Mit einem Koffer und einer Portion Vorfreude in die Welterbestadt

Ilka Wolter ist neue Professorin an der Universität Bamberg. Im Interview stellt sie sich vor.

Ilka Wolter
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  • 18.02.2022
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  • Hannah Fischer
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  • Lesedauer: 6 Minuten

Lediglich mit einem großen Koffer und einer Portion Vorfreude ist Prof. Dr. Ilka Wolter 2014 in Bamberg angekommen und hat zunächst als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) gearbeitet. Seit Januar 2022 ist sie Professorin für Bildungsforschung mit dem Schwerpunkt Entwicklung und Lernen an der Otto-Friedrich-Universität. Zugleich leitet sie die Abteilung „Kompetenzen, Persönlichkeiten, Lernumwelten“ des LIfBi. Welcher Weg sie in die Welterbestadt geführt hat, wie sich ihr Berufswunsch während ihres Studiums gewandelt hat und wo heute ihre Forschungsschwerpunkte liegen, verrät sie im Interview.

Sie sind jetzt Professorin. War das schon immer Ihr Berufswunsch?

Ilka Wolter: Während meines Psychologiestudiums habe ich eigentlich immer gedacht, dass ich gerne einmal Psychotherapeutin werden möchte. Das war das Berufsfeld, das für mich – wie für viele andere auch – in der Psychologie am sichtbarsten war. Nachdem ich das Grundstudium in Magdeburg absolviert hatte, bin ich für das Hauptstudium nach Marburg gezogen. Dort habe ich als studentische Hilfskraft in der Entwicklungspsychologie gearbeitet und hatte mit vielen interessanten Themen zu tun, wie etwa der Eltern-Kind-Bindung bei Neugeborenen. Dadurch wurde mein Interesse an der Wissenschaft geweckt und ich bin dabei geblieben. Das konkrete Ziel einer Professur hat sich erst in den vergangenen Jahren herausgebildet.

Welcher Weg hat Sie nach dem Studium zur Professur geführt?

Nach dem Studium habe ich an der Freien Universität Berlin promoviert und als PostDoc gearbeitet. Mit einem DFG-Forschungsstipendium konnte ich anschließend als Gastwissenschaftlerin ein Jahr an der University of Sussex in England an einem eigenen Forschungsprojekt arbeiten. Das war eine tolle Erfahrung, weil ich dort sehr selbstbestimmt forschen konnte. Generell schätze ich an der Wissenschaft, dass man immer Neues lernt, neue Kooperationen eingeht und viele freie Räume hat, sich mit Themen zu beschäftigen. Man kann sozusagen seine eigene Arbeitswelt gestalten. Nach der Station in England bin ich direkt nach Bamberg an das damals neu gegründete LIfBi gekommen, wo ich im Bereich der Kompetenzentwicklung vor allem mit den Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) gearbeitet habe. Dort wurde ich dann bald Nachwuchsgruppenleiterin und anschließend vertrat ich kommissarisch die Direktorin des Instituts Prof. Dr. Cordula Artelt als Abteilungsleiterin. Die Abteilungsleitung bedeutete für mich bereits eine viel stärkere Verbindung zur Universität. Die Bewerbung auf die Professur war für mich der logische nächste Schritt. Zusätzlich leite ich jetzt auch offiziell die Abteilung „Kompetenzen, Persönlichkeiten, Lernumwelten“ am LIfBi.

Zu welchen Schwerpunkten forschen Sie?

Einer meiner Forschungsschwerpunkte liegt im Bereich Kompetenzen und Kompetenzentwicklung. Dabei beschäftige ich mich vor allem mit dem Sekundarschulbereich. Ein weiterer Schwerpunkt ist der Einfluss von Geschlechterrollen und -stereotypen. Interessieren sich Schülerinnen und Schüler geschlechtsabhängig für unterschiedliche Dinge? Wie entwickeln sich Kompetenzen, Motivationen und auch Selbstkonzepte und hat das Geschlecht darauf einen Einfluss? Am LIfBi schaue ich mir aber auch an, wie sich der Umgang mit digitalen Medien über die Lebensspanne entwickelt oder wodurch soziale Ungleichheiten in kognitiven und sozio-emotionalen Kompetenzen sowie Lebensläufen entstehen.

Können Sie von einem besonders interessanten Forschungsprojekt berichten?

