Prof. Dr. Kai Fischbach hat im Oktober 2020 sein Amt als Präsident der Universität Bamberg angetreten und mehr als die Hälfte seiner insgesamt sechs Jahre dauernden Amtszeit absolviert. Im ersten von insgesamt zwei Interviews (hier geht's zum zweiten Teil) spricht er über bisherige Entwicklungen, Errungenschaften und das Bamberger Erfolgsgeheimnis.
Sie sind jetzt drei Jahre im Amt. Wie bewerten Sie diese Zeit?
Kai Fischbach: Wir sind mit der neuen Universitätsleitung inmitten der Corona-Pandemie gestartet, deren Folgen sich bis heute auswirken. Etwa zeitgleich hat ein anspruchsvoller hochschulpolitischer und personeller Transformationsprozess begonnen, der noch einige Zeit andauern wird. Das Bayerische Hochschulinnovationsgesetz, die neue Rahmenvereinbarung und der neue Hochschulvertrag gehen mit veränderten Erwartungen, Aufgaben und Strukturen einher, auf die wir uns rasch einstellen mussten. Gestiegene Energie- und Bauunterhaltskosten haben zudem den finanziellen Druck erhöht. Gleichzeitig wächst die Universität dank der Hightech Agenda Bayern in einigen Bereichen kräftig. Inmitten dieser herausfordernden Entwicklungen haben wir es auf bemerkenswerte Weise geschafft, nicht nur zu reagieren, sondern aktiv zu gestalten.
Was meinen Sie damit? Können Sie Beispiele nennen?
Wir haben die neuen Kolleginnen und Kollegen rasch integriert. Es ist uns dabei gelungen, die kollegiale und freundliche Atmosphäre der Universität trotz umfangreicher personeller Veränderungen aufrechtzuerhalten. Wir haben in den Themenfeldern gendersensible Forschung und Gesundheitsforschung zwei neue wichtige Profilinitiativen etabliert. Eine dritte, Mensch und Umwelt, ist im Entstehen begriffen. Darüber hinaus haben die Fakultäten, der Senat, der Universitätsrat, die Verwaltung und die Universitätsleitung in einem bemerkenswert konstruktiven und fruchtbaren Prozess zwei Leitbilder für die Bereiche Lehre und Nachhaltigkeit sowie fünf Strategien (für die Bereiche Forschung, Diversity, Internationalisierung, Transfer und Weiterbildung) verabschiedet und damit eine gemeinsame Vision unserer Universität entworfen. Darauf können wir sehr stolz sein.
Sie sprechen im Plural, obwohl es um Ihre persönliche Amtszeit geht?
Ja, ich werde nicht müde, immer wieder hervorzuheben, dass mir das „Wir“ sehr wichtig ist. Universität ist ein Gemeinschaftswerk. Und da sind wir in Bamberg besonders stark. Das gute Miteinander, die hohe Bereitschaft der Universitätsmitglieder, sich auf die Belange, Wünsche und Situation der anderen einzulassen, halte ich nach wie vor für ein besonderes Wesensmerkmal unserer Universität. Wir pflegen einen offenen, freundlichen und kritischen Austausch, der uns hilft, gemeinsam gute Entscheidungen zu treffen und Veränderungsprozesse konstruktiv zu bewältigen.
Warum ist Ihnen ein partizipativer Führungsstil wichtig?
In meiner Rolle als Präsident kann ich initiieren, wie zum Beispiel die Profilinitiative Gesundheit. Als Universitätsleitung können wir gestalten und koordinieren, wie zum Beispiel die Entstehung der Leitbilder und Strategiepapiere – oder Schwerpunkte setzen, wie zum Beispiel beim Profilbildungsprozess. Aber nur im Zusammenwirken aller kann Universität gelingen. Es ist essenziell, bei relevanten Entscheidungen und Entwicklungen die jeweils beteiligten Fakultäten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des wissenschaftsstützenden Bereichs und die Studierenden einzubinden. Deren Perspektiven müssen gehört und abgewogen werden. Unsere Universität ist voller kluger Köpfe. Es wäre fatal, auf deren Mitwirkung zu verzichten.
Sie sprachen eingangs die Corona-Pandemie an. Können Sie weiter ausführen, welche Implikationen diese hatte und hat?
Der Transformationsprozess und die Gestaltung der politischen Rahmenbedingungen fanden vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie statt. Die Rahmenbedingungen für unsere Arbeit haben sich dadurch über Nacht völlig verändert. Jede einzelne Lehr- und Verwaltungseinheit hatte über den reinen Mehraufwand durch die beiden an sich schon großen Sachprojekte hinaus die Aufgabe, auf diese unberechenbare Situation zu reagieren. Strukturen, Prozesse, der gesamte Universitätsbetrieb musste zum Teil tagesaktuell an die neue Situation angepasst werden.
Wie würden Sie diese Leistung beschreiben?
