Auf Wahlen, Diskriminierung und Rassismus legt Sabrina Mayer den Fokus

Die neue Professorin ist Inhaberin des Lehrstuhls für Politische Soziologie.

Sabrina Mayer auf einem Flur
  • Menschen
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  • 13.06.2022
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  • Hannah Fischer
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  • Lesedauer: 5 Minuten

Wählen narzisstische Menschen häufiger die AfD? Welche Personen haben rassistische Einstellungen? Wie kann man Menschen in Kriegsgebieten wiederholt befragen? Diese Fragen stellt sich Prof. Dr. Sabrina Mayer in ihrer Forschung. Seit April 2022 hat sie den Lehrstuhl für Politische Soziologie an der Universität Bamberg inne. Im Interview verrät sie, warum man heute ihr Fach studieren sollte, was ihr in der Lehre besonders wichtig ist und warum sie von Bamberg positiv überrascht ist.

Frau Mayer, Sie haben den Lehrstuhl für Politische Soziologie inne. Zu welchen Schwerpunkten forschen Sie?

Sabrina Mayer: Einer meiner Schwerpunkte ist die Wahlforschung. Konkret beschäftige ich mich mit dem Wahlverhalten der Bevölkerung und lege dabei ein besonderes Augenmerk auf die Wahl der AfD. Ich frage mich etwa: Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Persönlichkeitseinstellungen und der Entscheidung für die AfD? Wählen narzisstische Menschen häufiger die AfD? Und wenn ja, gibt es bestimmte Emotionen wie zum Beispiel Wut, die das zusätzlich beeinflussen? Ein weiterer Schwerpunkt ist die Diskriminierungs- und Rassismusforschung. Dabei betrachte ich, wer rassistische oder abwertende Einstellungen hat – auch innerhalb von Gruppen, die selbst einen Migrationshintergrund haben. Ein dritter Schwerpunkt ist das Wahlverhalten von Menschen mit Migrationshintergrund und jungen Wähler*innen.

Können Sie von einem konkreten Forschungsprojekt berichten?

Ein abgeschlossenes Forschungsprojekt dreht sich um den Zusammenhang zwischen Narzissmus und AfD-Wahl. Den Begriff kennt fast jeder und man hat bestimmte Vorstellungen davon, was Narzissmus und wer ein Narzisst ist. Vielleicht denkt man an Personen wie Donald Trump. Die Frage ist aber, wie sieht es bei den Wähler*innen aus: Wie wirkt es sich auf die AfD-Wahl aus, wenn sie narzisstische Persönlichkeitsstrukturen haben? Im Projekt haben wir unterschieden zwischen positivem und negativem Narzissmus. Positiver Narzissmus zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass die Person sich selbst überhöht. Negativer Narzissmus wertet andere Menschen ab. Wir haben herausgefunden, dass vor allem die Form des negativen Narzissmus stark mit der Wahl der AfD zusammenhängt. Insbesondere wütende Menschen, die diese narzisstische negative Einstellung haben, tendieren zur Wahl der AfD. Das Projekt hat mir viel Spaß gemacht, weil man sich auch die Persönlichkeit und Emotionen der Menschen anschauen konnte. Emotionen sind in der Politik ja fast überall.

Haben Sie dann auch mal Psychologie studiert?

Nein, tatsächlich nicht. Aber meine ganze Forschung spielt sich im Bereich der politischen Psychologie ab. Das ist ein Grenzgebiet zwischen Politikwissenschaft, Sozial- und Persönlichkeitspsychologie. Dadurch habe ich auch schon in psychologischen Fachzeitschriften einige Artikel veröffentlicht.

Woran forschen Sie aktuell?

Ein Projekt, das gerade ins Feld geht, ist eine Machbarkeitsstudie im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg. Wir schauen uns dabei an, wie man mit Social Media-Werbung eine Möglichkeit schaffen könnte, Menschen in Kriegsgebieten zu erreichen und wiederholt zu befragen, um dann beispielsweise zu sehen, wer ins Ausland migriert, wer vor Ort bleibt und wie das auch die Einstellung der Menschen beeinflusst.

Welcher Weg hat Sie nach Bamberg geführt?

Ich habe sozusagen eine Deutschlandtour gemacht: Ursprünglich komme ich aus der allertiefsten schwäbischen Provinz in Baden-Württemberg. Dann habe ich erst in Freiburg und anschließend in Mainz die Fächer Politikwissenschaft, Informatik und BWL studiert. In Mainz habe ich zum Thema Parteibindungen promoviert.  Anschließend ging es für mich nach Berlin, dann an die Universität Duisburg-Essen und wieder zurück nach Berlin. Dort bin ich am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) beschäftigt und leite auch weiterhin das Forschungsdatenzentrum. Die Position in Bamberg hat mich inhaltlich angesprochen, weil sie generell sehr gut zu meiner bisherigen Forschung und auch zu meinen Projekten am DeZIM passt. Und dann hat das geklappt. Eigentlich hatte ich Bayern insbesondere fürs Studium nie in Erwägung gezogen. Doch jetzt frage ich mich schon: Wie konnte mir das so lange entgehen?

Wie war Ihr erster Eindruck von Bamberg?

Ich finde es hier wirklich schön. Vorher habe ich acht Jahre in Berlin-Neukölln gewohnt. Dann kommt man hierher und es ist wie ein steingewordener Traum mit den hübschen Häusern und den ganzen Traditionen und Bierkellern. Es ist für mich ein schöner Kontrast zu Berlin, wo ich ja weiterhin noch arbeite und die meiste Zeit wohne. Selbst zur S-Bahn laufe ich in Berlin länger als hier von der Feldkirchenstraße in die Innenstadt.

Was ist Ihnen in der Lehre besonders wichtig?

Mir ist sehr wichtig, respektvoll und wertschätzend mit den Studierenden zusammenzuarbeiten. Denn ich komme von klassischen Massenuniversitäten, an denen 3.000 Leute einen Studiengang studieren. Das fand ich immer sehr unpersönlich. Das heißt, ich versuche mir in der Regel die Namen der Studierenden zu merken und bringe ihnen Aufmerksamkeit entgegen. Didaktisch ist mein Ansatz „Hilfe zur Selbsthilfe“. Ich möchte, dass die Studierenden am Ende eines Kurses befähigt sind, eigene Analysen durchzuführen. Bei mir gibt es sozusagen die Startvoraussetzungen und die Begleitung. Aber die Studierenden müssen schon selbst aktiv werden, weil sie nur dann etwas lernen. Auf der inhaltlichen Seite ist es mir wichtig, aktuelle Themen einzubringen, zu denen ich forsche, sodass die Studierenden zusätzlich zur reinen Theorie auch gleich eine Idee haben, wie man diese empirisch einsetzen kann.

Warum sollte man heute Ihr Fach studieren?

Man sollte heute Politikwissenschaft studieren, weil man in der Regel eine sehr fundierte Ausbildung im analytischen Denken mitbekommt. Gerade hier in Bamberg, wo theoriegeleitete empirische Forschung so im Vordergrund steht, bekommen Studierende meiner Meinung nach eine hervorragende Grundlagenausbildung und lernen die Umsetzung in empirische Praxis. Wenn man sich entsprechend spezialisiert, sei es beispielsweise im Bereich Datenanalyse, dann ist es immer gut, einen theoriegeleiteten sozialwissenschaftlichen Hintergrund zu haben. Denn Daten auszuwerten, ohne zu verstehen, was eigentlich kausal passiert, greift meines Erachtens zu kurz.

Vielen Dank für das Interview!

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Seite 151539, aktualisiert 03.08.2022