Abenteuer Digitalisierung: Mit einer App durchs Bamberger Welterbe

"Die gestohlene Lanze" führt Kinder spielerisch durch die Stadt

  • Forschung
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  • 02.08.2023
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  • Gesine Mierke, Detlef Goller
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  • Lesedauer: 6 Minuten

Wissenschaftler*innen der Universität Bamberg überführen gemeinsam mit Bamberger Schulkindern den erfolgreichen Kinderstadtführer „Die gestohlene Lanze“ in eine App. Ziel ist es, Schülerinnen und Schülern die Bedeutung des mittelalterlichen Bamberger Welterbes in einem für sie ansprechenden Medium nachhaltig und interaktiv zu vermitteln. Zugleich sind sie selbst an der Gestaltung der App beteiligt. Ihr Begleiter auf der Stadtrallye ist Hugo von Trimberg, ein Bamberger „Schulmeister“ und einer der bekanntesten Autoren des Mittelalters. Gemeinsam mit ihm helfen die Kinder dem Heiligen Georg, Heiliger des Bamberger Stadtwappens, seine Lanze wiederzufinden.

Mit dem von Linda Wolters entworfenen und von Anne Dautermann gestalteten Kinderstadtführer „Die gestohlene Lanze. Eine abenteuerliche Stadtrallye durch das Bamberger Welterbe“ lernen Kinder zwischen acht und zwölf Jahren spielerisch das Bamberger Welterbe kennen. Darin hat ein Dieb den Heiligen Georg, der seit 700 Jahren als Ritter auf dem Bamberger Stadtwappen zu sehen ist, um seine Lanze gebracht. Angeleitet vom Bamberger „Schulmeister“ Hugo von Trimberg führen verschiedene Rätsel zu historischen Schauplätzen der Stadt und schließlich auch zur Aufklärung des Diebstahls. Nebenbei gibt es im Stadtführer, von dem bereits über 200 Exemplare im Bamberger Tourismus & Kongress Service verkauft wurden, Wissenswertes über die einzelnen Stationen hinaus nachzulesen. So werden zum Beispiel die Begriffe „Welterbe“ und „Welterbeliste“ kindgerecht erklärt.

Welterbe analog

Im Rahmen ihrer Masterarbeit im Studiengang Interdisziplinäre Mittelalterstudien hat Linda Wolters eine komprimierte und didaktisch aufbereitete Version der Suche nach der gestohlenen Lanze erarbeitet. Die Tour kann über den Kultur- und Schulservice Bamberg innerhalb des Projektes kultur.klassen gebucht werden und wurde bereits erfolgreich mit mehreren hundert Schülerinnen und Schülern verschiedener Klassenstufen und Schularten aus Bamberg und Umgebung durchgeführt. Darüber hinaus wird das Projekt wissenschaftlich begleitet; es ist eingebettet in die vielfältigen Aktivitäten des Lehrstuhls für Deutsche Philologie des Mittelalters zur Re-Etablierung von mittelalterlicher deutscher Sprache und Literatur im Deutschunterricht, die im Projekt Mittelalter macht Schule (MimaSch) von Dr. Detlef Goller gebündelt werden. Das bisherige zweiteilige Modul macht das Thema Welterbe und seine lokale Bedeutung begreifbar – in Theorie und Praxis. In einer Doppelstunde wird mit Hilfe von eigens dafür entwickelten Unterrichtsmaterialien das Konzept des Welterbes, sein Nutzen sowie seine Gefahren und spezifische Bedeutung für Bamberg erarbeitet. Nach dieser theoretischen Verortung gehen die Schülerinnen und Schüler am Tag danach außerhalb des Schulgebäudes auf eine Suche nach der gestohlenen Lanze.

Welterbe digital

Durch die stetige Weiterentwicklung digitaler Möglichkeiten und die ständigen Neuerungen im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) wird es immer wichtiger, digitale Kompetenzen sowohl an Universitäten als auch in Schulen in die vorhandenen Curricula sinnvoll einzubinden. Daher müssen Studierende, Schülerinnen und Schüler auch auf diesem Feld Grundlagenwissen erwerben, das sie auf berufliche Herausforderungen vorbereitet. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund soll in den kommenden Jahren gemeinsam mit der Professur für Germanistische Mittelalterforschung von Prof. Dr. Gesine Mierke, Studierenden der Universität Bamberg sowie Schülerinnen und Schülern der analoge Kinderstadtführer nicht nur in ein digitales Medium überführt, sondern auch inhaltlich erweitert werden. Dafür sind Kooperationen mit verschiedenen Bamberger Schulen vorgesehen. Vor allem ist ein intensiver Austausch mit Lehrerinnen und Lehrern der Fächer Deutsch, Geschichte und Informatik geplant.

