Wie Podcasts wirken

Eine Auseinandersetzung mit dem Phänomen Podcasting und seinem Potential für die Wissenschaftskommunikation

Ute Schmid sitzt am Schreibtisch mit Mikro und Laptop
  • Forschung
  •  
  • 01.02.2023
  •  
  • Stephanie Fröba
  •  
  • Lesedauer: 5 Minuten

Die Hälfte aller Deutschen hört zumindest gelegentlich Podcasts – so das Ergebnis repräsentativer Umfragen. Spätestens während der pandemiebedingten Lockdowns hat das einst totgeglaubte Medium wieder an Attraktivität gewonnen. Warum ist das so? Und kann mit diesem Trendmedium möglicherweise die Wissenschaft ein ganz neues Publikum erreichen? Forscher*innen der Universität Bamberg sehen hier in jedem Fall Potential.

Vor zwei Jahren gehörte ich zu den Menschen, die mit Podcasts nichts anfangen konnten. „Das Medium hat mich noch nicht“, habe ich in Gesprächen oft betont. Und ich hätte mir nicht im Geringsten ausmalen können, dass Podcast-Hören sich in meine Alltagsrituale einreiht. Heute läuft bei meinem wöchentlichen Badputz der gesellschaftsphilosophische Podcast Lanz & Precht, obwohl ich den Fernsehmoderator Markus Lanz eigentlich noch nie besonders leiden konnte. Beim Wäsche-Aufhängen und Geschirrspülen hat mich „mein“ Elternpodcast schon mehrfach zum Krank-Lachen gebracht, obgleich ich keine Kinder habe. Und auch für Großprojekte wie Keller-Ausmisten oder Belege-Einsortieren ist meine Podcast-Bibliothek mittlerweile lang genug, um meine ganze Wohnung umzukrempeln. Das Medium hat mich – seit Tag eins ab Download meiner Podcast-App drei ganze Stunden pro Woche.

Von solchen oder ähnlichen Szenarien können in Deutschland wahrscheinlich viele Menschen berichten. Vera Katzenberger, Jana Keil und Dr. Michael Wild vom Institut für Kommunikationswissenschaft widmen sich in ihrer aktuellen Forschung dem Medium Podcast mit Fokus auf das Selbstverständnis der Podcastmacher*innen und die Motive der Podcasthörer*innen. Repräsentative Studien zeigen, dass etwa die Hälfe aller Deutschen zumindest gelegentlich Podcasts hört. Michael Wild erklärt: „Die Beliebtheit des Mediums liegt sicherlich unter anderem daran, dass die Nutzungsweise von Podcasts den Bedürfnissen der Hörer*innen nach Autonomie und einer selbstsouveränen Nutzung entgegenkommt: Podcasts können zeit- und ortsunabhängig gehört werden.“

Doch nicht nur, wann und wo Podcasts konsumiert werden können, ist flexibel und individuell, sondern auch, was gehört werden kann. Ein Thema, das es nicht gibt, gibt es quasi nicht. Die Titel sprechen für sich und bilden unter Umständen das ganze Spektrum eines Lebens ab: News Plus, Geheimnisse der Gesundheit, Wie werde ich reich, Kunst Please, Wir kaufen uns ein Haus, Betreutes Fühlen, IQ und so weiter...

