Demokratische Gesellschaft braucht Zeitgerechtigkeit

Das war der Dies academicus 2024

Das Auditorium maximum beim Dies academicus in festlicher Beleuchtung
  • Campus
  •  
  • 14.11.2024
  •  
  • Hannah Fischer
  •  
  • Lesedauer: 8 Minuten

Mehr als 300 Menschen haben sich am Montag, 11. November 2024, die Zeit genommen, zum Dies academicus – der Geburtstagsfeier der Otto-Friedrich-Universität Bamberg – zu kommen. Im Schnitt hat ihr Arbeitstag bis dahin wahrscheinlich schon rund acht Stunden umfasst. Und trotzdem wollten sie an dem Fest teilhaben, den Reden lauschen, Kolleginnen und Kollegen, Freundinnen und Freunde treffen. Selbstverständlich ist das nicht, wie der Festvortrag von Teresa Bücker zeigte:

Acht Stunden umfasst ein Regelarbeitstag – das hat sich den Menschen in Deutschland eingebrannt. An dieser Regel hat sich in den vergangenen 100 Jahren seit der Einführung nichts geändert – und das, obwohl die Gesellschaft und auch die Arbeitswelt in vielen anderen Dingen vorangeschritten sind. Der Acht-Stunden-Arbeitstag wurde nicht angetastet. Doch ist das noch zeitgemäß? Und ignoriert dieses Konzept nicht wesentliche Aspekte des Lebens? Für die allermeisten Menschen ist es nämlich mit den acht Stunden nicht getan: Es kommen etwa Pendelwege hinzu, unbezahlte Care Arbeit, Haushalt oder Ehrenamt, ohne das die Gesellschaft gar nicht funktionieren würde. Und wie viel Zeit braucht eigentlich Liebe? Wie viel Zeit brauchen Menschen, um vertrauensvolle Freundschaften aufzubauen und sich nicht einsam zu fühlen? All diese Fragen stellte Teresa Bücker bei ihrem Festvortrag in den Raum. Als Journalistin arbeitet Teresa Bücker seit über fünfzehn Jahren zu gesellschaftspolitischen Fragen der Gegenwart und Zukunft. Ihr erstes Sachbuch „Alle_Zeit“ wurde 2023 mit dem NDR Sachbuchpreis ausgezeichnet.

Festvortrag: „Wer hat Zeit, die Demokratie zu retten?“

In ihrem Vortrag plädierte sie dafür, dass die Zeit reif sei für eine neue Zeitkultur, um das Verständnis von Zeit neu und gleichberechtigt zu ordnen. Insbesondere Menschen mit Betreuungsverantwortung haben oft nur wenig Zeit für sich selbst, was sie in ihrer Partizipation an der Gesellschaft und am politischen Leben einschränkt. Diese Ungleichheit in der Zeitverwendung führt zu einer Unterrepräsentation ihrer Interessen in politischen Institutionen. Und das schadet letztendlich der Demokratie. Bücker argumentierte, dass eine funktionierende Demokratie nur dann möglich ist, wenn alle Bürgerinnen und Bürger aktiv an der Gestaltung ihrer Gesellschaft teilnehmen können. Dazu sei es notwendig, zeitliche Barrieren abzubauen, die bestimmte Gruppen von politischer Teilhabe ausschließen. Sie fordert daher eine „Zeitgerechtigkeit“, die sicherstellt, dass jeder Mensch die Möglichkeit hat, an politischen Prozessen teilzunehmen. Denn: „Demokratie ohne Zeit für sie zu haben – die gibt es nicht.“ Wie fragil die Demokratie ist, ist vielen vermutlich in den vergangenen Wochen mit dem Ende der Ampelregierung und der Wahl in den USA neuerlich bewusst geworden.

Zukunftsfragen sind nur mit Wissenschaft lösbar

Auch Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume sprach in seinem Videogrußwort die turbulenten politischen Ereignisse an und die fundamentalen Veränderungen, die damit einhergehen. Er betonte, wie wichtig es ist, gerade in solchen Zeiten ein Wertegerüst zu haben, das sich insbesondere an der Wissenschaft orientiert – Zukunftsfragen seien nur mit Wissenschaft lösbar. Deshalb komme den Universitäten und Hochschulen gerade jetzt eine wichtige Rolle zu.

