Prof. Dr. Uta Poplutz hat bereits seit einigen Monaten den Lehrstuhl für Neutestamentliche Wissenschaften am Institut für Katholische Theologie inne und folgt damit auf Prof. Dr. Joachim Kügler. Zeit für ein Interview, in dem sie erzählt, wie sie über Umwege von der Idee eines Medizinstudiums zur Theologie kam, was sie an Bamberg schätzt – und warum die Lektüre biblischer Texte auch heute noch relevant ist.
Liebe Frau Poplutz, willkommen an der Universität Bamberg! Sie beschäftigen sich in Ihrer Forschung intensiv mit neutestamentlichen Texten. Woran arbeiten Sie aktuell?
Uta Poplutz: Ich bin Neutestamentlerin mit einem Schwerpunkt auf der Antike, das heißt ich untersuche die philosophischen, historischen und archäologischen Kontexte des Neuen Testaments. Meine Dissertation drehte sich um Paulus, in der Habilitation ging es um Narratologie, also die Analyse biblischer Texte als Erzähltexte.
In den nächsten Jahren werde ich mich intensiv mit dem Johannesevangelium und den johanneischen Briefen beschäftigen. Ich werde zwei Kommentare schreiben – umfassende Nachschlagewerke, die Vers für Vers den Text analysieren: textkritisch, sprachlich, theologisch.
Gibt es ein Projekt aus der Vergangenheit, das Ihnen besonders am Herzen liegt?
Ja, das „Colloquium Joanneum“: ein ökumenisches, internationales Doktorandinnen- und Doktoranden- sowie Habilitandinnen- und Habilitandenkolloquium zu den johanneischen Schriften. Wir bringen seit 2009 jährlich renommierte Forschende mit dem Nachwuchs zusammen – ohne Konkurrenzdruck, in einem echten Dialograum. Das hat viele Sammelbände hervorgebracht. Mir ist es ein Anliegen, diesen lebendigen und inspirierenden Austausch von Bamberg aus fortzusetzen.
Wie sind Sie selbst zur Theologie gekommen?
Ich komme aus einem kleinen Ort im Hochsauerland und wollte eigentlich Medizin studieren. Um die Wartezeit bis zum Medizinertest zu überbrücken, habe ich ein Freiwilliges Soziales Jahr in einer katholischen Jugendbildungsstätte in Detmold gemacht. Dort gab es eine Szene, die mich nachhaltig geprägt hat: Eine der Ordensfrauen aus dem angeschlossenen Säkularinstitut diskutierte mit Jugendlichen über die Bedeutung einer Bibelstelle – und griff plötzlich zum griechischen Neuen Testament, um nachzusehen, wie der Text im Original lautet. Das hat mich fasziniert. Ich wollte die Bibel auch in ihren Originalsprachen lesen können.
Also habe ich den Medizinplan über Bord geworfen und mich für Theologie in Würzburg eingeschrieben. Ich habe das Frankenland lieben gelernt und das Studium sehr genossen: Theologie ist für mich ein echtes Studium generale – man lernt alte Sprachen, Philosophie, Geschichte, Rhetorik, Seelsorge. Ich wusste lange nicht, was ich damit beruflich anfangen will, aber ich wusste: Ich möchte das vertiefen.
Nachdem Sie jetzt einen theologischen Lehrstuhl innehaben, scheint das mit dem Vertiefen gut geklappt zu haben. Wie ging es nach dem Studium weiter?
Nach dem Diplom wurde ich in Würzburg im Neuen Testament promoviert, dann ging es nach Zürich an eine reformierte Fakultät. Habilitiert habe ich mich dann an der katholischen Fakultät in Luzern. Danach folgten eine Lehrstuhlvertretung in Mainz, die Übernahme eines Lehrstuhls in Wuppertal – und jetzt eben Bamberg. Ich bin sehr dankbar: Mein Weg hat mich an so einige Stationen geführt, aber ich bin dankbar, dass ich immer nahtlose Vollzeitbeschäftigungen hatte, was im wissenschaftlichen System keine Selbstverständlichkeit ist.
Warum dann der Wechsel nach Bamberg – aus einer gesicherten Professur heraus?
