Digitale Spiele sind längst mehr als bloße Unterhaltungsprodukte – sie beeinflussen Kultur und Gesellschaft, sind ein bedeutender Wirtschaftsfaktor und fördern technologische Innovationen sowie deren Anwendung in ganz unterschiedlichen Bereichen. Gleichzeitig entwickelt sich die Forschung im Bereich Games und Gamification weiter. Prof. Dr. Benedikt Morschheuser, der neue Lehrstuhlinhaber für Wirtschaftsinformatik an der Universität Bamberg, widmet sich genau diesem Thema. In seiner Forschung untersucht er, wie digitale Spiele nicht nur Unterhaltung bieten, sondern auch als wirkungsvolle Werkzeuge in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Industrie eingesetzt werden können. Im Interview spricht der neue Professor über seine Forschungsschwerpunkte, was ihm in der Lehre wichtig ist und welcher Weg ihn nach Bamberg geführt hat.
Lieber Herr Morschheuser, Sie haben jetzt den Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik in Bamberg inne. Die Wirtschaftsinformatik ist ein weites Feld. Womit beschäftigen Sie sich genau?
Benedikt Morschheuser: Digitale Spiele, beziehungsweise Games, nehmen mittlerweile eine zentrale Rolle in unserer Gesellschaft ein: Etwa 60 Prozent der Bevölkerung spielen regelmäßig Computer- und Videospiele. Primär geht es hierbei um Unterhaltung, doch die Auswirkungen des Phänomens gehen weit über die reine Unterhaltung hinaus und beeinflussen unter anderem unsere Sprache, Kleidung, Musik und Kultur. Zudem ist die Games-Branche ein Vorreiter bei der Entwicklung digitaler Innovationen und ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. In meiner Forschung geht es vor allem um Kontexte, in denen Gaming die Grenzen der reinen Unterhaltung überschreitet. Das fassen wir unter dem Oberbegriff Gamification zusammen – also die Anwendung von Games, deren Technologien und Gestaltungselemente etwa in den Bereichen Medizin, Bildung oder Arbeit. Wir sehen, dass solche spielerischen Ansätze helfen können, dass etwa die Nutzung von Informationssystemen mehr Freude bereitet, aber auch Wissen besser vermittelt werden kann.
Können Sie konkrete Beispiele nennen, bei denen Gamification Anwendung finden kann?
Aktuell lege ich in meiner Forschung einen Fokus auf den Bereich Gesundheit. Das Gesundheitswesen benötigt in Summe eine Transformation. Hier bergen digitale Technologien und Spiele großes Potenzial: Gamification-Ansätze können in der Ausbildung von Fachkräften ebenso helfen wie in der Therapie, Rehabilitation und der Pflege. Sie können Menschen etwa motivieren, regelmäßig eine Therapie oder Rehabilitationsmaßnahme durchzuführen oder sie können angehenden Pflegekräften spielerisch relevantes Wissen vermitteln. In einem aktuellen Projekt nutzen wir beispielsweise ein Virtual Reality-Spiel, um Patientinnen und -patienten mit der Krankheit Lupus auf eine Therapie am Klinikum in Erlangen vorzubereiten.
Zuletzt war ich auch an Projekten beteiligt, die sich mit Prokrastination beschäftigen: Im Studium und im Arbeitsalltag kennen wir es, man schiebt ungeliebte Aufgaben vor sich her, anstatt sie anzugehen. Irgendwann kommt dann der Stress und man erlebt vielleicht sogar mentale Belastungen, kann nicht mehr schlafen. Inzwischen gibt es zahlreiche Apps, die versuchen, Menschen dabei zu unterstützen, Prokrastination zu überwinden oder gar nicht erst in eine solche Situation hineinzurutschen. Sie helfen, Ziele und Arbeit zu strukturieren und fokussiert anzugehen. In unserer Forschung untersuchen wir die Gestaltungselemente solcher Apps und deren psychologische Wirkung. Unsere Ergebnisse liefern Erkenntnisse, wie das Design dieser Apps weiter optimiert werden kann, zum Beispiel durch den Einsatz von Gamification.
Ihre Forschung passt super zur Profilinitiative Gesundheit an der Universität Bamberg. Mit welchen Themen beschäftigen Sie sich darüber hinaus?
