„Alle Religionen wollen Gerechtigkeit“

Ein Rückblick auf die Multireligiöse Feier der Universität

Multireligiöse Feier
  • Campus
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  • 29.11.2022
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  • Hannah Fischer
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  • Lesedauer: 4 Minuten

„Öffnet Tore der Gerechtigkeit“ – unter diesem Motto stand nach dreijähriger Corona-bedingter Pause die Multireligiöse Feier. Sie findet traditionell zu Beginn des akademischen Jahres statt. Mit ihrem Thema griff sie der „Woche der Brüderlichkeit“ vor, die im März 2023 von den Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit veranstaltet wird. Hinter der Aufforderung steht die Vorstellung, dass die Welt Gottes ein Ort ist, der für alle offensteht. Das Bild des Tores wird damit zum Gegenentwurf für alle Mauern, die Menschen gegeneinander aufrichten.

Gerechtigkeit beschäftigt nicht nur Religionen

Eines wurde am Abend des 23. Novembers schnell klar: Das Thema Gerechtigkeit beschäftigt nicht nur das Christentum, Judentum und den Islam, sondern auch viele weitere Bereiche unserer Gesellschaft und den Staat. Das zeigte etwa auch die Begrüßung durch die Universitätskanzlerin Dr. Dagmar Steuer-Flieser: „Der Leitgedanke ‚Gerechtigkeit’ ist für mich als Juristin ein außerordentlich wichtiger, ein elementarer Begriff, wenn nicht das zentrale Leitmotiv allen Handelns“, erläuterte sie. Das Gerechtigkeitsprinzip sei dem Recht vorgeschaltet. Der Rechtsstaat beziehe sich also auf Maßstäbe, die er selbst nicht schaffen könne, sondern die ihm vorangestellt seien. Deshalb bedürfe es – um der Freiheit Willen – eines hohen ethischen Wertbewusstseins, das unter anderem auch die großen Weltreligionen ausmachten. Letztlich bedeute das – frei nach dem Philosophen Luc de Clapiers, Marquis de Vauvenargues: Man kann nicht gerecht sein, wenn man nicht menschlich ist. Um für sich selbst herauszufinden, wie das Menschliche und das Gerechte zusammenzubringen sind, bedürfe es unter anderem des echten Interesses am religiösen Austausch. Die Multireligiöse Feier war dafür eine gute Gelegenheit.

Musikalisch untermalt wurde die Multireligiöse Feier von Konrad Buschhüter am Flügel und Omar González am Bass.

Einigkeit macht Mut

„Öffnet Tore der Gerechtigkeit“ – dem evangelischen Studierendenpfarrer Thomas Braun kommen bei dem Zitat aus Psalm 118 in der hebräischen Bibel zahlreiche Begriffe in den Sinn: Klimagerechtigkeit, Gerechtigkeit bei Impfstoffen, Gerechtigkeit in anderen medizinischen Fragen. Er denkt an Fluchtbewegungen und das Erstarken totalitärer Antidemokraten weltweit, die Gerechtigkeit mit Füßen treten. Die Religionen seien viel eindeutiger als wir als Gesellschaft in all unseren Diskussionen: „Alle großen Weltreligionen sprechen sich für Gerechtigkeit aus, suchen nach Gerechtigkeit und geben an die Gläubigen weiter, gerecht zu handeln“, sagte Braun. „Wir sind uns einig.“ Diese vermutete Einigkeit mache ihm Mut.

Die Einigkeit der Religionen zeigte sich in den Rezitationen und Auslegungen. Der durch Rabbinerin Dr. Antje Yael Deusel rezitierte Psalm brachte deutlich zum Ausdruck, dass es mit der Gerechtigkeit allein nicht getan ist. Es brauche mehr, denn die Menschen sollten Gerechtigkeit nicht im Sinne von Vergeltung sehen, nicht als Reaktion auf eine Aktion. Gerechtigkeit sei nicht ein „Wie du mir, so ich dir“ im negativen Sinn, sondern anders herum zu verstehen im Sinne von „Liebe deinen Nächsten, er ist wie du“. „Frieden kommt nicht von allein, ohne dass wir etwas dafür tun, sondern der Ewige will, dass wir Menschen uns selbst darum bemühen“, erläuterte Antje Yael Deusel. „Die Ehrfurcht vor dem Ewigen und die Liebe zu ihm gehen immer Hand in Hand mit Nächstenliebe.“

Hanna Gretscher und Hannah Krammel von der Evangelischen Studierendengemeinde gingen in ihrer Lesung darauf ein, dass Gerechtigkeit an zahlreichen Stellen in der christlichen Bibel vorkommt. Etwa im Matthäusevangelium. In der Rezitation, die die beiden Studentinnen vortrugen, geht es darum, dass man nicht gerecht zu anderen sein soll, damit andere ein gutes Bild von einem haben. Gott wünsche sich von den Menschen, dass Gerechtigkeit von Herzen kommt, unabhängig von der Meinung anderer.

Die Meinung anderer spielte in der Lesung von Erkan Accet von der Muslimischen Hochschulgruppe ebenfalls eine Rolle. Der Islam veranlasse die Menschen, die Ursachen des Unfriedens zu beseitigen und Gerechtigkeit herzustellen. Trotzdem beobachte er, dass viele Menschen Ungerechtigkeit geschehen ließen und fragt: „Was hindert uns daran, gegen Ungerechtigkeit das Wort zu erheben? Ist es die Religion? Sind es die Gesetze? Ist es unsere Gesundheit?“ Seiner Erfahrung nach sei es: Angst. „Angst davor, was andere Leute denken. Ich sage: Wir sollten uns nicht Gedanken darüber machen, was wir verlieren könnten, sondern darüber, was wir gewinnen.“ 

Gedenken an die Verstorbenen

Im Anschluss an die Lesungen gedachten die anwesenden Angehörigen und Freund*innen der Universität der verstorbenen Universitätsangehörigen. Dr. Alfons Motschenbacher, Katholischer Hochschulseelsorger, und Thomas Braun verlasen die Namen der Verstorbenen und …

… Georg Böllner-John, Mentorat Bamberg - Spirituelle Begleitung für kath. Religionslehrer/innen in Studium, Ausbildung und Beruf, zündete Kerzen an. Nach Gebeten der Religionen sprach er gemeinsam mit den anwesenden Personen das Gebet um den Frieden und lud alle dazu ein, sich gegenseitig eine Geste des Friedens zu geben.

Das anschließende Buffet lud zu Gesprächen und Begegnungen ein.

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Seite 155240, aktualisiert 30.11.2022