Digitale Plattformen betreffen Mensch, Wirtschaft und Gesellschaft

Thomas Kude, neuer Professor für Plattformökonomie, stellt sich vor.

Portrait von Professor Thomas Kude
  • Menschen
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  • 23.03.2023
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  • Hannah Fischer
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  • Lesedauer: 5 Minuten

Aus unserem Leben sind sie kaum wegzudenken: Digitale Plattformen. Doch was ist eine digitale Plattform eigentlich? Und was gibt es da zu erforschen? Prof. Dr. Thomas Kude ist neuer Professor für Wirtschaftsinformatik, insbesondere Plattformökonomie, an der Universität Bamberg und hat damit einen der Lehrstühle aus der Hightech Agenda des Freistaats Bayern inne. Im Interview beantwortet er Fragen zu seinen Forschungsschwerpunkten, welcher Weg ihn in die Welterbestadt Bamberg geführt hat und warum digitale Plattformen Chancen, aber auch Schwierigkeiten bergen.

Lieber Herr Kude, Sie haben den Lehrstuhl für Plattformökonomie inne. Was kann ich mir unter Plattformen in diesem Kontext vorstellen?

Thomas Kude: Unter digitalen Plattformen kann man sich zum Beispiel so etwas wie Airbnb oder Uber vorstellen, wo eine große Zahl an Interaktionen und Transaktionen ermöglicht werden. Es kann sich aber auch um Plattformen wie Apple IOS oder Android handeln oder Unternehmenssoftware wie SAP. Ganz grob gesagt, geht es mir in meiner Forschung um die zunehmende Bedeutung dieser Plattformen in Wirtschaft und Gesellschaft. Sie betreffen uns alle – zum einen als Individuen in unserem persönlichen Leben und in unserer Arbeitswelt, zum anderen aber auch die Gesellschaft als Ganzes, weil sie in vielen Fällen Teile der Infrastruktur sind, auf der unsere Wirtschaft und Gesellschaft basieren. Dementsprechend ist es wichtig, dass wir uns überlegen, wie diese Plattformen gestaltet werden, wie sie erfolgreich sein können, aber auch, wie wir diese Plattformen regulieren wollen.

Was genau erforschen Sie?

Einer meiner Schwerpunkte liegt auf der Softwarebranche und der sogenannten App-Economy. Ich schaue mir große und kleine Softwareanbieter an und untersuche, wie sie im Kontext digitaler Plattformen zusammenarbeiten. Darüber hinaus erforsche ich potentielle Schwierigkeiten, die bei der Teilnahme an solchen Plattformökosystemen entstehen können – insbesondere auch für kleinere Organisationen. Einerseits sind solche Plattformen für Start-ups und kleine Softwarefirmen eine großartige neue Möglichkeit, weil Plattformen als Basis für eigene Produkte und Dienstleistungen dienen und über Plattformen ein riesengroßer Markt angesprochen werden kann. Das war früher in der Form oftmals nicht möglich. Zum anderen haben Plattformanbieter sehr viel Macht, können Regeln vorgeben und die kleinen Unternehmen sind dementsprechend auf das Wohlwollen der Plattform angewiesen.

Können Sie von einem ausgewählten Forschungsprojekt berichten?

Viele Forschungsarbeiten konzentrieren sich auf Organisationen, die entweder außergewöhnlich erfolgreich sind oder auf solche, die scheitern. Die allermeisten Firmen bewegen sich aber irgendwo dazwischen. In einem unserer Forschungsprojekte haben wir über mehrere Jahre hinweg vier kleine Unternehmenssoftwarefirmen begleitet und untersucht, wie diese mit verschiedenen Veränderungen in Unternehmenssoftwareplattformen umgehen. Dabei kann es zum Beispiel darum gehen, dass bestimmte Schnittstellen nicht mehr angeboten werden oder dass bestimmte Ressourcen nicht mehr zur Verfügung stehen. Das stellt kleine Unternehmen natürlich vor Herausforderungen. Im Projekt schauen wir uns genauer an, wie die Unternehmen darauf reagieren, sich neu positionieren, um im Kontext des großen Anbieters wieder ihre Nische zu finden, in der sie in Zukunft erfolgreich sein können.

Zu welchen Ergebnissen sind Sie in diesem Projekt bisher gekommen?

