„Sprache und Kommunikation prägen unser Zusammenleben“

Im Gespräch mit Sandra Reitbrecht, neue Professorin für Deutsche Sprachwissenschaft / Deutsch als Fremdsprache

Prof. Dr. Sandra Reitbrecht
  • Menschen
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  • 17.11.2025
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  • Hannah Fischer
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  • Lesedauer: 5 Minuten

Seit dem Wintersemester 2025/26 lehrt und forscht Prof. Dr. Sandra Reitbrecht an der Universität Bamberg. Sie kam von der Pädagogischen Hochschule Wien nach Oberfranken und freut sich, ihre Expertise nun an der Universität Bamberg in der Germanistik verankert einzubringen. In ihrer Forschung interessiert sie sich besonders für Lese- und Schreibkompetenz, und dafür, wie sich Menschen bildungssprachliche Kompetenzen aneignen. Außerdem nutzt sie neue Forschungsformate wie zum Beispiel Citizen Science. Im Interview erzählt sie, was sie an Sprache so fasziniert, wie sie Lehre gestaltet und was ihr an Bamberg besonders gefällt.

Liebe Frau Reitbrecht, Sie haben jetzt die Professur für Deutsche Sprachwissenschaft mit dem Schwerpunkt Deutsch als Fremdsprache in Bamberg inne. Wie kam es, dass Sie sich mit diesem Fachgebiet befassen?

Sandra Reitbrecht: Ich habe in Wien Lehramt für Deutsch und Französisch studiert und bin während des Studiums für ein Jahr als Sprachassistentin nach Frankreich gegangen – eigentlich, um mein Französisch zu verbessern. Dort habe ich Deutsch als Fremdsprache unterrichtet. Diese Unterrichtserfahrungen waren für mich die Initialzündung, mich intensiver mit Deutsch als Fremd- und Zweitsprache zu beschäftigen. Zurück in Wien habe ich ein Zusatzmodul in diesem Bereich absolviert. Danach war ich an Universitäten in Frankreich und Tschechien als Lektorin im Fach Deutsch als Fremdsprache tätig und habe mich auch schon mit der Didaktik des Deutschen als Fremdsprache befasst. Promoviert habe ich schließlich an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg in Sprechwissenschaft und Phonetik. Nach einigen Jahren an einer Schule und später an der Pädagogischen Hochschule Wien in der Lehrkräftebildung bin ich nun in Bamberg angekommen.

War es also nicht von Anfang an Ihr Ziel, Professorin zu werden?

Nein, gar nicht. Lehrerin war mein ursprünglicher Traumberuf – mein Vater war auch Lehrer. Die Welt der Universität und Wissenschaft habe ich mir erst später erschlossen.

Was reizt Sie besonders an Ihrem Fach?

Sprache ist etwas unglaublich Faszinierendes für mich! Meine Tochter ist jetzt drei Jahre alt und fängt an, eigene Wörter zu bilden, um ihre Bedürfnisse auszudrücken. „Hüpfung“ bedeutet für sie zum Beispiel, auf der Matratze zu hüpfen. Mich begeistert es, wie Menschen Sprache gebrauchen und mit ihr Neues schaffen. Sprache und Kommunikation sind ja nicht nur Gegenstand der Linguistik, sie prägen unser gesamtes Zusammenleben. Ich habe den Eindruck, dass in vielen Bereichen Projekte letztlich an mangelnder Kommunikation scheitern. Deshalb lohnt es sich, sie besser zu verstehen. In meiner Dissertation habe ich zum Beispiel eine Sprechwirkungsstudie durchgeführt, in der es darum ging, wie Personen wahrgenommen werden, wenn sie sprechen. 

Woran forschen Sie darüber hinaus?

Gerade die Schnittstelle zwischen Sprachwissenschaft und Deutsch als Fremdsprache ist sehr spannend, weil dort noch viele Fragen offen sind. Deshalb freut es mich, dass meine Professur in der Germanistik angesiedelt ist. Die sprachwissenschaftliche Forschung bildet wiederum die Grundlage für didaktische Entwicklungen – das Zusammenspiel finde ich sehr reizvoll.