Universität stellt sich gesellschaftlichen Herausforderungen

Diese Rolle will die Universität Bamberg ausfüllen. An der Universität Bamberg war das vergangene Jahr geprägt von dynamischer Entwicklung der Forschungs- und Lehraktivitäten sowie dem Engagement der Universitätsgemeinschaft, sich aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen aktiv zu stellen. Das betonte Präsident Prof. Dr. Kai Fischbach in seiner Rede. Die Universitätsgemeinschaft habe trotz eines sehr herausfordernden Transformationsprozesses viel erreicht. Der Präsident hob hervor: „Wir haben uns über die Rahmenvereinbarung und den Hochschulvertrag auf zehn verpflichtende Handlungsfelder geeinigt, um die Universitäten über ihre zentralen Aufgaben hinaus noch stärker in die Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen einzubinden – etwa durch erhebliche Anstrengungen im Bereich Klimaschutz, einer Vorbildfunktion im Bereich Gleichstellung und Chancengerechtigkeit, vertiefte Digitalisierung und Internationalisierung sowie noch breiteren Transfer in Wirtschaft und Gesellschaft hinein.“

Profilbildung schreitet voran

Fischbach zählte in seiner Rede zahlreiche Errungenschaften auf, die unter anderem auch auf den Hochschulvertrag einzahlen. Hier nur einige Beispiele: In den vergangenen vier Jahren konnten über 50 Professuren besetzt werden – davon 30 im Rahmen der Hightech Agenda Bayern in innovativen Themenfeldern – etwa Künstliche Intelligenz (KI). Gerade dieser Bereich entwickelt sich aktuell dynamisch. So konnte 2024 das Bamberger Zentrum für Künstliche Intelligenz (BaCAI) gegründet und die erste Oberfränkische Fachtagung KI mit weit mehr als 200 Teilnehmenden abgehalten werden. Die Profilbildung der Universität schreitet voran. Die Profilinitiativen „Gesundheit, „Mensch und Umwelt“ und „Geschlechtergerechte Forschung“ nehmen weiter Gestalt an. Mit dem Leuchtturmprojekt „GENIAL-forschen+“ ist letztere mit einem Paukenschlag gestartet.

ZLB ist eines der drittmittelstärksten Zentren für Lehrkräftebildung in Bayern

Seit 2019 kann die Universität zudem einen Drittmittelzuwachs von 40 Prozent verzeichnen, unter anderem durch die Einwerbung großer Verbundprojekte. „Leuchtendes Beispiel dafür sind die Aktivitäten des Bamberger Zentrums für Lehrerinnen- und Lehrerbildung (ZLB), das mittlerweile zu den drittmittelstärksten Zentren für Lehrkräftebildung in ganz Bayern zählt“, erläuterte der Präsident. So konnte Ende 2023 das Strukturprojekt „Wegweisende Lehrerbildung“ erfolgreich abgeschlossen werden und fast zeitgleich starteten fünf Vorhaben im Kompetenzverbund „lernen:digital“. Zahlreiche Projekte der Universität wirken im Sinne des Transfers in die Gesellschaft hinein – etwa das kürzlich eingeworbene Projekt „InTra-Bau“, das sich dem nachhaltigen Sanieren im Bestand widmet und vor allem auf die Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft setzt. Zudem gingen die „Gründungs-Hubs Oberfranken: GO!“ an den Start, in denen die oberfränkischen Hochschulen ihre Kräfte bündeln, um ein eng vernetztes Gründungsökosystem zu entwickeln.

Kooperationen in Stadt und Region

„Der in Bamberg geleistete Transfer geht dabei aber weit über die Gründungsthematik hinaus. Ebenso wichtig und kennzeichnend für unsere Universität sind Kooperationen mit Organisationen in Stadt und Region“, stellte Kai Fischbach fest. Ein Beispiel dafür ist das Engagement im Bamberger Smart City Research Lab, das zuletzt in der Einrichtung einer fakultätsübergreifenden Graduiertenschule mündete. Oder auch die jüngste Kooperation mit der Stadt Bamberg: In Zukunft gestalten Stadt und Universität die renommierte Poetikprofessur gemeinsam, die nur ein Beispiel für die zahlreichen kulturellen Veranstaltungen ist, die offen sind für alle Bürgerinnen und Bürger.