Grundsätzlich sehen wir, dass die ersten Erfolge häufig auf persönlichen Netzwerken und Beziehungen in die Organisation des Plattformanbieters basieren. Diese persönlichen Netzwerke sind jedoch schwierig beizubehalten, weil es die Bestrebung gibt, das Plattformmanagement über die Zeit zu standardisieren. Die Lösung ist für die kleinen Unternehmen dann häufig, sich vom Plattformanbieter mehr zu distanzieren und sich in diesem Zuge zu diversifizieren. Eine andere Herangehensweise besteht darin, dass die kleinen Firmen ihr Wissen nutzen und sich schon während sie noch eine bestimmte Lösung erfolgreich für ihre Kunden anbieten, damit auseinandersetzen, dass diese nicht von Dauer sein wird, weil in Zukunft der Plattformanbieter Änderungen an seiner Plattform vornehmen wird. Die Firmen nutzen also ihre Ressourcen, um sich schon frühzeitig Möglichkeiten aufzubauen, auch in Zukunft wieder eine Nische finden zu können.

Welcher Weg hat Sie nach Bamberg geführt?

Ich habe in Mannheim Wirtschaftsinformatik studiert und dort auch promoviert. Als Postdoc und Habilitand bin ich zunächst in Mannheim geblieben und anschließend nach Frankreich an die ESSEC Business School gegangen. Parallel habe ich meine Habilitation in Mannheim abgeschlossen. Ich hatte keinen festen Plan, nach Deutschland zurückzukehren, aber die Ausschreibung in Bamberg hat perfekt gepasst. Außerdem kannte ich vorher schon einige Kolleg*innen hier in Bamberg und wusste, dass die Wirtschaftsinformatik eine forschungsstarke Gruppe ist, die darüber hinaus tolle Studiengänge anbietet.

Wie war Ihr erster Eindruck von der Universität?

Ich habe mich ab dem ersten Moment sehr willkommen gefühlt, weil die Atmosphäre an der Universität sehr positiv ist und von allen Seiten gleich Unterstützung angeboten wurde. Ich freue mich darauf, in dieser Umgebung ein Lehrstuhlteam aufbauen zu dürfen und gemeinsam zu forschen. Außerdem sehe ich jetzt schon viele Anknüpfungspunkte für meine Forschung – innerhalb und auch außerhalb der Fakultät Wirtschaftsinformatik und Angewandte Informatik.

Welche Anknüpfungspunkte sehen Sie mit anderen Fächern?

Plattformen spielen auch in stark regulierten Bereichen, wie etwa dem Gesundheitswesen oder dem Bildungssektor, eine zunehmend größere Rolle. Das ist ein Thema, mit dem ich mich in Zukunft mehr beschäftigen möchte und mir vorstellen könnte, mit den Bildungswissenschaften zusammenzuarbeiten. Wenn wir uns das Bildungswesen anschauen – das kann sowohl die schulische Bildung als auch die Hochschulbildung sein – dann beinhaltet die „Plattformisierung“ einerseits eine riesige Chance, weil dadurch viele Menschen Zugang zu Wissen haben. Andererseits wirft diese Entwicklung die Frage auf, welche Rolle klassische Bildungseinrichtungen in der Zukunft genau spielen werden. Ein ganz aktuelles Beispiel aus dem Hochschulwesen ist die Plattform Coursera. Das Unternehmen hat sich darauf spezialisiert, Weiterbildungsangebote online bereitzustellen. Menschen haben also die Möglichkeit aus zahlreichen Kursen unterschiedlicher Bildungseinrichtungen zu wählen.

Warum sollte man sich aus Ihrer Sicht heute für ein Studium der Wirtschaftsinformatik in Bamberg entscheiden?

Wir behandeln wichtige Fragen in unserer Gesellschaft. Die zunehmende Digitalisierung betrifft uns in unseren Berufen, in unserem Privatleben und hat Einfluss auf Organisationen. Wir arbeiten also an der Schnittstelle zwischen Informatik, Wirtschaftswissenschaften und gesellschaftlichen Themen. Viele unserer Studierenden kommen im Anschluss an ihr Studium in Positionen, in denen sie auch Entscheidungsbefugnisse haben und etwas bewegen können. Dass wir darauf im besten Fall einen positiven Einfluss haben können, indem wir ihnen Wissen vermitteln, Begeisterung für Themen wecken und kritisches Denken fördern, ist etwas ganz Wunderbares.

Vielen Dank für das Interview!
 

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Seite 157093, aktualisiert 23.03.2023