Ein großer Bereich meiner Forschung besteht in der Auseinandersetzung mit Sprachregistern, die in Bildungskontexten wichtig sind. Mit Sprachregister sind unterschiedliche Sprachformen gemeint, die wir je nach Situation oder Zielgruppe verwenden – etwa wenn wir uns im Alltag anders ausdrücken als in einer wissenschaftlichen Arbeit oder im Unterricht. Besonders mit dem wissenschaftlichen Schreiben habe ich mich dabei in den letzten Jahren intensiv beschäftigt. Die zentrale Frage dabei war es, ein besseres Verständnis davon zu erhalten, ob und wie sich Lernende schon vor einem Studium entsprechende Kompetenzen aneignen können. Das habe ich in den letzten Jahren intensiv beforscht, und daran möchte ich mit Forschungsprojekten in Bamberg anknüpfen. 

Außerdem beschäftige ich mich mit der Art des Forschens: Ich möchte Citizen-Science-Projekte entwickeln. In Wien habe ich bereits ein solches Projekt geleitet, bei dem wir mit Schulen und Lehrpersonen zusammengearbeitet haben. Wir wollten herausfinden, wie sich das Konzept des Modelllernens – also Lernen am und als Modell – auf Schreibprozesse auswirkt. Dabei geht es darum, dass Lernende bestimmte Strategien oder Vorgehensweisen bei anderen beobachten und nachvollziehen, um sie anschließend selbst anzuwenden. Im Projekt haben wir die Lernenden dafür in die Rolle von Forschenden versetzt. Mich interessiert dabei, wie Forschende, Lehrkräfte und Lernende gemeinsam profitieren können.

Und ich würde gerne auch theoretisch weiterdenken, wie Citizen Science in der Sprachwissenschaft und in Deutsch als Fremdsprache funktionieren kann – denn oft verbindet man diese Art zu forschen primär mit Naturwissenschaften. Ein Sammelband, der den aktuellen Stand in den Sprach- und Fremdsprachendidaktiken aufzeigt, wäre zum Beispiel ein schönes Ziel.

Was ist Ihnen in der Lehre besonders wichtig?

Mir ist wichtig, dass Studierende erkennen, wie relevant linguistisches Wissen für ihre spätere Unterrichtstätigkeit ist. Es geht mir darum, dass sie nicht denken: Jetzt muss ich auch noch Linguistik machen, sondern sehen, welchen konkreten Nutzen das für den Unterricht hat.

Didaktisch möchte ich mich immer weiterentwickeln. Aktuell versuche ich das Konzept schreibintensiver Lehre umzusetzen – also Schreiben gezielt in Lehrveranstaltungen zu integrieren: zur Reflexion, zur Ideenfindung oder zur Vorbereitung von Hausarbeiten. So entstehen Texte nicht erst am Ende des Semesters, sondern Schritt für Schritt. Ich biete derzeit zum Beispiel ein Seminar zu Schreibkompetenz in Deutsch als Fremdsprache an. Gerade bei diesem Thema funktioniert schreibintensive Lehre sehr gut. Und ich merke auch: In Bamberg, mit kleinen Gruppen, kann man sehr individuell arbeiten. Ich kenne tatsächlich alle meine Studierenden seit Beginn des Semesters mit Namen – das war in Wien kaum möglich.

Wie ist Ihr Eindruck von Stadt und Universität Bamberg?

Natürlich ist alles kleiner als in Wien – aber das hat auch Vorteile: Man kann individueller lehren und leichter in Austausch treten. Mein erster Besuch war 2013 bei einer Forschungsmethodentagung zu Deutsch als Fremdsprache. Später war ich auch privat hier – und fand die Stadt einfach wunderschön. Mir gefällt vor allem, dass die Universität so sichtbar mitten in der Stadt ist. Wissenschaft ist hier kein Elfenbeinturm, man begegnet ihr auf Schritt und Tritt.

Vielen Dank für das Gespräch!

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Seite 174009, aktualisiert 17.11.2025