Welche Auswirkungen haben neue Technologien auf Individuen, Gesellschaft und Unternehmen?

Das ist eine der Fragen, mit der sich der neue Professor für Wirtschaftsinformatik Milad Mirbabaie beschäftigt.

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  • 29.02.2024
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  • Hannah Fischer
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  • Lesedauer: 3 Minuten

Prof. Dr. Milad Mirbabaie hat seit Dezember 2023 den Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, insbesondere KI-Engineering in Unternehmen, inne. Sein Lehrstuhl gehört zu jenen, die die Universität Bamberg beim KI-Wettbewerb im Rahmen der Hightech Agenda Bayern gewonnen hat. Mirbabaie beschäftigt sich in Forschung und Lehre mit der digitalen Transformation und legt dabei einen besonderen Fokus auf die künstliche Intelligenz. Er untersucht, welche Auswirkungen KI-basierte Systeme auf Individuen, die Gesellschaft und Unternehmen haben. Sein akademischer Werdegang startete mit dem Studium der Wirtschaftsinformatik sowie IT-Management und Consulting in Hamburg. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Postdoc war er an den Universitäten Münster und Duisburg-Essen beschäftigt, bevor er 2019 eine Vertretungsprofessur für Wirtschaftsinformatik an der Universität Bremen übernahm. Von April 2021 bis zu seinem Ruf nach Bamberg hatte er eine Juniorprofessur für Wirtschaftsinformatik, insbesondere Digital Society, an der Universität Paderborn inne. Jetzt ist Milad Mirbabaie in der Welterbestadt. Im Interview stellt er unter anderem einige seiner Forschungsprojekte vor und erläutert, was ihm in der Lehre wichtig ist.

Lieber Herr Mirbabaie, Sie sind jetzt nach Stationen in zahlreichen deutschen Städten als Professor in Bamberg gelandet. Sie haben auch einige Forschungsprojekte mitgebracht. Welche sind das?

Milad Mirbabaie: Tatsächlich habe ich einige Forschungsprojekte aus Paderborn mitgebracht oder führe sie dort noch zu Ende. Aber ich konnte in Bamberg auch schon neue Projekte anstoßen. Ich zähle auf:

  • Im Projekt „INNO4S – Digital Innovation for Sustainable Development“ geht es darum, digitale Lehr- und Lernangebote für Studierende zu erstellen. Wir haben uns verschiedene Sustainable Development Goals, etwa Gesundheit und Wohlergehen (Goal 3) und menschwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum (Goal 8), ausgesucht und dazu jeweils Online-Lehrmaterial erstellt. Das Material kann individuell zusammengestellt werden, sodass am Ende ein Modul daraus entsteht. Das Angebot soll bundesweit zur Verfügung gestellt werden und für alle Hochschulen nutzbar sein.
  • Ein weiteres Projekt ist „PREVENT – Trainingsansatz zur Vermittlung von Maßnahmen zur Prävention digitaler Desinformationskampagnen“. Die Ergebnisse sollen Sicherheitsbehörden dabei helfen, gezielt gegen Desinformationskampagnen im Netz vorgehen zu können. Wir untersuchen, warum Desinformation entsteht, welche Personen dahinterstecken und wie Desinformationen vorgebeugt werden können. Ziel ist, individuelle, koordinierte und automatisierte Präventionsmaßnahmen zu entwickeln.
  • Strategien und Werkzeuge gegen Cybermobbing und Hassbotschaften in der öffentlichen Kommunikation – insbesondere den sozialen Medien Facebook, Telegram und Twitter – zu entwickeln, ist das Ziel im Projekt „CYLENCE“. Es geht vor allem um die automatische Erfassung potenzieller Cyber-Missbrauchsfälle in öffentlichen sozialen Datenquellen und die visuelle Analyse zur frühzeitigen Identifizierung und Priorisierung von Cybermobbing und Hassbotschaften. Gemeinsam mit Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden erarbeiten wir Methoden, um Hassbotschaften rechtssicher gemeldet werden können.
  • Im DAAD-geförderten Projekt „Natural Hazards“ arbeiten wir mit der Charles Darwin University in Australien zusammen. Wir untersuchen Social Media-Kommunikation während Naturkatastrophen, um Krisenkommunikation zu verbessern. Wir schauen uns vor allem die Kommunikation bei Extremwetterlagen in Australien wie Überschwemmungen oder Hitzewellen an. Daraus können wir generalisierbare Erkenntnisse ziehen, die uns künftig in Deutschland helfen können. Denn auch hier bekommen wir zunehmend die Folgen des Klimawandels zu spüren. 
  • KI hilft uns in vielen Bereichen. Unter anderem ist sie bei der Texterstellung und Informationsrecherche nützlich. Generative KI kann aber auch zur Bedrohung werden, indem Fehlinformationen erstellt und verbreitet werden. Im DAAD-Projekt „ARTIMIS“ zielen wir darauf ab, Nutzer*innen widerstandsfähiger gegen generative KI-Fehlinformationen zu machen. Dazu schauen wir uns an, wie Menschen KI-generierte Falschinformationen wahrnehmen.