Das, was die Universitätsgemeinschaft geleistet hat, ist unbeschreiblich. Auch der Studierendenschaft gebührt ein außerordentlicher Dank, insbesondere für ihre Geduld und ihre Bereitschaft, diese spontane Umstellung des gesamten universitären Lernens und Lebens so bereitwillig und tolerant mitzumachen und mitzugestalten.
Trotz Krisen und schwieriger Entwicklungen ist die politische Erwartungshaltung hoch, wie nicht zuletzt der Prozess um die Novelle des Hochschulgesetzes gezeigt hat. Was war vor diesem Hintergrund die größte Herausforderung für Sie?
Sich die Zeit zu nehmen, um behutsam gute Entscheidungen zu treffen. Wenn ich beispielsweise im Rahmen unseres Transformationsprozesses grundsätzlich über die strategische Ausrichtung der Universität entscheiden muss, dann kann ich das nicht übers Knie brechen. Egal, wie sehr ich unter Handlungsdruck stehe oder mir selbst schnellere Ergebnisse wünschen würde, ich muss Gespräche führen und den Themen den Raum geben, den sie benötigen. Das auszuhalten war und ist bis heute nicht einfach für mich. Gleichzeitig bin ich davon überzeugt, dass uns eine sehr angemessene Entscheidungsgeschwindigkeit gelungen ist.
Sie haben nun schon oft das gute Miteinander betont, das Sie durch den Alltag begleitet. Gibt es in Ihrem Umfeld keine schwierigen Kolleginnen und Kollegen? Wie gehen Sie mit ihnen um?
Ich versuche, nicht in diesen Kategorien zu denken und vor allem, nicht zu urteilen. Gerade in Umbruchzeiten, in denen wir gegebenenfalls unterschiedliche Perspektiven auf Entwicklungen und Handlungsoptionen haben und in denen wir uns gelegentlich auch von Liebgewonnenem verabschieden müssen, können Gespräche durchaus konflikthaft sein. Dass es auch bei uns Differenzen geben kann, die wir letztlich aushalten und vielleicht nicht immer zur Zufriedenheit aller auflösen können, ist etwas, das wir in dieser Situation – auch schmerzlich – lernen. Wichtig ist, dass wir uns stets respektvoll und auf Augenhöhe begegnen und dem sachlichen Argument immer den Vorzug gegenüber Befindlichkeiten geben.
Sie haben nun schon oft über personellen Umbruch und seine Auswirkungen gesprochen. Können Sie diesen näher beschreiben?
In den vergangenen drei Jahren wurden infolge von Ruhestandseintritten und dank der Hightech Agenda Bayern 48 Professuren und Lehrstühle bei uns neu besetzt. Diese Entwicklung geht einher mit einem Zuwachs von knapp 20 Prozent im Bereich der Professorinnen und Professoren. Einen solchen umfangreichen personellen Wandel in so kurzer Zeit hat es in dieser Form an unserer Universität noch nie gegeben. Wir haben diese historische Chance genutzt, um uns zukunftssicher aufzustellen. Wir haben in gesellschaftlich relevante und strategisch wichtige Forschungsfelder investiert und unser Profil gezielt geschärft. Und schon heute macht sich die enorme thematische Bereicherung unseres Standorts äußerst positiv bemerkbar. So entstehen zum Beispiel im Bereich der Informatik und der Künstlichen Intelligenz neue Studiengänge und neue Lehrformate.
Sie bezeichnen Berufungen und Berufungsverfahren oft als Kraftakte?
Aufgrund ihrer herausragenden Bedeutung und des aufwändigen Besetzungsverfahrens binden Berufungen viele Ressourcen. Schon vor einer Ausschreibung führe ich viele Gespräche mit Fakultäts- und Fachvertreterinnen und -vertretern und moderiere zum Teil intensive Aushandlungsprozesse. Die Mitwirkung in Berufungsausschüssen ist ebenfalls zeit- und arbeitsintensiv. Das gilt für alle am Verfahren beteiligten Personen aus Wissenschaft, Verwaltung und den beteiligten Gremien Die aktuelle Wachstums- und Umbruchsphase hat dazu geführt, dass Kolleginnen und Kollegen in zum Teil mehr als fünf Berufungsausschüssen gleichzeitig tätig waren. Ich bin allen sehr dankbar, dass sie unsere neuen Universitätsmitglieder trotz dieser enormen Belastung so umsichtig und mit so viel Engagement ausgesucht haben.
Warum sind Berufungen so wichtig?
Die Besetzung einer Professur ist das zentrale Instrument der Strukturentwicklung von Fakultäten und Universität und bedarf damit höchster Aufmerksamkeit. Denn mit jeder Berufung ist eine strategische Entscheidung über Inhalt und Ausrichtung des betreffenden Faches und damit langfristig über die Entwicklung der gesamten Universität verbunden. Hier fallen besonders wichtige Entscheidungen im Hinblick auf die Zukunft des Standorts.
