente Personen vergeben möchte, die sich aus unterschiedlichen Gründen nicht selbst bewerben würden und daher aktiv angesprochen werden müssen.

Nicht nur für die internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bietet das Stipendium einen Mehrwert: „Ich selbst profitiere ebenfalls enorm vom Austausch mit ausländischen Wissenschaftskulturen“, sagt Riedlberger. Prof. Dr. Sabine Vogt, Vizepräsidentin für Diversität und Internationales, ergänzt: „Ausländische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die durch Humboldt-Stipendien oder etwa auch durch Gastprofessuren zu uns nach Bamberg kommen, spielen eine wichtige Rolle bei der Internationalisierung unserer Universität. Sie bringen nicht nur wertvolles Wissen und Perspektiven aus aller Welt mit, sondern fördern auch den interkulturellen Austausch und die Zusammenarbeit. Das ist eine große Bereicherung im Hinblick auf die internationale Vernetzung unserer Universität – nicht zuletzt auch im Sinne des aktuellen Hochschulvertrags, in dem die Internationalisierung als eigenes Handlungsfeld hervorgehoben wird.“

Hier stellen sich die drei Stipendiatinnen mit ihren Forschungsthemen vor:

Dr. Pauline Cuzel, Humboldt-Stipendiatin seit November 2023:

Was hat Sie motiviert, das Angebot eines Humboldt-Stipendiums anzunehmen?

Deutschland ist eines der führenden Länder in der Forschung zur römischen Provinzialverwaltung. Auch sind die Bedingungen eines Humboldt-Stipendiums sehr attraktiv. Im Rahmen des Humboldt-Stipendiums bin ich in der glücklichen Lage, mich ganz auf die Forschung konzentrieren zu können, und selbstverständlich ist es zudem ein Glanzpunkt im Lebenslauf.

Können Sie uns einen Überblick über Ihr aktuelles Forschungsprojekt geben?

Mit meinem derzeitigen Forschungsprojekt will ich einen Beitrag zum Verständnis der römischen Verwaltung leisten. Es geht mir dabei um die niederen Beamten, Soldaten, kaiserliche Sklaven und Freigelassene, die in der tagtäglichen Verwaltung eine entscheidende Rolle spielten. In den allermeisten Quellen finden sie aber kaum Beachtung. Ich bin Co-Leiterin eines französisch-tunesischen Projekts, das eine Neupublikation der 950 Inschriften aus der Nekropole der Officiales in Karthago im heutigen Tunesien durchführt. Außerhalb der Stadtmauern liegen mehr als 1.200 Beamte begraben, die zwischen dem 1. und 3. Jahrhundert n. Chr. im Dienst der Provinz standen – ein ganz einzigartiges Quellenensemble.

Welchen Beitrag hoffen Sie durch Ihre Forschung und Ihre Zeit als Humboldt-Stipendiatin zur Wissenschaft zu leisten?

Die Zeit als Humboldt-Stipendiatin gibt mir Gelegenheit, meine Forschungen über Karthago zu vertiefen. Mir stehen ideale Bedingungen zur Nutzung von Archiven mit Grabungsaufzeichnungen in verschiedenen europäischen Ländern zur Verfügung. Mein Ziel ist es, erstens eine Neupublikation der Inschriften durchzuführen und zweitens diese in einer Studie auszuwerten. Diese Arbeit soll einen Beitrag leisten, um die Verwaltung der römischen Provinzen besser zu verstehen. Auch möchte ich mich mit weiteren interessierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern international vernetzen, die sich für die Nutzung von Archivmaterial zu früheren Grabungen interessieren. Am Ende soll eine Digital-Humanities-Initiative stehen, durch die man mit einem Klick nachsehen kann, in welchen Archiven sich Materialien zu den Grabungen in den diversen Sites von Nordafrika finden – das wäre eine extrem nützliche Ressource für die Community.

Wie haben Sie Ihre Zeit als Humboldt-Stipendiatin bisher erlebt?

Ich habe mich sofort in das Leben hier in Bamberg verliebt, auch wenn es eine echte Herausforderung war, Deutsch von Grund auf zu lernen. Dank der Humboldt-Stiftung konnte ich zunächst einen zweimonatigen Intensivsprachkurs besucht. Auch wenn ich manchmal noch lustige Missverständnisse erlebe, macht es mir Spaß, Deutsch zu lernen. Es ist eine wunderbare Erfahrung, als Stipendiatin im Bamberger Team zu arbeiten und intensiv gefördert zu werden –  sowohl wissenschaftlich als auch materiell. Bisher konnte ich so an verschiedenen Konferenzen im Ausland teilnehmen und im vergangenen November einen fast einmonatigen Forschungsaufenthalt in Tunesien durchführen.

Dr. Madalina Toca, tritt ihr Humboldt-Stipendium im Februar 2025 an:

Was hat Sie motiviert, das Angebot eines Humboldt Stipendiums anzunehmen?

Was mich dazu bewogen hat, das Angebot eines Humboldt-Stipendiums anzunehmen, ist nicht nur das Prestige der Stipendien, sondern auch das hervorragende akademische Umfeld in Bamberg. Außerdem kommt es zum perfekten Zeitpunkt in meiner Karriere, denn ich werde damit beginnen, Anträge für größere Projekte vorzubereiten, und die Expertise von Peter Riedlberger wird in dieser Hinsicht ein exzellentes Mentoring-Setting sein.

Können Sie uns einen Überblick geben, wozu Sie forschen?

