Innovationskraft aus Umbrüchen schöpfen, Teil 1

Einblicke in die 375-jährige Geschichte der Universität Bamberg

Ein historisches Schwarz-Weiß-Foto zeigt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Uni Bamberg im Labor
  • Campus
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  • 11.07.2022
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  • Tanja Eisenach
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  • Lesedauer: 6 Minuten

Mit der Zukunftsoffensive Hightech Agenda Bayern hat sich die Bayerische Staatsregierung hohe Ziele gesetzt. Es geht um Investitionen und Reformen, insbesondere sollen bayerische Hochschulen wettbewerbsfähiger werden und ihre Transferleistungen in die Gesellschaft intensivieren. „Wie darauf reagieren?“, ist eine Frage, die sich angesichts der aktuellen Entwicklungen auch die Universität Bamberg stellen musste und muss. Ein Blick zurück in die Universitätsgeschichte zeigt: Tiefgreifende Veränderungen wie diese positiv zu nutzen, ist eine ihrer großen Stärken.

Säkularisation, politische Reformen wie die des Schulwesens oder eine sich verändernde Wissenschaftslandschaft – schon oft in ihrem 375-jährigen Bestehen war die Universität Bamberg von gesellschaftlichen Umbrüchen betroffen. Man kann die Universitätsgeschichte bislang in fünf Phasen unterteilen. Sie erstrecken sich vom Gründungsjahr 1647 über Aufklärung und Industrialisierung, den Ersten und Zweiten Weltkrieg hindurch bis ins gegenwärtige 21. Jahrhundert. „Es handelt sich vor allem um die Geschichte der Institutionen mit jeweils unterschiedlichen Rechtsgrundlagen, Personalstrukturen oder Studien- und Abschlussmöglichkeiten“, erklärt Universitätsarchivarin Dr. Margrit Prussat, die gemeinsam mit ihrem Team wichtige Quellen zur Universitätsgeschichte bewahrt, erhält und zu Forschungszwecken bereitstellt. „Jede Phase beziehungsweise Institution steht dabei für sich, hat ihre eigenen Voraussetzungen, Gegebenheiten und Wechselwirkungen mit Stadt, Region, Politik und Gesellschaft."

Universität als Wirtschaftsfaktor: Standort- und Nachwuchssicherung

Eines haben alle Phasen trotz ihrer Verschiedenheit gemein: „Die Institutionen haben auf die Bedürfnisse der jeweiligen Epoche schnell und oft auch vorausschauend reagiert“, sagt Margrit Prussat. „Dank ihrer enormen Anpassungsfähigkeit gab es in Bamberg durchgehend seit der Frühen Neuzeit die Möglichkeit zu akademischer Bildung.“ Damit sicherten die Institutionen ihre Existenz und waren zugleich ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Sie sorgten für den Zuzug junger Menschen und den Verbleib qualifizierter Arbeitskräfte in der Region, die zudem von neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen profitierte. Gesellschaft und Universität: Beide brauchen einander, um sich weiterzuentwickeln. Genau deshalb, sagt Universitätspräsident Prof. Dr. Kai Fischbach, sollte die Universität Initiativen wie die Hightech Agenda Bayern als Chance begreifen, sich weiterzuentwickeln. Die Voraussetzungen dafür sind gegeben. Auf die Ausschreibungen des Zukunftsprogramms hat die Universität Bamberg umgehend reagiert und gleich bei mehreren Säulen erfolgreich Förderungen eingeworben. Bis zu 30 Professuren entstehen in den nächsten Jahren in allen vier Fakultäten.

„Digitale Ansätze und Methoden helfen uns an vielen Stellen, Fragen in den Geistes-, Kultur-, Sozial-, Wirtschafts- und Humanwissenschaften neu zu verstehen und auch den Forschungsprozess neu zu denken“, sagt Kai Fischbach. „Themenfelder wie die Künstliche Intelligenz geben wertvolle Impulse und sind eine Bereicherung für das Profil der Universität. Gleichzeitig zeigen sie uns, wie wir als Forscherinnen und Forscher dazu beitragen können, Lösungen für aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen zu entwickeln.“
Eine solche Herausforderung ist die digitale Transformation in der Region. Beispielsweise unterstützen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des interdisziplinären Forschungsnetzwerks Smart City Research Lab die Stadt Bamberg bei der digitalen Stadtentwicklung. Im derzeit entstehenden Innovationszentrum des Cleantech Innovation Parks werden unter anderem KI-gestützte Fertigungsprozesse entwickelt und erprobt.

