Neu an der Universität: Sophie Jörg stellt sich vor

Sie ist seit März 2023 Professorin für Computergrafik und ihre Grundlagen

Sophie Hut steht mittig vor einer bewaldeten Fläche und lächelt in die Kamera
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  • 30.08.2023
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  • Hannah Fischer
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  • Lesedauer: 4 Minuten

Während ihres Studiums war Prof. Dr. Sophie Jörg im Rahmen eines Praktikums an der Produktion einer Kinderserie mit animierten Drachen beteiligt. Die technischen Herausforderungen bei der Animation der Charaktere weckten in ihr das Interesse, sich tiefgehender und aus einer Forschungsperspektive mit der sogenannten Motion Capture-Technik zu beschäftigen. Heute hat Sophie Jörg die Professur für Computergrafik und ihre Grundlagen an der Universität Bamberg inne. Im Interview stellt sie sich vor, gibt einen Einblick in die Welt der virtuellen Charaktere und erzählt, welcher Weg sie vom Praktikum bis zur Professur in der Welterbestadt geführt hat. 

Sie haben seit März 2023 die Professur für Computergrafik und ihre Grundlagen in Bamberg inne. Hatten Sie vorher schon eine Verbindung zu Bamberg? Und wie war ihr erster Eindruck von der Universität?

Sophie Jörg: Ich hatte vorher keinerlei Verbindung zu Bamberg und habe mich vor allem auf der Webseite über die Uni und die potentiellen neuen Kolleg*innen informiert. Bamberg hat mich sehr angesprochen – vor allem das Motto „Der Mensch im Mittelpunkt“. Ich finde es auch toll, dass an der Fakultät für Wirtschaftsinformatik und Angewandte Informatik so viele Personen dank der Hightech Agenda Bayern, zu der auch meine Professur gehört, aktuell neu anfangen. Das erzeugt einen Zustrom von Leuten, die etwas aufbauen wollen, die aber auch alle vor den gleichen Fragen und Herausforderungen stehen. Ein neuer Kollege hat sogar ein Dokument für uns andere erstellt, in dem er die passenden Antworten auf all die Fragen, die man sich am Anfang stellt, gesammelt hat. Insgesamt ist die Atmosphäre sehr kollaborativ, es wird sich gegenseitig geholfen und zusammengearbeitet. 

Welcher Weg hat Sie in die Welterbestadt geführt?

Zunächst habe ich Physik in Freiburg und anschließend Medientechnik in Hamburg studiert. Gegen Ende meines Studiums habe ich ein Praktikum bei einer kleinen Firma gemacht. Dort produzierten wir mit Motion Capture-Technik eine Kinderserie mit animierten Drachen. Unter Motion Capture versteht man ein Tracking-Verfahren zur Erfassung und Aufzeichnung von Bewegungen, sodass Computer diese weiterverarbeiten können. Damals mussten wir sehr viel manuell nachbearbeiten. Das war aufwändig. Vor allem die Hände der Charaktere waren damals schwierig aufzuzeichnen. Ich hatte den Eindruck, dass an den Techniken noch viel Verbesserungsbedarf bestand. In meiner Diplomarbeit, die ich am Fraunhofer-Institutszentrum Schloss Birlinghoven geschrieben habe, habe ich mich dementsprechend mit Motion-Capture beschäftigt. Anschließend bin ich für die Promotion am Trinity College in Dublin gelandet. Als PostDoc ging es an die Carnegie Mellon University in Pittsburgh und anschließend für zehn Jahre als Assistant und Associate Professor an die Clemson University in South Carolina. Jetzt war es für mich Zeit, etwas Neues auszuprobieren und auch wieder nach Deutschland zurückzukommen. 

Wo liegen Ihre Forschungsschwerpunkte?

Zunächst habe ich mich vor allem mit Motion Capture und Charakteranimation beschäftigt und bin dadurch auf das Forschungsfeld der Wahrnehmung von Bewegungen virtueller Charaktere gekommen. Dazu haben wir auch kürzlich ein Paper veröffentlicht, das wir Anfang August auf der SIGGRAPH, der größten Konferenz zum Thema Computergrafik, vorgestellt haben. Ein großer Teil meiner Forschung beschäftigt sich inzwischen mit virtueller Realität und wie Charaktere dort animiert werden können. Ich frage mich zum Beispiel, inwiefern das Aussehen, die Bewegung und die Steuerung von virtuellen Charakteren eine Auswirkung darauf haben, wie wir uns verhalten und wie wir in virtuellen Welten kommunizieren. Ein Ziel ist, dass wir in virtuellen Welten genauso effektiv kommunizieren können wie in der echten Welt. Es gibt dabei aber noch vieles, das unklar ist. Wir wissen, dass das Aussehen eines Selbstavatars – also des eigenen Charakters in der virtuellen Realität – beeinflusst, wie wir uns im Virtuellen, aber auch wie wir uns in der realen Welt verhalten. Wie das genau funktioniert, ist noch kaum erforscht. 