Unsere Forschung befasst sich auch mit dem Thema Gaming in der Mobilität und ganz konkret mit „In-Car-Gaming“. In diesem Bereich entwickeln wir neue Innovationen für die Automobilindustrie. Ein großer Bereich, der uns auch in Zukunft stark beschäftigen wird, ist die Mensch-Roboter-Interaktion. Wir erforschen, was Unternehmen, die Roboter einsetzen, von digitalen Spielen lernen und wie wir kognitive Barrieren (z.B. fehlendes Wissen) und emotionale Barrieren (z.B. mangelndes Vertrauen) durch den Einsatz von Games und Gamification in der Mensch-Roboter-Interaktion überwinden können. Zudem beschäftigen meine Forschungsgruppe und ich mich mit gesellschaftlichen Herausforderungen und Risiken, die dadurch entstehen, dass wir uns zunehmend in virtuellen Welten aufhalten – etwa im Bereich des Datenschutzes. Auch schauen wir uns an, wie wir virtuelle Welten privatsphärefreundlich gestalten können.
Wie kam es dazu, dass Sie sich mit Games und Gamification beschäftigen?
Als Kind wollte ich Lego-Ingenieur werden. Irgendwann kam die Begeisterung für Videospiele dazu. Während meines Wirtschaftsingenieurwesen-Studiums in Karlsruhe hat sich das Interesse hin zu Web- und Appdesign entwickelt. Zum Ende meines Studiums kam dann das Thema Gamification in Marketing und Softwareentwicklung auf. Die Idee, spielerische Elemente in eigentlich spielferne Tätigkeiten oder Software zu integrieren und damit Menschen zu motivieren, war für mich sofort absolut schlüssig und ich wollte mich näher damit beschäftigen.
Wie sind Sie dann mit diesem Thema in Bamberg gelandet?
Über Stationen an den Universitäten in Leipzig, St. Gallen und Mannheim bin ich schließlich zurück ans Karlsruher Institut für Technologie und habe dort 2017 meine Promotion zu Gamification verteidigt, die ich in Kooperation mit der Industrie durchgeführt hatte. Insgesamt war ich während der Promotion und danach sechs Jahre in der Automobilindustrie beschäftigt. Die Leidenschaft für die Forschung ist aber geblieben, weshalb ich vor vier Jahren eine Juniorprofessur zu Games und Gamification an der Universität Erlangen-Nürnberg übernommen habe.
Und jetzt sind Sie hier. Welchen ersten Eindruck hatten Sie von Bamberg?
Es war schon immer ein Ziel für mich, dort zu leben und zu arbeiten, wo andere Urlaub machen. Und genau so fühlt es sich jetzt in Bamberg an, wenn ich morgens mit dem Fahrrad zur Erba-Insel fahre. In Erlangen habe ich bereits einige Studierende kennengelernt, die in Bamberg ihren Bachelor in Wirtschaftsinformatik abgeschlossen hatten. Und ich habe festgestellt, dass die Ausbildung hier in Bamberg hervorragend ist. Umso mehr freut es mich, jetzt Teil der Bamberger Wirtschaftsinformatik zu sein.
Was ist Ihnen in der Lehre wichtig?
Meine Kurse, insbesondere im Master, sind durch Challenge-based Learning gekennzeichnet. Es geht also darum neben Theorie, echte, relevante Probleme aus der Praxis zu bearbeiten. Gleichzeitig trainiert man dabei Soft Skills im Bereich der Zusammenarbeit, Kreativität oder dem selbstständigen Problemlösen. Das bereitet Studierende optimal auf das Berufsleben in der Praxis oder eine Karriere in der Wissenschaft vor.
Warum sollte man sich heute für ein Studium der Wirtschaftsinformatik entscheiden?
Als Wirtschaftsinformatiker oder -informatikerin ist man in der Lage, digitale Technologien in Unternehmensprozesse zu integrieren. Und genau das benötigen wir heute in der Wirtschaft, aber auch in der Verwaltung. Die Ausbildung in Wirtschaftsinformatik speziell in Bamberg ist hervorragend. Es gibt hier herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die einzigartige Expertise in Vorlesungen einbringen und wir haben zudem die Möglichkeit, die Studierenden in kleinen Gruppen sehr individuell zu betreuen.
Wenn Sie am Abend von Lehre und Forschung nach Hause kommen, was hilft Ihnen beim Abschalten?
Ich freue mich dann darauf, mit meinen beiden Töchtern ein Brettspiel zu spielen oder mit ihnen Lego zu bauen.
Vielen Dank für das Gespräch!