Ich interessiere mich für spätantike Epistolographie und habe eine Dissertation über die Briefsammlung des Isidor von Pelusium geschrieben. Für das Humboldt-Programm habe ich mich entschieden, ein Projekt über die Aufnahme von Briefen griechischer spätantiker Autoren in syrische kanonische Sammlungen zu entwickeln. Kurz gesagt, untersuche ich, wie griechische Briefe in westsyrischen Kontexten als kirchliche Kanones verwendet wurden.

Welchen Beitrag hoffen Sie durch Ihre Forschung und Ihre Zeit als Humboldt-Stipendiatin zur Wissenschaft zu leisten?

Ich hoffe, dass meine Forschung Licht auf die gegenseitige Befruchtung zweier Handschriftentraditionen – Griechisch und Syrisch – werfen wird und auch denjenigen von Nutzen sein wird, die sich im weiteren Sinne mit Patristik, Epistolographie und Kirchenrecht beschäftigen.

Dr. Julie Dainville, Humboldt-Stipendiatin seit April 2023

Was hat Sie motiviert, das Angebot eines Humboldt-Stipendiums anzunehmen?

Internationale Erfahrungen sind für die wissenschaftliche Laufbahn sehr wichtig, und die Humboldt-Stipendien genießen in der akademischen Welt ein hohes Ansehen. Außerdem ist Deutschland ein wichtiger Wissenschaftsstandort im Bereich der Klassischen Philologie und der Alten Geschichte. Nicht zuletzt bietet die Professur für Geschichte und Kultur der Spätantike an der Universität Bamberg ein hervorragendes wissenschaftliches Umfeld.

Können Sie uns einen Überblick über Ihr aktuelles Forschungsprojekt geben?

Ich untersuche, wie Rhetorik in Ägypten während der Römerzeit im 1.-4. Jahrhundert n. Chr. theoretisiert und gelehrt wurde. Rhetorik – die Kunst der Überzeugung und des öffentlichen Redens – war zu dieser Zeit ein wichtiger Bestandteil des Lehrplans der höheren Schulen und ist dadurch gut dokumentiert. Auch wenn dieses Material umfangreich erhalten ist, so ist es doch über die Jahrhunderte hinweg durch das Ergebnis von Auswahlprozessen gefiltert. Mein Projekt zielt darauf ab, ein konkreteres und realistischeres Verständnis des rhetorischen Unterrichts im Römischen Reich durch die Analyse sogenannter rhetorischer Papyri zu erlangen. Diese Dokumente wurden erst im 19. und 20. Jahrhundert durch Ausgrabungen wiederentdeckt. Da sie somit nicht der mittelalterlichen Textüberlieferung unterlagen, geben sie uns Einblick in frühere Stadien oder alternative Strömungen der rhetorischen Lehre, die ansonsten verborgen geblieben wären.

Welchen Beitrag hoffen Sie durch Ihre Forschung und Ihre Zeit als Humboldt-Stipendiatin zur Wissenschaft zu leisten?

Ich hoffe, dass mein Projekt unser Wissen darüber erweitern kann, wie Rhetorik gelehrt und praktiziert wurde, wie entsprechende Theorien im Römischen Reich in Umlauf gebracht und weiterentwickelt wurden und, in einem größeren Rahmen, wie dies wertvolle Informationen über das Bildungssystem selbst liefern kann. Darüber hinaus könnte mein Projekt auch für Initiativen von Interesse sein, die darauf abzielen, rhetorische Übungen für unsere heutige Gesellschaft neu zu konzipieren – ein Trend, der seit einigen Jahren in Europa aufblüht.

Wie haben Sie Ihre Zeit als Humboldt-Stipendiatin bisher erlebt?

Der Aufenthalt in einem fremden Land ist immer ein Abenteuer: Eine Wohnung zu finden, die Sprache zu lernen und neue Leute kennenzulernen, ist normalerweise nicht einfach. Neben der Unterstützung durch die Humboldt-Stiftung hatte ich das Glück, von meinem Betreuer und meinen Kolleginnen und Kollegen herzlich aufgenommen zu werden. Außerdem konnte ich mich auf die freundliche Unterstützung des Welcome Centers der Universität Bamberg verlassen. Ich bin vor 15 Monaten in Bamberg angekommen und habe meine Entscheidung nicht eine Sekunde bereut.

Weitere Humboldt-Stipendiatinnen und -Stipendiaten an der Universität Bamberg

Neben den drei Stipendiatinnen, die über das Scouting-Programm nach Bamberg kommen beziehungsweise gekommen sind, forschen aktuell vier weitere Personen im Rahmen eines Humboldt-Stipendiums in der Welterbestadt:

  • Prof. Dr. Susan Mbula Kilonzo von 1. September 2023 bis 31. Januar 2026 am Lehrstuhl für Neutestamentliche Wissenschaften von Prof. Dr. Joachim Kügler
  • Dr. Louis Ndekha von 1. September 2022 bis 31. August 2024 am Lehrstuhl für Neutestamentliche Wissenschaften von Prof. Dr. Joachim Kügler
  • Dr. Mmapula Diana Kebaneilwe von 1. Mai 2022 bis 31. August 2024 am Lehrstuhl für Neutestamentliche Wissenschaften von Prof. Joachim Kügler
  • Dr. Khegan Marcel Delport von 1. Mai 2024 bis 31. März 2025 am Lehrstuhl für Systematische Theologie und theologische Gegenwartsfragen von Prof. Dr. Thomas Wabel
nach oben
Seite 166650, aktualisiert 29.07.2024