Worum geht es in dem Paper, das Sie bei der SIGGRAPH vorstellen werden?

Es geht in dem Paper darum, inwiefern es wichtig ist, korrekte Handbewegungen für virtuelle Charaktere zu erzeugen. Um das herauszufinden, haben wir Schauspieler*innen Scharade spielen lassen, sie dabei mit Motion Capture aufgezeichnet und anschließend die Handbewegungen verändert. Dann haben wir untersucht, ob die in der Scharade dargestellten Begriffe noch erraten werden können, auch wenn die Handbewegungen künstlich verändert wurden. Wir haben zum Beispiel herausgefunden, dass man erstaunlich viel an den Handbewegungen verändern kann, bevor die Scharaden nicht mehr zu verstehen sind. Manche Veränderungen sind für die Ratenden auch unangenehm, zum Beispiel, wenn die Person stark zittert. 

Welche Herausforderungen gibt es, wenn man Hände in der virtuellen Realität animieren möchte?

In einem Projekt haben wir uns angeschaut, wie wir in virtuellen Realitäten greifen. Idealerweise soll das Interface so natürlich wie möglich gestaltet sein, sodass wir mit unseren Händen auch in der virtuellen Realität ganz normal etwas greifen können. Das führt aber zu Schwierigkeiten. Greife ich in der Realität zum Beispiel nach meiner Kaffeetasse, dann erzeugt diese einen Widerstand. Wenn ich aber eine virtuelle Tasse in die Hand nehmen möchte, dann greife ich vielleicht ein bisschen durch sie hindurch. Wir haben uns gefragt, wie wir diesen Umstand in der virtuellen Realität am besten visualisieren können. Können wir mit visuellem Feedback dem Nutzer zeigen, dass er die Tasse wirklich gegriffen hat? Weil ein haptisches Feedback gibt es ja nicht. Und wie sollen wir die Hand animieren? Soll sie durch die Tasse durchgreifen, sodass man die reale Bewegung sieht oder ist es besser eine idealisierte Handbewegung darzustellen, in der der Nutzer die Tasse korrekt umfasst? 

Wo sehen Sie mit Ihrer Forschung Anknüpfungspunkte an andere Fächer an der Universität Bamberg?

Ein Projekt ist tatsächlich schon am Start mit Professorin Mona Hess aus den Digitalen Denkmaltechnologien. Es geht dabei darum, mit Hilfe von Augmented Reality einen Teil der Geschichte Bambergs an verschiedenen Orten und Gebäuden sichtbar zu machen. Das Projekt ist am Smart City Research Lab verortet. Außerdem sehe ich Anknüpfungspunkte bei den neuen KI-Professuren. Denn zur Animation von virtuellen Charakteren werden inzwischen auch neuronale Netzwerke genutzt. 

Mit den vielen neuen sowie den etablierten Professuren und Lehrstühlen an der WIAI bietet die Universität Bamberg ein vielseitiges Informatikstudium an. Was müsste sich aus Ihrer Sicht ändern, dass sich noch mehr junge Frauen für ein Informatikstudium einschreiben?

Es gibt schon sehr viele Programme, die versuchen, Mädchen und junge Frauen an die Informatik heranzuführen. In den USA habe ich mich zum Beispiel bei einem Projekt engagiert, bei dem wir Sechst- bis Achtklässlerinnen das Programmieren beigebracht haben. Sie haben zum Beispiel einen virtuellen tanzenden Charakter programmiert. Ganz toll finde ich auch, was Professorin Ute Schmid hier in Bamberg auf die Beine gestellt hat. Sie setzt auf ganz vielen Ebenen an. Das eigentlich Schwierige sind meiner Meinung nach die Stereotype, die in der Gesellschaft vorhanden sind. Wir sollten damit aufhören, Frauen und Männer in bestimmte Kategorien zu pressen. Diese Stereotype zu ändern, ist ein langer Weg. Eine kurzfristigere Stellschraube wäre es aber zum Beispiel, den Weg von der Promotion zur Professur in Deutschland zu erleichtern. 

Warum sollte man sich aus Ihrer Sicht für ein Informatikstudium entscheiden?

Die Informatik – und das war mir selbst früher gar nicht so bewusst – eröffnet einem sehr, sehr viele berufliche Möglichkeiten in Theorie und Praxis. Als Informatiker*in macht man jeden Tag viele verschiedene Sachen und sitzt entgegen der Vorurteile nicht nur vor dem Rechner. Abgesehen davon: Wenn man auch nur ein bisschen programmieren kann, kann man sich das Leben damit sehr erleichtern. Dafür muss man gar nicht in die Kerninformatik hinein. 

Vielen Dank für das Interview! 

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Seite 160529, aktualisiert 30.08.2023