Gibt es darüber hinaus bereits wichtige Vorhaben, die abgeschlossen werden konnten? Welche sind das?
Eines der prägnantesten Beispiele sind für mich die Leitbilder und Strategiepapiere, die die Universitätsleitung mit Akteurinnen und Akteuren aus allen Bereichen der Universität in den letzten drei Jahren erarbeitet hat. Es ist uns damit gelungen, unsere Idee der Universität gemeinsam weiterzuentwickeln. In der aktuellen Ausgabe unseres Campus-Magazins uni.kat werden wir einige davon genauer vorstellen. Sie sind das Ergebnis eines intensiven Nachdenk- und Aushandlungsprozesses über unser Profil und unser Selbstverständnis, den ich initiieren und begleiten durfte. Es hat mich sehr beeindruckt zu sehen, wie ernsthaft und konstruktiv sich alle Statusgruppen mit Diversität, Nachhaltigkeit und anderen Zukunftsthemen unserer Universität beschäftigt haben.
Sie möchten also betonen, dass die Strategiepapiere mehr sind als nur Papiere?
Unbedingt. Es geht nicht darum, dass wir ein paar Buchstaben auf leere Seiten schreiben, die hinterher irgendwo im Webauftritt zu finden sind. In ihnen steckt das Herz unserer Universität. Sie sind eine Selbstverpflichtung, in der wir zeigen, wer wir sein wollen und wie wir konkret darauf hinarbeiten.
Sie haben vor Ihrer Wahl zum Präsidenten bereits an der Universität Bamberg gearbeitet, als Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik, insbesondere Soziale Netzwerke. Hat sich Ihr Blick auf die Universität mit dem Jobwechsel verändert?
Eigentlich nicht so sehr, weil ich schon immer mit Kolleginnen und Kollegen anderer Fakultäten zusammengearbeitet habe, sei es als Wissenschaftler oder in Gremien. Nicht zuletzt durch mein Amt als Dekan und Senatsvorsitzender hatte ich auch früh vielfältige Kontakte in den wissenschaftsstützenden Bereich. Aber natürlich bekommt man als Präsident Einblicke, die man vorher nicht hatte. Und ich lerne ständig neue Bereiche und Facetten unserer Universität kennen, sowohl über die tägliche Arbeit als auch über Veranstaltungen. Das führt dazu, dass ich heute ein viel detaillierteres und differenzierteres Bild von der Universität habe, was ich sehr genieße.
Gab es etwas, was Sie als Präsident überrascht hat?
Wie kollegial und vertrauensvoll die bayerischen Universitäten zusammenwirken. In den Sitzungen der Bayerischen Universitätenkonferenz Universität Bayern e.V. begegnen sich alle Hochschulvertreterinnen und -vertreter in einer sehr freundlichen und konstruktiven Atmosphäre. Jede Institution hat unabhängig von Größe und Status eine Stimme, die ernst genommen wird. Auch das Verhältnis zu den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften empfinde ich als ungewöhnlich gut. Darum beneiden uns die Kolleginnen und Kollegen anderer Bundesländer.
In dem Verbund haben Sie einige Aufgaben und Funktionen übernommen. Können Sie Beispiele nennen?
In der Universität Bayern bekleide ich verschiedene Ämter. Derzeit bin ich unter anderem Mitglied im Lenkungsausschuss „Stärkung Studienstandort Bayern“. Gleich zu Beginn meiner Amtszeit wurde ich Teil der Gruppe, die den Rahmenvertrag für die bayerischen Hochschulen und Universitäten mit dem Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst ausgehandelt hat. Auch am gemeinsamen Positionspapier der bayerischen Hochschulen zur Landtagswahl habe ich mitgewirkt. Besonders am Herzen liegt mir das Bayerische Wissenschaftsforum BayWISS als Kooperationsplattform der Universitäten und Hochschulen. Es stärkt den Wissenschaftsstandort Bayern durch Kooperationen in den Bereichen Forschung, Lehre und Weiterbildung und ermöglicht darüber hinaus Verbundpromotionen von Hochschulen und Universitäten. Seit 2022 bin ich Mitglied des Lenkungsrats und aktuell dessen Vorsitzender.
Welche spezifische Besonderheit der Universität Bamberg ist aus Ihrer Sicht für den Erfolg der letzten drei Jahre ausschlaggebend gewesen?
Wir haben viele Leute an dieser Universität, die das große Ganze sehen. Das ist entscheidend. Denn Transformationsprozesse können nur dann gelingen, wenn Menschen bereit sind, mehr zu geben als zu bekommen.
Vielen Dank!
Lesen Sie im zweiten Teil des Interviews, welche Aufgaben und Herausforderungen auf die Universität Bamberg in den nächsten Jahren zukommen und welche Themen sie künftig prägen werden.