Digitalisierung trägt zu gestiegener mentaler Belastung in der Bevölkerung bei – andererseits können digitale Gesundheitsangebote gezielt die Gesundheit fördern. Im Rahmen des Smart City-Projekts der Stadt Bamberg hat ein Forschungsteam die Pilotversion einer Bamberg-spezifischen mobilen Anwendung entwickelt. Sie steigert die mentale Gesundheit von Bamberger*innen, indem diese Achtsamkeit, Stressmanagementkompetenzen, Ressourcenaktivierung und emotionale Kompetenzen trainieren.
Das Zukunftsinstitut beschreibt die Digitalisierung als einen Megatrend, der sich auf sämtliche Bereiche des privaten und öffentlichen Lebens auswirkt. Auch im Bereich der Gesundheitsförderung und Prävention zeigt sich dieser Trend durch den gestiegenen Einsatz von Smart Watches, Entspannungsund Meditationsapps, Online-Workouts und weiteren digitalen Gesundheitsangeboten.
Neben der Globalisierung trägt die zunehmende Digitalisierung unserer Gesellschaft zu einer immer schnelllebigeren Welt bei, in der kaum noch Zeit zum Durchatmen und Reflektieren bleibt. Das Gefühl, ständig erreichbar sein zu müssen, ist nur ein Stressor von vielen, dem sich heute viele Menschen ausgesetzt fühlen. Derartige Belastungen spiegeln sich in den Statistiken wider: Im Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse hat sich die Anzahl der Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen zwischen dem Jahr 2000 bis 2020 mehr als verdoppelt.
Wie bleiben Menschen psychisch gesund?
Studien zeigen, dass verschiedene Kompetenzen, Lebensweisen und Grundhaltungen zu Wohlbefinden beitragen. Achtsamkeit ist dabei ein Konzept, das in den letzten Jahren zunehmend erforscht wurde. Jon Kabat-Zinn war einer der Wegbereiter der modernen Achtsamkeitsansätze und definiert Achtsamkeit als die Fähigkeit, den aktuellen Moment und auftretende Gedanken und Gefühle bewusst wahrzunehmen, ohne diese zu bewerten. Zahlreiche Studien deuten darauf hin, dass sich Achtsamkeit positiv auf die Psyche, den Körper, verschiedene Gehirnfunktionen und das Gesundheitsverhalten auswirkt. Sein Programm der Achtsamkeitsbasierten Stressreduktion beziehungsweise der Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR) enthält Elemente wie Meditation, Yoga-Übungen, Atemübungen oder Übungen zur Körperwahrnehmung.Damit legte Jon Kabat-Zinn ein erstes Achtsamkeitstraining vor, dessen Wirksamkeit in verschiedenen Studien nachgewiesen wurde. Neben der Achtsamkeitsbasierten Stressreduktion haben sich in der Zwischenzeit eine Vielzahl von weiteren evidenz-basierten Achtsamkeitstrainings entwickelt.
Eine weitere Kompetenz, die sich entscheidend auf das Wohlbefinden auswirkt, ist der Umgang mit Stress. In der Forschung versteht man Stress als einen unangenehmen Spannungszustand, der aus der Befürchtung entsteht, dass eine bedeutungsvolle und negativ wahrgenommene Situation, die unmittelbar bevorsteht oder bereits eingetreten ist, nicht kontrolliert werden kann. Im Umgang mit Stress können entweder problembezogene oder emotionsbezogene Bewältigungsstrategien eingesetzt werden. Durch den Aufbau von neuen Bewältigungsstrategien gelingt es Personen, besser mit ihrem Stress umzugehen, stressreiche Situationen frühzeitig zu erkennen und im Idealfall zu vermeiden. Insbesondere der Aufbau und die Aktivierung von bereits vorhandenen Ressourcen kann Personen als Unterstützung in ihrem Stressmanagement dienen. Außerdem kann an der Bewertung der stressauslösenden Situation angesetzt werden, indem Situationen hinsichtlich ihrer Bedrohlichkeit und Kontrollierbarkeit neu eingeschätzt werden. In verschiedenen wissenschaftlichen Untersuchungen hat sich gezeigt, dass Programme zur Stressreduktion positive Effekte auf das Wohlbefinden von Personen haben.