In einem ersten Schritt wird im Rahmen eines Projektseminars der bisherige Stadtführer in eine digitale und regionalbezogene App überführt, für die auch eine enge Kooperation mit dem Bamberger Zentrum Welterbe angedacht ist. Gemeinsam gilt es, mit den Schülerinnen und Schülern die technischen Möglichkeiten aber auch die rechtlichen Rahmenbedingungen für ein derartiges Vorhaben auszuloten. Im Optimalfall gehen die Bedingungen über einen reinen Transfer des bestehenden Stadtführers in das digitale Medium hinaus. Neben einer Aktualisierung von inzwischen möglicherweise überholten Informationen aus dem Medium Buch ist eine Erweiterung der Informationen zu den einzelnen Stationen in Form von Wissensspielen, Hörbeispielen oder interaktiven Aufgaben denkbar. Vorstellbar sind überdies etwa eingesprochene Textzitate aus Hugo von Trimbergs mittelalterlichem Bestseller „Der Renner“. Freilich müssen die Schülerinnen und Schüler dazu zunächst in die Ausspracheregeln des Mittelhochdeutschen eingeführt werden.

Wissenstransfer zwischen Gesellschaft und Universität

Um die App ansprechend zu konzipieren und mit Wissen zu füllen, können sich Schülerinnen und Schüler im Sinne des Citizen-Science-Gedankens während der Erarbeitungsphase mit Fragen an Studierende und Lehrende des Bamberger Zentrums für Mittelalterstudien (ZeMas) wenden, um auf diese Weise in einen fachlichen Austausch über das Bamberger Welterbe zu treten. Denkbar ist beispielsweise, dass die Antworten auf die Fragen mit Hilfe einer Art Kommentarfunktion für alle einsehbar sind und die Kinder so in die inhaltliche Füllung der App eingebunden werden. Grundsätzlich ist die App-Entwicklung aber auch für Wissenschafler*innen interessant, da sie auf diese Weise erfahren, welche Fragen Schülerinnen und Schüler zum Mittelalter haben, welche Positionen sie besonders interessant finden beziehungsweise was sie bereits darüber wissen oder noch wissen wollen. Die App soll daher auch Daten sammeln und erfassen, die anschließend ausgewertet und für die Weiterentwicklung genutzt werden können. Auf diese Weise findet ein Wissenstransfer über das Mittelalter in Bamberg in zwei Richtungen statt: aus der Gesellschaft in die Universität und von der Universität in die Gesellschaft.

In einem zweiten Schritt wird darüber nachgedacht, Schülerinnen und Schüler selbst die Gestaltung einer persönlichen Klassenwelterbeapp – „Das mittelalterliche Bamberg im Klassenzimmer“ zu ermöglichen. Entsprechend zum analogen Modul werden künftig digitale Unterrichtsmaterialen zum Thema Welterbe für verschiedene Klassenstufen erarbeitet. Mit Hilfe einer für Schülerinnen und Schüler leicht bedienbaren Oberfläche sollen einzelne Klassen in Eigenregie einen digitalen Stadtführer erstellen, der wiederum nicht zwingend an den Ort Bamberg gebunden sein muss, sondern im Idealfall in Schulen an allen Welterbestätten Deutschlands und darüber hinaus eingesetzt werden kann. Auf diese Weise kommt das Bamberger Welterbe in die Klassenzimmer und bleibt dort auch digital erhalten.

Mehr zu den Inhalten des Standführers „Die gestohlene Lanze. Eine abenteuerliche Stadtrallye durch das Bamberger Welterbe“ ist zu finden unter: https://www.uni-bamberg.de/fileadmin/uni/verwaltung/presse/045-UNI-PUBLIKATIONEN/uni.vers/2010-2019/2018/12_Auf_der_Suche_nach_der_verlorenen_Lanze.pdf

 

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Seite 158493, aktualisiert 02.08.2023