Erste Phase: Erste Universität (1647-1803)

Die Gründung der ersten Universität erfolgte als Academia Ottoniana im Zeichen des Aufbruchs. Stadt und Region waren durch den Dreißigjährigen Krieg massiv geschädigt, die Bevölkerungszahl dezimiert, die Infrastruktur zerstört. „Mit dem Aufbau einer akademischen Ausbildungsstätte gelang es, jungen Menschen eine berufliche Perspektive in ihrer Heimatregion zu bieten, die zudem Aussicht auf sozialen Aufstieg versprach“, erläutert Margrit Prussat. „Bereits die erste Universität war also ein wichtiger Faktor zur wirtschaftlichen und
sozialen Stärkung der Region.“ Bis Mitte des 18. Jahrhunderts wurde die Academia Ottoniana zur klassischen Vier-Fakultäten-Universität erweitert, bekam zu den bereits bestehenden Fakultäten Theologie und Philosophie noch Jura und Medizin dazu. Der Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis war ein elementarer Bestandteil der akademischen Bildung und prägender Faktor der Stadtgesellschaft – initiiert und gefördert von Professoren wie Andreas Röschlaub (1768–1835), einem der führenden Mediziner seiner Zeit.

Der Bamberger Alumnus promovierte an seiner Alma Mater und hatte von 1798 bis 1802 eine ordentliche Professur für Medizin inne. Zeitgleich wirkte er als leitender Arzt im Bamberger Allgemeinen Krankenhaus, in dem die Studierenden ihren klinischen Unterricht absolvierten. Dort setzte er sich unter anderem für eine Reform der praktischen Medizin ein und trug so dazu bei, Bamberg als medizinischen Standort international bekannt zu machen. Dies lockte vermehrt auswärtige Studierende und junge Ärzte in die Domstadt, die für eine überdurchschnittliche medizinische Versorgung der Region mitverantwortlich zeichneten.

Lesetipp:  Häberlein, Mark und Prussat, Margrit (Hg.): Eine Wissenschaft im Umbruch. Andreas Röschlaub (1768–1835) und die deutsche Medizin um 1800. Bamberg, University of Bamberg Press, 2018

Zweite Phase: Lyzeum und Philosophisch-Theologische Hochschule (1803-1972)

Im Zuge der Säkularisation wurde die Universität 1803 aufgehoben. „Als direkter Nachfolger unterhielt das Lyzeum Bamberg nun ausschließlich eine Theologische und eine Philosophische Sektion“, sagt Margrit Prussat. „Ziel war die Ausbildung von Priestern und Lehrpersonal für die Schulen und Lyzeen in Bayern.“ Fächer wie Biologie, Landwirtschaft oder Chemie blieben in der Philosophischen Sektion weiter bestehen. Dieser durchgehenden naturwissenschaftlichen Tradition verdankt die Stadt Bamberg eine außergewöhnliche Einrichtung in der regionalen Museumslandschaft: das bereits zu Zeiten der ersten Universität gegründete Naturkunde-Museum.

1923 wurde das Lyzeum per Dekret zur Philosophisch-Theologischen Hochschule (PTH) umbenannt, 1939 der Lehrbetrieb komplett eingestellt. In der Nachkriegsphase sicherte die staatliche PTH den Fortbestand der akademischen Bildung in der Region: Bayern beherbergte über drei Millionen Flüchtlinge. Der Bedarf an Qualifizierungsmöglichkeiten war immens, zumal Universitäten wie Würzburg und München teilweise erheblich zerstört waren. Ohne einen entsprechenden Status zu besitzen, übernahm die PTH auf
Wunsch des Bayerischen Kultusministeriums sukzessive die Aufgaben einer Universität, baute Studienplätze aus und nahm neue Fächer wie Staats- oder Wirtschaftswissenschaften in ihr Curriculum auf.

Lesetipp: Chandon, Christian: Das Lyzeum Bamberg 1803–1923: Eine Einführung. Bamberg, opus, 2018

 

Wie die Geschichte der Universität Bamberg sich in den Phasen 3 bis 5 fortsetzt, erfahren Sie in Teil 2 des Beitrags, der am 13. Juli im uni.blog veröffentlicht wurde.

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Seite 152800, aktualisiert 12.07.2022