Forschungsdaten FAIR veröffentlichen

Eine digitale Infrastruktur eröffnet neue Wege für die Erforschung des kulturellen Erbes

  • Forschung
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  • 04.10.2023
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  • Andreas Henrich, Tobias Gradl
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  • Lesedauer: 4 Minuten

Forschungsergebnisse werden in Büchern oder Fachartikeln publiziert. Was ist aber mit den Daten, die diesen Forschungen zugrunde liegen? Diese ebenfalls zu veröffentlichen, erleichtert neue Vorhaben und die Kommunikation unter den Wissenschaftler*innen. Seit 2020 wird daher in Deutschland eine Nationale Forschungsdateninfrastruktur NFDI aufgebaut. Ziel ist es, Daten nach den FAIR-Prinzipien digital bereitzustellen: Dies bedeutet neue Möglichkeiten auch für die Erforschung des kulturellen Erbes.

Wenn man von Forschung spricht, kommen einem als Ergebnis der Forschung unmittelbar Veröffentlichungen in den Sinn. Diese Veröffentlichungen werden über Verlage, Bibliotheken und Nachweissysteme zur Verfügung gestellt; eine entsprechende Recherche ist relativ gut möglich. Eine wesentliche Grundlage und auch ein Ergebnis der Forschung sind aber Forschungsdaten. In dieser Ausgabe von uni.vers werden in verschiedenen Beiträgen konkrete Beispiele für Forschungsdaten im Kontext des historischen und kulturellen Erbes beschrieben. Forschung basiert auf bestehenden Forschungsdaten, sie erzeugt aber auch Forschungsdaten oder reichert diese an. Das Bewusstsein für die Bedeutung der Daten und ihrer nachhaltigen Bereitstellung und Archivierung ist dabei in den letzten Jahren gestiegen.

Über den Umgang mit Forschungsdaten

Je nach Fachgebiet und Erkenntnisinteresse stehen sehr unterschiedliche Arten von Forschungsdaten im Vordergrund. Als Beispiele zählt die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) in ihren Leitlinien zum Umgang mit Forschungsdaten „Messdaten, Labor­werte, audiovisuelle Informationen, Texte, Surveydaten, Objekte aus Sammlungen oder Proben, die in der wissenschaftlichen Arbeit ent-
stehen, entwickelt oder ausgewertet werden“, auf (DFG, 2015). Für die Reproduzierbarkeit von Forschungsergebnissen ist die Publikation von Forschungsdaten wichtig. Die Daten, die zum Beispiel einem wissenschaftlichen Artikel zugrunde liegen, sollten dauerhaft bereitgestellt werden. Nur so kann weitere Forschung effektiv auf bisherigen Arbeiten aufsetzen.

Die Möglichkeiten hierzu werden aktuell auf verschiedenen Ebenen etabliert. Als Einstiegsmöglichkeit für die Publikation und Verwaltung von Forschungsdaten werden etwa institutionelle Repositorien, also zentrale Dokumentenserver, eingerichtet. Ein Beispiel ist – in Analogie zur University of Bamberg Press (UBP) – das Repositorium der Universität Bamberg, das Teil um­fassenderer Arbeiten zum Forschungsdatenmanagement (FDM) ist. Daneben existieren fachbezogene Repositorien, in denen Daten aus einem bestimmten Themenbereich abgelegt und mit fachüblichen Meta- und Provenienzdaten auffindbar gemacht werden. Um eine institutions- und fachübergreifende Nutzung von Forschungsdaten zu ermöglichen, hat der Rat für Informationsinfrastrukturen (RfII) 2016 den Aufbau einer nationalen Forschungsdateninfrastruktur gefordert. Aus diesen Überlegungen ging 2020 die NFDI hervor.

Bei der Verwaltung der Forschungsdaten werden allgemein die sogenannten FAIR-Prinzipien als Ziele angesehen. FAIR steht für auffindbar (findable), zugänglich (accessible), interoperabel (interoperable) und wiederverwendbar (reusable). Um dies zu erreichen, ist unter anderem die Verwendung qualitätsgesicherter Metadaten, die freie Zugänglichkeit – zumindest der Metadaten – sowie die Verwendung von Standardformaten und Normdaten sicherzustellen. Neben den FAIR-Prinzipien sind dabei auch die CARE-Standards für den Umgang mit Daten (Data Governance) relevant, die den kollektiven Nutzen, Autorität zur Kontrolle, Verantwortung und Ethik betonen.