Nach rund 15 Jahren in Wuppertal hatte ich das Gefühl: Jetzt muss noch mal etwas Neues kommen. Ich wollte wieder in den Süden. Da kam die Ausschreibung der Uni Bamberg wie gerufen – eine wunderbare Stadt und ein Institut mit Menschen, die nicht nur fachlich exzellent sind, sondern mit denen man auch gern zusammenarbeitet.
Wie war Ihr erster Eindruck von Bamberg und der Universität?
Sehr herzlich! Was ich besonders schätze: Die Uni ist keine Campus-Uni am Stadtrand, sondern mitten in der Stadt. Das ermöglicht ganz andere Begegnungen. Was mich besonders berührt hat: Schon vor dem offiziellen Antritt kamen herzliche Nachrichten – von Kolleginnen und Kollegen aus der Theologie, aus dem Dekanat, von Menschen, die mich noch gar nicht kannten, aber mir ihre Freude über meine Berufung mitteilten. Das habe ich so noch an keiner anderen Hochschule erlebt – und es hat mir gezeigt, dass ich hier wirklich willkommen bin.
Was ist Ihnen in der Lehre wichtig?
Mir geht es darum, Studierende dazu zu befähigen, mit den 2.000 Jahre alten Texten des Neuen Testaments reflektiert umzugehen – und daraus eine Haltung zu entwickeln. Denn diese Texte sind nicht nur historisch interessant, sie berühren auch zentrale Fragen des Menschseins, die bis heute aktuell sind. Ich bilde in erster Linie angehende Lehrkräfte aus – Menschen, die später als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in der Schule stehen. Kinder und Jugendliche stellen – ob wir es wollen oder nicht – religiöse und existenzielle Fragen. Und dann braucht es Lehrkräfte, die nicht sprachlos bleiben. Die etwa etwas Hilfreiches beitragen können, wenn ein Kind erzählt, dass zum Beispiel sein Haustier gestorben ist. Oder – viel schlimmer – ein Angehöriger. Es kann auch passieren, dass ein Mitschüler oder eine Mitschülerin plötzlich nicht in die Klasse zurückkehrt. Da geht es nicht darum, eine religiöse Predigt zu halten oder sich in fromme Floskeln zu flüchten, sondern empathisch und kompetent mit derlei Situationen umzugehen. Ich meine, dass das Neue Testament dabei helfen kann.
Außerdem versuche ich, ein hermeneutisches Bewusstsein zu schärfen: Jeder Text ist subjektiv, jede Deutung ist eine Perspektive. Wer das verstanden hat, kann auch besser mit modernen Medien, Nachrichten oder Diskursen umgehen. Diese Form von Textkompetenz – gerade auch in religiösen Fragen – ist für die Schule, aber auch für das Leben wichtig.
Warum sollte man heute aus Ihrer Sicht Theologie studieren?
Einerseits, weil Religion in keiner Weise ein Auslaufmodell ist. Auch wenn sich das Christentum in Europa zurückzieht, sind religiöse Fragen aus unserer Gesellschaft nicht verschwunden, ganz im Gegenteil. In der Schule, im Alltag, in Krisensituationen – immer wieder tauchen Fragen auf nach Sinn, Schuld, Tod, Hoffnung. Andererseits ist Religion auch aus unserer Kultur nicht wegzudenken. Wenn ich zum Beispiel durch Bamberg gehe, sehe ich Kirchen, Heiligenfiguren, biblische Szenen in Fenstern, Hinweise auf Feste und Traditionen. Dieses Stadtbild ist durch und durch vom Christentum geprägt. Und ich finde: Es macht etwas mit einem, wenn man versteht, was man da sieht. Ein Theologiestudium vermittelt genau diese Lesefähigkeit für unsere Kultur. Wer nie etwas vom Christentum gehört hat, wird große Teile der europäischen Kultur – sei es Architektur, Musik, Kunst oder Literatur – nur schwer erfassen können. Und drittens: Es ist ein faszinierend vielfältiges Studium – an der Schnittstelle von Sprache, Geschichte, Philosophie, Kultur und existenziellen Fragen.
Vielen Dank für das Gespräch!