In einem Projekt haben wir uns Kompetenzentwicklungsprofile angeschaut und uns die Frage gestellt: Wie entwickeln sich im Sekundarschulbereich Mathematik- und Lesekompetenz im Verhältnis zueinander? Entwickeln sie sich ähnlich? Oder spezialisieren sich Kinder und Jugendliche auf eins von beidem? Wir konnten herausfinden, dass sich die Kompetenzen zwischen der 5. und 9. Klasse parallel zueinander entwickeln. Ab der Oberstufe sehen wir einen stärkeren Zuwachs in den Mathematikkompetenzen im Vergleich zu den Lesekompetenzen. Das Projekt werden wir weiterführen und im nächsten Schritt schauen, inwiefern bestimmte Kompetenzprofile zum Ende der Pflichtschulzeit erklären, welchen weiteren Weg Jugendliche einschlagen. Dabei fragen wir uns etwa, ob Jugendliche mit höheren Mathematikkompetenzen sich eher für einen Beruf oder ein Studium im MINT-Bereich entscheiden. Möglicherweise hängt das auch mit den Selbstkonzepten der Schülerinnen und Schüler zusammen.

Sie haben Psychologie studiert und auch Ihre Professur ist in der Psychologie angesiedelt. Warum sollte man das Fach heute studieren?

Psychologie ist ein sehr vielfältiges Fach, das Spaß macht. Es ergeben sich innerhalb des Studiums viele Anwendungsbezüge, weil sich die Psychologie mit zentralen gesellschaftlichen Themen auseinandersetzt. Neben vielen interessanten Themen im Bereich der klinischen Psychologie geht es zum Beispiel auch darum, wie wir lebenslang Lernen oder wie wir mit digitalen Medien oder Fake News umgehen. Wir behandeln aber auch Themen in der Sozialpsychologie, wie etwa Stereotype oder Vorurteile, die in Forschungsfeldern zur Entstehung und Aufrechterhaltung beispielsweise von Rassismus und Sexismus relevant sind.

Was haben Sie für die Lehre geplant?

Ich habe bereits vorher gelegentlich Seminare gegeben, insbesondere in der Psychologie, aber auch in Lehramtsstudiengängen. Diese Studiengänge werden für mich auch in Zukunft in der Lehre besonders im Fokus stehen. Wichtig sind mir eine gute Diskussionskultur und der Anwendungsbezug der besprochenen Theorien und Forschungsbefunde. Anhand von praktischen Beispielen lassen sich etwa im Lehramt vor allem Fragestellungen zur Heterogenität in Klassen behandeln. Dazu zählen beispielsweise Geschlecht und Migration, aber auch Leistungsheterogenität oder Personen mit sonderpädagogischem Förderungsbedarf. Außerdem möchte ich gerne das Forschungskolloquium, das ich seit einigen Jahren in Kooperation mit den Professorinnen Cordula Artelt und Sabine Weinert an der Universität Bamberg im Rahmen der Bamberg Graduate School of Social Sciences (BAGSS) anbiete, weiterführen.

Und was ist Ihnen dabei in der Lehre besonders wichtig?

Mir ist es wichtig, in den Seminaren immer wieder Verbindungen zu aktuellen Forschungsarbeiten herzustellen. Außerdem möchte ich den Studierenden das wissenschaftliche Arbeiten anhand dieser Themen beibringen und ihnen das nötige Werkzeug und die Methoden an die Hand geben, sodass sie selbstreguliert lernen können.

Sie sind bereits 2014 nach Bamberg gekommen. Können Sie sich noch an Ihre ersten Tage hier erinnern?

Ich war am Tag vor meinem Arbeitsbeginn zum ersten Mal in Bamberg. Die Bewerbung und auch die Wohnungssuche liefen komplett online ab, weil ich ja noch in England war. Also kam ich mit einem riesigen Koffer an und war ziemlich aufgeregt, weil ich eine Verpflichtung eingegangen war, ohne die Stadt und auch das Team in der Arbeit wirklich zu kennen. Aber bis heute habe ich es nie bereut, weil mir die Arbeit viel Spaß macht und ich meine Kolleginnen und Kollegen sehr schätze. In den ersten Monaten in Bamberg habe ich übrigens in einer WG mit Miriam Hess zusammengewohnt, die seit Sommer 2021 ebenfalls Professorin an der Universität Bamberg ist. Durch sie hatte ich auch einen großartigen privaten Einstieg in Bamberg.

Vielen Dank für das Interview!

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Seite 149578, aktualisiert 03.08.2022