Neue Studienangebote

Der Bereich Lehre und Studium ist ein weiterer Kernbereich der Universität. Neue Studienangebote konnten zum Wintersemester starten: der Bachelorstudiengang Künstliche Intelligenz & Data Science, der Masterstudiengang Strategy & Sustainability sowie die Zertifikatsprogramme zu Bildung für nachhaltige Entwicklung und Antisemitismuskritischer Bildung. Zudem wurden das systematische Studiengangsmonitoring sowie -marketing ausgebaut und die Systemreakkreditierung abgeschlossen. Ein bedeutsamer Erfolg sei die Verlängerung des vom Stifterverband ursprünglich bis 2024 geförderten Projekts „Digitale Kulturen in der Lehre entwickeln“, das nun bis Ende des kommenden Jahres mit weiteren etwa 1,6 Millionen Euro unterstützt wird.

Zielsetzungen aus Hochschulvertrag werden mit Leben gefüllt

Um gut gerüstet zu sein für neue Formen des Lehrens und Lernens sei es wichtig, auch baulich gut aufgestellt zu sein. „Daher ist es eine großartige Neuigkeit, dass im vergangenen Jahr eine universitätsweite Liegenschaftsanalyse und eine vertiefte Machbarkeitsstudie zum Standort Feldkirchenstraße angelaufen sind“, sagte der Präsident. Die Ergebnisse werden Anfang des kommenden Jahres erwartet.

So wird es auch im November 2025 beim 378. Geburtstag der Universität für den Präsidenten sicherlich erneut vieles zu berichten geben. Die Zielsetzungen aus dem Hochschulvertrag, den Strategiepapieren und Leitbildern werden weiter Gestalt annehmen. Bereits heuer zeigte die Rede des Präsidenten insgesamt: All die Papiere erfüllen keinen Selbstzweck – in ihnen steckt das Herz der Universität und die Universitätsangehörigen füllen sie mit Leben.

Zahlreiche Preise beim Festakt übergeben

Zum Abschluss der Feierlichkeiten wurden traditionell zahlreiche Preise verliehen für besonderes Engagement in Sachen Nachhaltigkeit und Diversity sowie für herausragende Leistungen von Studierenden und Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern. Heuer waren es 22 an der Zahl:

Hans-Löwel-Wissenschaftspreis:

Claudia Eckstein

Dr. Tracy Niepold

Dr. Kathrin Peters

Friederike Schlücker

Forschungspreise gestiftet von Sparkasse Bamberg, Universitätsbund, Rotary Club Bamberg – Schloß Geyerswörth, Soroptimist International Club Bamberg Kunigunde sowie Otto-Meyer-und-Elisabeth-Roth-Stiftung:

PD Dr. Corina Erk, Habilitationspreis

Alexandra Schmölder, Melchior Otto Voit von Salzburg-Promotionspreis

Stefan Josef Breitschaft, Promotionspreis des Universitätsbundes

Dr. Chen-Hao Hsu, Promotionspreis

Alfred El Khoury, Promotionspreis

Katharina Pflügner, Promotionspreis

Preise für Engagement im Bereich Nachhaltigkeit gestiftet von der Lyzeumstiftung Bamberg:

Prof. Dr. Patrick Ulrich, Kategorie Forschung

Amelie Klebert, Kategorie Studium und Lehre

Prof. Dr. Yelva Larsen, Dr. Joachim Langstein, Khristo Dimov und Maurice Kalweit, Kategorie Studium und Lehre

Preise für Engagement im Bereich Diversität gestiftet von der Ofa Bamberg GmbH:

Dr. Petra-Andelka Anders, Kategorien Lehre und Forschung

Lilli Herbelßheimer, Kategorie Forschung

Preise für Studierende gestiftet von Deutscher Akademischer Austauschdienst, Universitätsbund Bamberg e.V. und Koinor Horst Müller Stiftung:

Katherine Eleanor Wilson, DAAD-Preis für hervorragende Leistungen internationaler Studierender an den deutschen Hochschulen

Florian Knoch, Preis für studentisches Engagement

Nicole Rupp, Preis für studentisches Engagement

Elias Stubenvoll, Preis für studentisches Engagement

Theresa Marie Sennefelder, Fritzi!-Preis für gute Abschlussarbeiten studierender Eltern

Larissa Fischer, OttoCare!-Preis für Studierende mit zu pflegenden Angehörigen

Frederic Christian Forkel, OttoCare!-Preis für Studierende mit zu pflegenden Angehörigen

Weitere Informationen zu allen Preisträgerinnen und Preisträgern sind in der Broschüre zum Dies academicus zu finden unter: https://www.uni-bamberg.de/events/da/2024/

nach oben
Seite 168414, aktualisiert 14.11.2024