Wie kam es dazu, dass Sie sich mit diesen Themen beschäftigen und wie würden Sie Ihre Forschungsschwerpunkte zusammenfassen?

In meiner Promotion an der Universität Münster habe ich mich mit dem Thema Krisenkommunikation und Krisenmanagement in Social Media befasst. Insbesondere habe ich mich damit beschäftigt, wie Menschen in unsicheren Situationen mit Technologien umgehen und wie wir als Wirtschaftsinformatiker*innen Systeme gestalten müssen, um Organisationen wie beispielsweise Feuerwehr und Sanitätsdienst zu unterstützen, die Bevölkerung adäquat informieren zu können. Im Laufe der Zeit hat sich mein Forschungsgebiet erweitert. Ich habe mir zum Beispiel folgende Fragen gestellt: Wie können wir Systeme – vor allem KI-Systeme – entwickeln, die Kommunikation und Kollaboration in Unternehmen unterstützen? Welche Rolle spielt der Mensch bei der Gestaltung von KI-Systemen? – In dem Zusammenhang beschäftigt mich auch das Thema Ethik und KI. Also was dürfen wir? Und was sollten wir lieber sein lassen? Welche Entwicklungen sollten wir mit Vorsicht genießen? Das alles führt mich auch zur Frage: Welche Auswirkungen haben digitale Technologien auf die Zukunft der Arbeit? Um den Antworten auf diese Fragen näher zu kommen, kreieren wir einerseits neue Technologien wie zum Beispiel KI-basierte Assistenzsysteme oder Chat-Bot-Systeme. Zum anderen setzen wir bestehende Systeme in Unternehmen ein und evaluieren die Auswirkungen dieser Systeme. 

Weg von der Forschung, hin zur Lehre: Was ist Ihnen da wichtig?

Ziel einer guten Lehre sollte aus meiner Sicht sein, den Studierenden innovative Denkweisen und Methoden mitzugeben. Das befähigt die Studierenden, sich in einem zunehmend digitalisierten und komplexen Arbeitsumfeld zurechtzufinden und selbstständig nachhaltige Lösungen für Probleme zu entwickeln. Mensch und Maschine vernetzen sich in allen Bereichen immer mehr. Es ist besonders relevant und interessant, menschliches Verhalten im Umgang mit den Technologien zu verstehen. Neben der essentiellen Vermittlung von Theorien und Methoden ist mein Ziel, anwendungsorientiertes und interaktives Lernen zu fördern. Im Rahmen von Praxisprojekten ist mir wichtig, dass die Studierenden reale Projekte und reale Probleme kennenlernen. Deshalb lade ich in meine Seminare Unternehmensvertreter*innen ein, die reale Probleme mitbringen. In Teamsettings sollen Studierende mit Projektmanagementmethoden diese Probleme lösen. 

Warum sollte man aus Ihrer Sicht Wirtschaftsinformatik studieren?

Die Wirtschaftsinformatik hat sich aus verschiedenen Welten zu einer besonders eigenständigen Disziplin entwickelt: Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre, Informatik, aber auch Mathematik und Recht. Besonders in den Masterstudiengängen spielen zudem Methoden, Konzepte und Theorien aus der Psychologie, Soziologie und Kommunikationswissenschaft eine Rolle. Diese Interdisziplinarität macht den Studiengang besonders attraktiv, weil wir mit der Kombination der verschiedenen Fachwelten komplexe Sachverhalte mehrdimensional betrachten können. Das ist die fachliche Antwort. Die praktische Antwort lautet: Wir werden in der Wirtschaft gebraucht und es gibt unzählige Einsatzbereiche für uns: etwa als AI-Engineer, Data Scientist, (AI-)Consultant oder auch im klassischen (IT-)Projektmanagement oder in der reinen Softwareentwicklung.

Warum haben Sie selbst sich dazu entschieden, nicht in die Wirtschaft zu gehen, sondern an einer Universität zu bleiben?

Eigentlich wollte ich in die Wirtschaft und hatte ein sehr gutes Jobangebot bei einem Konzern. Nach meiner Promotion habe ich aber gemerkt, dass mir die Wissenschaft einfach liegt und ich liebe es, mein methodisches und theoretisches Wissen zu erweitern und anzuwenden, um Fragestellungen der Zukunft zu beantworten. Außerdem macht mir die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses sehr viel Spaß und ich tausche mich gerne mit jungen Menschen aus, um neue Impulse zu gewinnen. All das wollte ich nicht missen und bin das Risiko eingegangen, nach der Promotion keine Stelle in der Wissenschaft zu finden. Ich wollte es aber wenigstens versucht haben. Und es hat an einem so tollen Standort geklappt!

Vielen Dank für das Gespräch! 

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Seite 163954, aktualisiert 29.02.2024