Wissenschaftspodcasts an der Universität Bamberg

Miteingereiht haben sich längst auch Wissenschaftspodcasts – so auch Formate aus der Universität Bamberg wie Die Bamberger Psychokalypsevon Niklas Döbler, Prof. Dr. Claus-Christian Carbon und Dr. Marius Raab vom Lehrstuhl für Allgemeine Psychologie und Methodenlehre oder Servus KI von einem Team rund um Prof. Dr. Ute Schmid vom Lehrstuhl für Kognitive Systeme. Während letzterer Podcast im Januar 2023 begann und durch das Programm Eine Uni – ein Buch gefördert wird, startete das Psychologie-Trio seine Podcast-Karriere schon kurz nach Beginn der Einschränkungen durch Covid-19 und schuf so einen öffentlich-medialen Diskussionsraum für psychologische Wissenschaft.
Die Anlässe und zündenden Ideen, die die forschenden Podcaster*innen antreiben, erzählen immer ihre eigene Geschichte. Allesamt hätten die Chance, ein breites Publikum für Wissenschaft zu begeistern. Kommunikationswissenschaftlerin Vera Katzenberger beschreibt dieses Potential als Folge des freien Spielraums: „Podcasts sind ein Medium, in dem Wissenschaftler*innen die Ergebnisse aus ihrer Forschungsarbeit selbstbestimmt an die Öffentlichkeit kommunizieren können. Sie können ihre Erkenntnisse damit unabhängig von Journalist*innen und Öffentlichkeitsarbeiter*innen mit einem breiten Publikum teilen. Außerdem bieten Podcasts aufgrund ihrer Freiräume, zum Beispiel im Hinblick auf die Länge und die Gestaltung der Inhalte, auch die Möglichkeit, abseits der reinen Ergebnispräsentation auch ausführlich und transparent über den gesamten Forschungsprozess und seine Herausforderungen zu sprechen.“

Verbindung zwischen Podcast-Hosts und Publikum

Die Möglichkeit allein macht die Forschungspodcasts noch nicht zu erfolgreichen Selbstläufern. Nur durch gutes Storytelling können Inhalte nahbar und fesselnd präsentiert werden. Ein authentisches Auftreten der Podcast-Hosts trägt außerdem dazu bei, Verbindungen zum Publikum herzustellen. Gerade durch diese Vermischung von Persönlichem und Sachlichem kann ein dauerhaftes Interesse am Podcast-Thema erwachsen. „Die Hörer*innen können dadurch in die Welt des Mediums regelrecht eintauchen“, bestätigt die Podcast-Forscherin Jana Keil und ergänzt: „Aktuelle Studien zeigen auch, dass sie teilweise sogar eine freundschaftliche Beziehung zu den Podcaster*innen aufbauen – eine sogenannte parasoziale Beziehung.“ Als Wissenschaftler*in so eine Beziehung durch einen Podcast zu provozieren und gegebenenfalls hervorzurufen, ist sicherlich nicht einer und eines jeden Sache. Eine Herausforderung ist es allemal!

In meinem persönlichen Fall bin ich mir sicher, dass der Aspekt der freundschaftlichen Beziehung durchaus mein Podcast-Hörerinnenverhalten beeinflusst. Bei Lanz & Precht eher wegen Precht, bei meinem Elternpodcast weniger wegen der Kindergeschichten, sondern vielmehr wegen der sympathischen Eltern Marie und Sebastian, die offen über ihre Struggles und Learnings als Paar sprechen. Trotzdem kann ich sagen – gerichtet an die Zweifler*innen der personalisierten Öffentlichkeitsarbeit –, dass mich keineswegs nur der persönliche Touch am Podcast-Hören festhalten lässt. Als Philosophie-Alumna hege ich ein ernsthaftes Interesse an einer übergeordneten Sicht auf das aktuelle Geschehen, die mir der gesellschaftsphilosophische Podcast gibt. Und als Mensch unter Menschen finde ich es in vielerlei Hinsicht spannend, wie unser Verhalten zueinander den feinen Unterschied macht. Was unsere Uni-Wissenschaftspodcasts betrifft, hat mich aktuell das Podcast-Fieber noch nicht erwischt. Aber wer weiß, vielleicht sage ich bei meiner nächsten Fensterputzsession ja „Servus“ zur KI oder begebe mich in die nächste BambergerPsychokalypse?

Lesetipp:

Vera Katzenberger, Jana Keil, Michael Wild (2022): Podcasts. Perspektiven und Potenziale eines digitalen Mediums. Online unter: https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-38712-9

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Seite 156022, aktualisiert 01.02.2023