Die Nationale Forschungsdateninfrastruktur

Durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung wird seit 2020 die Entwicklung der NFDI gefördert. Dabei hat man sich entschlossen, auf themenbezogene Konsortien zu setzen, um eine gute Ausrichtung am Bedarf der Forscherinnen und Forscher zu erreichen. In drei Ausschreibungsrunden begann die Förderung von 26 fachbezogenen Konsortien und einem querschnittlichen Konsortium für Basisdienste. Die fachlichen Konsortien adressieren Aspekte wie Biodiversität, Physik, Energiesystemforschung und vieles mehr. Zur Koordination der Fachkonsortien wurde der NFDI-Verein gegründet, in dem die einzelnen Konsortien und nutzende Institutionen wie die Universität Bamberg Mitglieder sind. Dieser Verein organisiert sich in verschiedenen Sektionen, zum Beispiel zu ethischen Fragen, zu Metadatenstandards oder zur Aus- und Weiterbildung im Bereich der Forschungsdaten.

Im engeren Bereich der Geistes- und Kulturwissenschaften werden vier Konsortien gefördert:

•          NFDI4Culture für Forschungsdaten zu materiellem und immateriellem kulturellem Erbe,

•          Text+ als sprach- und textbasierte Forschungsdateninfrastruktur,

•          NFDI4Memory für historisch arbeitende Geisteswissenschaften und

•          NFDI4Objects für die materiellen Hinterlassenschaften der Menschheitsgeschichte.

Für die Universität Bamberg spielen alle diese Konsortien eine wichtige Rolle, so sind zum Beispiel die Denkmalwissenschaften an NFDI4Objects be­teiligt. Von besonderer Bedeutung ist aufgrund der Themenschwerpunkte der Universität das Konsortium Text+, in dem der Lehrstuhl Medieninformatik der Universität Bamberg zur technischen Infrastruktur mit beiträgt.

Digitale Hilfe für die Erforschung des kulturellen Erbes

Wie können nun Wissenschaftler*innen, die das kulturelle Erbe der Menschheit erforschen, von der NFDI profitieren? Die Infrastruktur lebt von ihrer Nutzung. Die Nutzung kann zum einen dadurch geschehen, dass Ressourcen und Dienste, die von einzelnen Konsortien bereitgestellt werden, in der Forschung verwendet werden. Zum anderen ist auch das Einstellen von Forschungsdaten in die NFDI eine Möglichkeit der Partizipation.

Dabei wird sich in Zukunft eine Praxis entwickeln müssen, in der das Zusammenspiel und die Aufgabenverteilung zwischen institutionellen Repositorien, Fachportalen, die neben der NFDI existieren, und der NFDI selbst funktionieren kann. Eine weitere Frage ergibt sich im Hinblick auf das Konzept einer nationalen Forschungsdateninfrastruktur in Zeiten, in denen der internationale Austausch immer wichtiger wird. Dazu steht die NFDI im regen Austausch mit der europäischen und internationalen Community, um zumindest entsprechende Anbindungen und gegenseitige Referenzierungen zu ermöglichen.

Für die Erforschung des historischen und kulturellen Erbes bietet die NFDI die Chance, wichtige Ressourcen qualitätsgesichert und FAIR bereitzustellen, so dass Forschende in ihrer Arbeit von der Digitalisierung profitieren können.

Am Beispiel: Text+

Drei Datendomänen werden in diesem Konsortium der NFDI aufgebaut: Sammlungen, lexikalische Ressourcen und Editionen historischer und aktueller Texte. Daneben werden Beratung, Schulungen und fachlicher Austausch angeboten.

Flankiert werden die Aktivitäten in den Datendomänen durch den Bereich Infrastructure/Operations. Hier sind Arbeitspakete angesiedelt, die sich insbesondere mit der Konzeption und Umsetzung von Aktivitäten zu den FAIR-Prinzipien beschäftigen. Die Bamberger Medieninformatik übernimmt in Text+ vorrangig Aufgaben in diesem Bereich. Mitarbeitende des Lehrstuhls arbeiten derzeit beispielsweise an einer Lösung zur nachhaltigen Verzeichnung und Vernetzung text- und sprach­wissen­schaftlicher Ressourcen. Durch den zentralen Nach­weis von Editionen, Sammlungen und lexikalischen Ressourcen wird zunächst eine Übersicht in Text+ und – über Schnittstellen hinweg – auch in der gesamten NFDI möglich.

Ein Beispiel für den Nutzen von Text+ wird daher die verbesserte übergreifende Suche in historischen Zeitungen und Zeitschriften sein, die bisher an den verschiedenen Standorten einzeln durchsucht werden müssen. Auf der Seite der Datenbereitstellung erlaubt Text+ den Wissenschaftler*innen, ihre erarbeiteten Forschungsdaten über die Datenzentren von Text+ dauerhaft verfügbar zu machen oder alternativ selbst ein Datenzentrum im Verbund zu etablieren. Anlaufstelle hierzu ist das Text+-Helpdesk sowie das ab Mitte 2023 verfügbare Webportal von Text+.

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Seite 160939, aktualisiert 22.09.2023