Innovationskraft aus Umbrüchen schöpfen, Teil 2

Einblicke in die 375-jährige Geschichte der Universität Bamberg

Zwei Männer vollziehen die offizielle Grundsteinlegung des Bamberger Universitätsgebäudes in der Feldkirchenstraße
  • Campus
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  • 13.07.2022
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  • Tanja Eisenach
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  • Lesedauer: 5 Minuten

Säkularisation, politische Reformen wie die des Schulwesens oder eine sich verändernde Wissenschaftslandschaft – schon oft in ihrem 375-jährigen Bestehen war die Universität Bamberg von gesellschaftlichen Umbrüchen betroffen. Man kann die Universitätsgeschichte bislang in fünf Phasen unterteilen. Sie erstrecken sich vom Gründungsjahr 1647 über Aufklärung und Industrialisierung, den Ersten und Zweiten Weltkrieg hindurch bis ins gegenwärtige 21. Jahrhundert. Im Blogbeitrag Innovationskraft aus Umbrüchen schöpfen, Teil 1 vom 11. Juli haben wir Ihnen die erste Phase von der "ersten Universität" sowie die zweite Phase des "Lyzeums und der Philosophisch-Theologischen Hochschule" vorgestellt. Heute gehen wir weiter in der Entwicklung...

Dritte Phase: Pädagogische Hochschule (1958-1972)

Parallel zur Philosophisch-Theologischen Hochschule bestand seit 1958 in Bamberg eine zweite akademische Bildungseinrichtung. Sie war das Ergebnis einer weitreichenden Reform des Schulwesens, das nun auch für Lehrerinnen und Lehrer an Volksschulen, heute Grund- und Mittelschulen, ein Studium vorsah. Die eigens dafür eingerichteten Pädagogischen Hochschulen (PH) bereiteten die angehenden Lehrkräfte auf das Erste Staatsexamen vor.

Mit der Reform der Volksschule reagierten die politischen Entscheidungsträgerinnen und -träger auf die Bedürfnisse einer sich rasant entwickelnden modernen Industriegesellschaft. Die Wirtschaft benötigte immer dringender hochqualifizierte Arbeitskräfte, Bildung avancierte zu einer wichtigen Voraussetzung für Beschäftigung und Wohlstand. Der Lehrberuf erfuhr dadurch eine Aufwertung, was wiederum einen steigenden Bedarf an Studienplätzen zur Folge hatte.

Diesem Umstand verdankt die Universität Bamberg ihren Standort in der Feldkirchenstraße. Denn mit den anwachsenden Studierendenzahlen stieg auch der Raumbedarf. Der 1966 eingeweihte Gebäudekomplex, in den die PH umzog, schuf Abhilfe. Doch längst nicht alle Gebäude, die die Universität nutzt, sind auch eigens für sie gebaut worden, gilt doch seit den 1970er Jahren das Raumkonzept Universität in der Stadt. Es sieht die Nutzung von bereits bestehenden Liegenschaften in der Innenstadt vor – statt einer Campus-Universität, die alle Anwesen auf einer Fläche zumeist am Stadtrand konzentriert. Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten, denn eine universitäre Nutzung entlastet die Kommune, verhindert Leerstand und Verfall und sorgt dafür, dass stadtbildprägende Bauwerke wie zum Beispiel das ehemalige Jesuitenkolleg An der Universität 2 dauerhaft öffentlich zugänglich bleiben.

Lesetipp: Heim, Dieter: Schullehrerseminar und Pädagogische Hochschule. In: Machilek, Franz (Hg.): Haus der Weisheit: von der Academia Ottoniana zur Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Bamberg, Universitätsverlag, 1998, S. 231–233.

Vierte Phase: Gesamthochschule (1972-1979)

PTH und PH wurden 1972 zur Gesamthochschule Bamberg vereint. Sie ist das Ergebnis einer Hochschulreform, die in mehreren Bundesländern diskutiert und umgesetzt wurde. Die Bayerische Staatsregierung entschied sich, das neue Konzept in Bamberg und Eichstätt jeweils als Pilotprojekt zu erproben. Mit der Errichtung einer Gesamthochschule kamen PTH und PH dem Ziel, wieder eine Universität in Bamberg zu gründen, einen großen Schritt näher. Durch den Zusammenschluss wurden sie zu einer Teiluniversität mit geisteswissenschaftlicher Ausrichtung, die den bayerischen Landesuniversitäten rechtlich gleichgestellt war. Studierende konnten sowohl Fachhochschuldiplome als auch verschiedene Diplome auf Universitätsniveau erwerben, im Universitätszweig der Gesamthochschule waren auch Promotionen möglich.

Eine parallel zur Hochschulreform stattfindende Reform der Lehrerinnen- und Lehrerbildung prägte die Anfangsjahre der jungen Gesamthochschule, die nun auf einen Schlag ein Lehramtsstudium für alle allgemeinbildenden Schularten anbot. Bayern beschloss, die Lehramtsbildung weitestgehend mit der Fachausbildung zu kombinieren und in die jeweiligen Unterrichtsfächer zu integrieren. In diesem Zuge entstanden im Fachbereich Erziehungswissenschaften zahlreiche neue Lehrstühle, unter anderem für Schulpädagogik. Dank der Gesamthochschule konnte Bamberg innerhalb kürzester Zeit ihre Bedeutung als Bildungs- und Schulstadt eindrucksvoll unterstreichen. Sie wurde zum zentralen Bildungsort für Generationen von angehenden Lehrkräften.

Lesetipp:Ruppert, Godehard (Hg.): Die Lehrerinnen- und Lehrerbildung in Bamberg. Ein historischer Überblick. Bamberg, 2020. Volltext auf fis.uni-bamberg.de

Fünfte Phase: Universität (seit 1979)

Bayern verwarf das Pilotprojekt Gesamthochschule nach nur sieben Jahren, belohnte aber dennoch die jahrzehntelangen Bemühungen um eine Wiedergründung der Universität. 1979 erhielt die Gesamthochschule Universitätsstatus, ab 1988 durfte sie ihren alten Namen Otto-Friedrich-Universität wieder führen. Politisch geforderte Profilschärfungen sowie die Errichtung eines Europäischen Hochschulraums im Rahmen des Bologna-Prozesses kennzeichnen die Entwicklungen der jüngsten Universitätsgeschichte.

In Abgrenzung zu anderen bayerischen Hochschulen baute die Universität Bamberg ihre bereits „angestammten“ fachlichen Schwerpunkte in den Geistes- und Kulturwissenschaften aus – mit einem besonderen Augenmerk auf kleine Fächer. Gemeinsam mit der 2012 in der Exzellenzinitiative erfolgreichen Bamberg Graduate School of Social Sciences (BAGSS) macht das An-Institut Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) Bamberg zu einem deutschlandweit einzigartigen Standort in der Empirischen Sozialforschung. 2001 legte die Gründung der Fakultät Wirtschaftsinformatik und Angewandte Informatik den Grundstein für den Bamberger Erfolg bei der Hightech Agenda Bayern (siehe "Innovationskraft aus Umbrüchen schöpfen, Teil1"). Das Profil der Universität Bamberg mithilfe der neuen Professuren weiter zu individualisieren und dadurch innovative Akzente für gesellschaftliche Diskurse zu setzen, wird in den kommenden Jahren eine der prägendsten Aufgaben sein.

Lesetipp: Jahresberichte der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Einsehbar im Universitätsarchiv sowie bis 2001/02 unter: www.uni-bamberg.de/uni-publikationen/jahresberichte

 

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Seite 152814, aktualisiert 13.07.2022