Zuletzt sind emotionale Kompetenzen wie die Emotionswahrnehmung und die Emotionsregulation sowie die Empathie von Personen zu nennen, die ebenfalls positiven Einfluss auf die mentale Gesundheit nehmen. In Forschungsarbeiten am Lehrstuhl für Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik konnte gezeigt werden, dass die emotionalen Kompetenzen von Teilnehmenden sowohl in Präsenztrainings als auch in einem Online-Training verbessert werden konnten. Interessierten Personen steht neben der mobilen Anwendung auch der vom Lehrstuhl entwickelte OnlineKurs Emotionale Kompetenz – Theorie und Praxis: Emotionen verstehen, wahrnehmen und regulieren auf der OPEN vhb-Plattform der Virtuellen Hochschule Bayern zur Verfügung, um die eigenen emotionalen Kompetenzen zu verbessern.
Mobile Anwendung für Wohlfühl-Spaziergänge
Da die genannten Kompetenzen und Ressourcen einerseits für Wohlbefinden relevant sind, andererseits empirisch gezeigt wurde, dass sie sich gezielt trainieren lassen, stehen sie im Zentrum des Projektes Bassd: Bamberg-spezifische Wohlfühl-Spaziergänge – die mobile Anwendung. In dem interdisziplinären Projekt kooperieren Daniela Nicklas und Florian Knoch vom Lehrstuhl für Informatik, insbesondere Mobile Softwaresysteme/Mobilität, mit Marc Redepenning, Sebastian Scholl und Vanessa Lutz vom Lehrstuhl für Geographie I (Kulturgeographie) sowie Astrid Schütz, Theresa Fehn und Marco Held vom Lehrstuhl für Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik. Sie haben eine Bamberg-spezifische mobile Anwendung zur Gesundheitsförderung von Bambergerinnen und Bambergern entwickelt.
Grundlage der mobilen Anwendung ist eine interaktive geographische Karte, die verschiedene Wohlfühl- und Kraftorte in Bamberg abbildet. In einer ersten Online-Umfrage wurden die Menschen in Bamberg dazu aufgerufen, ihre persönlichen Wohlfühlorte mitzuteilen. In einer zweiten Umfrage wurden die Orte hinsichtlich verschiedener Kriterien bewertet. Zum Beispiel sollten die Befragten einschätzen, ob sich die Orte eher zum Alleinsein oder für Geselligkeit, für Entspannung oder Aktivität eignen. Mit Studierenden wurden im Rahmen eines Seminars dann ausgehend von relevanten Theorien und empirischen Befunden Übungen zu den Themen Achtsamkeit, Stressmanagement, Ressourcenaufbau und Empathie entwickelt.
Für jeden der 16 Wohlfühlorte stehen je zwei 10- bis 15-minütige Übungen zur Auswahl. Die Übungen sind nach Kategorien unterschieden, zum Beispiel Entspannung, Aktivierung, Gemeinschaft. Die Nutzenden können gezielt geeignete Wohlfühlorte mit Hilfe der interaktiven Karte suchen. Ferner wurden einzelne Wohlfühlorte zu themenbezogenen Spaziergängen verbunden. Die Pilotversion der App soll um zusätzliche Funktionen erweitert werden, bei denen neben mentaler auch die körperliche Gesundheit und das soziale Leben in den Blick genommen werden sollen. Auch ist angedacht, die Messung von Bewegungsströmen und Besuchszahlen adaptiv einzubeziehen, sodass Wohlfühlorte je nach aktuellem Wunsch nach Einsamkeit oder Gesellschaft entsprechend aufgesucht werden können. Mehr Informationen zum Projekt Bassd erhalten Sie unter: https://www.uni-bamberg.de/scrl/projektarchiv/bassd/
Literaturempfehlung:
- Selda Koydemir, Aslı Bugay-Sökmez, Astrid Schütz (2021): A meta-analysis of the effectiveness of randomized controlled positive psychological interventions on subjective and psychological well-being. Applied Research in Quality of Life, 16(3), S. 1145–1185.
- Anja Limmer, Astrid Schütz (2021): Interactive effects of personal resources and job characteristics on mental health: A population-based panel study. International Archives of Occupational and Environmental Health, 94(2), S. 43–53.
- Sarah Geßler, Christina Köppe, Theresa Fehn, Astrid Schütz (2019): Training emotionaler Kompetenzen (EmoTrain): Ein Gruppentraining zur Förderung von Emotionswahrnehmung und Emotionsregulation bei Führungskräften. Hogrefe.
- Christina Köppe, Marco J. Held, Astrid Schütz (2019): Improving emotion perception and emotion regulation through a web-based emotional intelligence training (WEIT) program for future leaders. International Journal of Emotional Education, 11(2), S. 2,17–32.